Corona-Pandemie toppt US-Präsidentschaft

USA: Zukünftige Fiskalpolitik hat Einfluss auf konjunkturelle Entwicklung. COVID-19: Erholung bleibt unvollständig trotz Rekordzahlen beim BIP-Wachstum. Folgerungen für die Kapitalanlage: Balance halten!

Die Börsen bewerten die derzeitige Lage überraschend optimistisch. Die Märkte fokussierten sich unter dem Szenario, dass im Kongress der Senat in republikanischer Hand bleibt, darauf, dass Biden seine geplanten Steuererhöhungen nicht voll durchsetzen kann und auch die Regulierung von Unternehmen voraussichtlich weniger deutlich ausfallen wird. Negative Folgen, wie ein voraussichtlich deutlich kleineres Konjunkturpakt und die sich immer stärker ausbreitende Corona-Pandemie, ignorierten die Börsen dagegen bisher.

USA: Zukünftige Fiskalpolitik hat Einfluss auf konjunkturelle Entwicklung
Mit Blick auf die USA wird es weitaus entscheidender sein, wie sich die Mehrheitsverhältnisse in den beiden Kongresskammern in Zukunft gestalten. Dort sieht es nach aktuellem Stand wie folgt aus: Die Demokraten dürften weiterhin über eine Mehrheit im Repräsentantenhaus verfügen. Im Senat hingegen sind aktuell die Republikaner im Vorteil. Daraus könnten sich durchaus Folgerungen aus wirtschaftlicher Sicht ergeben. Wenn es den Republikanern gelingt bei den Stichwahlen im Januar ihre Mehrheit im Senat zu sichern, wird es unwahrscheinlich, dass es zu den von den Demokraten vorgeschlagenen Steuererhöhungen kommt, um das grosse Konjunkturprogramm zumindest in Teilen zu refinanzieren. Die Konjunkturrisiken könnten in dieser Konstellation durch geringere fiskalische Unterstützung grösser werden, insbesondere wenn sich die Pandemie wieder verschärfen sollte.

Auch wenn die US-Wahl die Schlagzeilen der letzten Wochen bestimmt hat, bleibt die weitere Entwicklung in der COVID-Krise der wichtigste Faktor, der die Kapitalmärkte in den nächsten Wochen und Monaten bestimmen wird.

Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege, J.P. Morgan Asset Management

Dennoch gibt es Branchen, die unter dem neuen Präsidenten Biden bei einem gespaltenen Kongress profitieren könnten: Dazu gehören Technologie, Gesundheit und Finanzen. Ihnen hilft, wenn es mit Blick auf die Regulierung auch unter einer neuen Regierung letztlich beim Status quo bleibt. Auch Branchen und das Thema grüne Energie gehören zu den Profiteuren. Zwar ist bei geteilten Machtverhältnissen unklar, wieviel Biden als Präsident umsetzen kann, aber beim Thema erneuerbare Energien kann Biden als Präsident Pflöcke einschlagen und der Diskussion eine Wende geben, die der Branche und ihren Unternehmen hilft.

Bei Betrachtung der unterschiedlichen Regionen zeigt sich, dass gerade in den asiatischen Ländern eine sehr viel nachhaltigere Erholung stattgefunden hat – weil dort die Pandemie deutlich besser in den Griff bekommen wurde als etwa hierzulande. In China habe inzwischen ein neuer, eigener Zyklus begonnen, losgelöst vom Rest der Welt.

Niedrigzinsumfeld wird auf Jahre andauern – Inflationsrisiken kaum existent
Die Zentralbanken weltweit haben im Zuge der fiskalpolitischen Massnahmen die Zinsen auf Rekordtiefstände gesenkt. Die Zeit der Niedrigzinsen dürfte nach Einschätzung des Experten somit noch viele Jahre andauern. Denn gleichzeitig drohten aufgrund der negativen Folgen der Pandemie auf die privatwirtschaftliche Nachfrage vorerst keine Inflationsrisiken, was die Notenbanken auf den Plan rufen würde. Zusätzlich führt die Einführung eines durchschnittlichen Inflationsziels von zwei Prozent der Fed zu einer reaktiven anstelle einer proaktiven Geldpolitik.

Die Markterwartungen deuten sogar auf eine noch leichte weitere Absenkung der Zinssätze hin.

Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege, J.P. Morgan Asset Management

Im Aktienbereich sehen wir derzeit vor allem zwei grosse Gewinner der Krise: US-Wachstumswerte sowie chinesische Aktien, darunter insbesondere Online-Unternehmen wie Tencent oder Alibaba. Auf der anderen Seite hinkten beispielsweise Value-Werte sowie die Eurozone, Japan und UK als regionale Märkte hinterher. Damit sich die Performance-Lücke zu den Tech- und Wachstumswerten schliesst, müsste ein wesentlicher Punkt erfüllt sein. Erst wenn die COVID-19-Krise als überstanden angesehen werden kann, dürfte sich das Aufholpotenzial in den bislang zurückgefallenen Segmenten entfalten. Die Entwicklungen sind weiterhin sehr dynamisch, so dass eine Ausgeglichenheit zwischen Growth und Value sinnvoll ist.

Auf der Anleihenseite seien Staatsanleihen längst keine Alternative mehr. 90 Prozent der Staatsanleihen bieten eine Verzinsung von unter einem Prozent. Damit ist es fast unmöglich, einen positiven realen Ertrag über der Inflationsrate zu erwirtschaften. Die Jagd nach Risikoprämien wird in Zukunft noch stärker zunehmen. Gleichwohl bieten sich in einigen Anleihensegmenten noch Chancen, wie etwa im High-Yield-Bereich oder bei Anleihen aus Schwellenländern. Insbesondere chinesische Staatsanleihen sind attraktiv, da sie neben Renditechancen auch eine geringe Korrelation zu Aktien aufweisen.

Auch im Bereich der Green Bonds, also Anleihen, deren Erlöse grüne Projekte ganz oder teilweise finanzieren, bieten sich Chancen. Die Zahl der Emissionen von Green Bonds hat in den letzten Jahren stark zugenommen, insbesondere in Europa, aber auch in Nordamerika und in der Region Asien-Pazifik. Für Investoren ergibt sich daraus die Möglichkeit, das Portfolio zunehmend auch in diesem Segment zu diversifizieren. Auch ist davon auszugehen, dass Zentralbanken Greend Bonds bei Interventionen in Zukunft bevorzugten.