The sky seems to be the limit: S&P 500 kurzzeitig auf neuem Rekordstand
Nach der US-Wahl und der News über einen aussichtsreichen COVID-19-Impfstoff erklomm der S&P 500 ein Allzeithoch, wobei Anleger vermehrt Aktien kauften, die in der ersten Erholungsphase gemieden wurden. Damit hat sich auch die Partizipation an der Hausse weiter verbessert. Kurzfristig wirkt diese Euphorie etwas übertrieben, mittelfristig ist allerdings weiter mit Kursgewinnen zu rechnen.
Weniger als eine Woche nach den US-Wahlen vom 3. November schellte der S&P 500 auf einen neuen Rekordstand. Rund um den Globus stiegen die Kurse. Der Nikkei 225 notiert auf dem höchsten Niveau seit 1991. Zugleich scheinen die Sektoren, die sich während der ersten Erholung vom Corona-Schock am schnellsten erholt hatten, wie schon seit August in einem Seitwärtstrend zu stecken.
Schlankeres US-Konjunkturpaket und Deeskalation der Lockdown-Debatte
Die Machtverteilung im US-Kongress bedeutet, dass sich Biden nun mit sparfreudigen, frischgewählten und daher weniger kompromisswilligen republikanischen Senatoren abgeben wird müssen. Die Folge ist ein zusammengestauchtes Fiskalpaket. Die wahrgenommene Wahrscheinlichkeit von Lockdowns dürfte unter Biden steigen, doch die Entscheidungsgewalt bleibt letztlich bei den Gouverneuren der einzelnen Staaten. Zudem zeigen die Nachwahlbefragungen, dass nur 17% der Wähler COVID-19 als grösstes Problem erachtet haben, während 35% die Wirtschaft nannten. So deuteten die am 31. Oktober bzw. 4. November veröffentlichte Composite Einkaufsmanagerindizes (PMI) für China und die USA sogar auf eine Beschleunigung der Geschäftstätigkeit in den kommenden Monaten hin.
Mikio Kumada, Global Strategist, LGT Capital PartnersAngesichts der Tatsache, dass die grossen Volkswirtschaften immer näher an ihre Impfstoff-Rollouts heranrücken und die Wirtschaftspolitik weiterhin unterstützend wirkt, könnten sich die COVID-Zahlen zukünftig als ein noch schwächerer Gegenwind für die Märkte erweisen, als sie es schon seit April gewesen sind.
Das Ausmass der erfragten Zuversicht ist mit rund 55% ebenfalls höher als vor dem Ausbruch des Virus, was so kurz nach dem ersten V-förmigen Aufschwung zwischen April und Spätsommer bemerkenswert ist.
Dynamik im europäischen Dienstleistungssektor dürfte sich abschwächen
Eine Ausnahme in Bezug auf die derzeitige Erholungsdynamik stellt Europa dar, wo die eskalierende Pandemie, einschliesslich steigender Todesfälle und Krankenhausaufenthalte, die Politik letztlich nun doch zu neuen Lockdowns gezwungen hat. Mit der Ausnahme von Frankreich beschränken sich diese aber in der Regel vorerst auf der Vermeidung von Menschenansammlungen, wie z.B. in Restaurants, Kinos und anderen Freizeiteinrichtungen. Produktionsstätten, das Baugewerbe und Schulen bleiben hingegen grundsätzlich geöffnet. Ökonomisch gesprochen kreieren die erwähnten Sektoren aber nur einen kleinen Teil der Wertschöpfung eines Landes. Restaurants und Hotellerie steuern im Schnitt weniger als 5% der jährlichen Wirtschaftsleistung der Europäischen Union bei. Deshalb dürften die negativen Auswirkungen auf das allgemeine Wachstum geringer ausfallen als während der ersten Welle im März und April. Dennoch dürfte sich die Dynamik im europäischen Dienstleistungssektor weiter abschwächen. Ein Rückfall Europas in die Rezession steht deshalb auf Messers Schneide. Auf der anderen Seite zeigte jedoch auch das europäische verarbeitende Gewerbe weiterhin eine Aufwärtsdynamik, die jener in den anderen Grossregionen nicht nachhinkt. Dies zeigt, wie wahrscheinlich die jüngsten Pandemie-Massnahmen primär auf bestimmte Segmente des Dienstleistungssektors beschränkt bleiben dürften.
Auch die USA sind aktuell Gegenwinden (fehlendes zusätzliches Fiskalpaket, steigende COVID-Fallzahlen) ausgesetzt – allerdings zeigen die jüngsten Frühindikatoren keine Anzeichen, dass die dortige Erholung schwächelt. Im Gegenteil, das amerikanische Wachstum entwickelt sich weiterhin überraschend robust, trotz fehlendem Stimulus. Zugleich entwickelt sich Nordostasien weiterhin solide und virusfrei. China und Taiwan sind gar die einzigen grösseren Volkswirtschaften, die aufs Gesamtjahr betrachtet auch 2020 positive Wachstumsraten erzielen werden. Ihre Erholung ist schneller und weiter vorangeschritten als überall sonst. In Summe bleibt das Wachstum der Weltwirtschaft deshalb ausreichend intakt.
Hilfs- und Konjunkturmassnahmen politisch akzeptiert
Ein weiterer Grund, um nicht übermässig besorgt über die Auswirkungen der jüngsten Virusentwicklung auf das Wachstum zu sein, ist, dass die Politik in hohem Masse Willens ist, neue Hilfs- und Konjunkturmassnahmen zu initiieren. Eine Verschärfung der Corona-Krise erhöht nämlich nicht nur die Notwendigkeit von neuen Haushaltsmassnahmen, sondern reduziert auch den politischen Widerstand dagegen. Deutschland hat beispielsweise bereits angekündigt, kleinen Unternehmen bis zu 75% der Umsatzeinbussen während des neuen Lockdowns zu erstatten. Auch die Europäische Zentralbank hat jüngst deutlich gemacht, dass sie im Falle eines konjunkturellen Einbruchs ihre Wertpapierkäufe ausweiten will. Die amerikanische Federal Reserve hat ebenfalls die gleiche Haltung bekräftigt. Die jüngsten Warnungen der Zentralbankchefs Christine Lagarde (EU) und Jay Powell (USA) vor vorzeitigem Impfoptimismus bestätigen nur die Tatsache, dass eine frühzeitige Umkehrung der konjunkturfreundlichen Geldpolitik unwahrscheinlich bleibt.