Der Wert sozialer Faktoren für Unternehmen und für das Klima

Das Thema Nachhaltigkeit hat viele Facetten. Soziale Normen werden gegenüber dem Klimawandel oft als zweitrangig angesehen. Die Corona-Pandemie hat allerdings sozialen Fragen und Verpflichtungen von Unternehmen stärkere Aufmerksamkeit beschert. Das betrifft vor allem die Unterstützungssysteme, die Unternehmen ihren Mitarbeitern, Zulieferern und den Gemeinschaften, in denen sie tätig sind, bieten.

Die Pandemie hat jedoch auch die Ungleichheiten innerhalb der Länder und zwischen bestimmten Gesellschaftsschichten verdeutlicht und weiter vergrössert. So waren während der Pandemie vor allem junge Menschen, Frauen, Geringqualifizierte und Beschäftigte im Einzelhandel, im Baugewerbe und im Hotel- und Gaststättengewerbe unverhältnismässig stark von Arbeitsplatzverlusten betroffen.

Die Berücksichtigung sozialer Faktoren sollte auch Teil jeder Netto-Null-Strategie zur Reduktion von Treibhausgasen sein. Denn beides ist miteinander verbunden.

Michael Lewis, Head of Research ESG, DWS

Viele wichtige Dienstleistungen, auf die wir als Gesellschaft angewiesen sind, wie Müllabfuhr, Gesundheits- und Pflegedienste oder landwirtschaftliche Versorgung, werden in der Regel von Personen mit schwachem Arbeitnehmerschutz erbracht. Man denke nur an die rund 2’000 Beschäftigten, die in den ersten Tagen der Pandemie in der deutschen fleischverarbeitenden Industrie positiv auf Covid-19 getestet wurden. Dies führte zu Vorschriften zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in diesem Sektor und ist ein abschreckendes Beispiel für Unternehmen, die soziale Faktoren zu wenig berücksichtigen.

Sich dem Klimawandel zu stellen heisst auch Einfluss auf soziale Faktoren zu nehmen
Die Berücksichtigung sozialer Faktoren sollte auch Teil jeder Netto-Null-Strategie zur Reduktion von Treibhausgasen sein. Denn beides ist miteinander verbunden. Das zeigt das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC), welches mehr als 1,47 Milliarden Arbeitsplätze in Sektoren ermittelt hat, die für die Klimastabilität entscheidend sind. Fast zwei Drittel davon liegen im Agrarsektor sowie in anderen Sektoren wie der verarbeitenden Industrie, dem Baugewerbe, dem Verkehr und der Energieversorgung. Steigende Temperaturen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit die Arbeitsproduktivität, insbesondere für Arbeiter im Freien, im Baugewerbe, bei der Instandhaltung von Versorgungseinrichtungen, in der Landwirtschaft sowie im Bergbau und im Transportwesen verringern. Schätzungen zufolge könnte sich der Produktivitätsrückgang bis zum Ende dieses Jahrhunderts auf bis zu drei Prozent belaufen. Zum Vergleich: Während des berühmten Produktivitätsrückgangs in den 1970er Jahren ging die Produktivität in den USA um etwa 1,5 Prozent zurück. Steigende Temperaturen können zu einer Verschlechterung der Luftqualität führen und das Risiko eines Hitzeschlags erhöhen. Das wiederum kann zu einer Zunahme hitzebedingter Todesfälle führen. Gerade im urbanen Raum sind die Menschen aufgrund der Wärmeinseleffekte stärker gefährdet als in ländlichen Regionen. Aus diesem Grund kommt auch Investoren eine wichtige Rolle zu, wenn es darum geht sicherzustellen, dass Unternehmen Strategien und Systeme entwickeln, die sozialen Schaden verhindern können. Umgekehrt können bestimmte soziale Fragen wie der Zugang zu Gesundheit und Bildung zur Bewältigung des Klimawandels beitragen, zum Beispiel im Bereich der Familienplanung, aber auch wenn es um den allgemeinen Zugang zu Bildung geht. Letzteres kann Einfluss auf die Grösse der Familien, insbesondere in ärmeren Regionen der Welt haben. Frauen mit höherer Bildung haben in der Regel weniger und gesündere Kinder. Wenn Familien jedoch von Armut bedroht sind, wofür der Klimawandel eine Ursache sein kann, ist es nicht unwahrscheinlich, dass vor allem Mädchen von der Schule genommen werden, um das Haushaltseinkommen in ihren Familien zu sichern. Zudem spielen Themen wie Klimaschutz in Familien unter solchen Rahmenbedingungen eher keine Rolle.

Fazit
Vermögensverwalter begegnen sozialen Herausforderungen über die Gestaltung ihrer Investmentstrategien, Engagement-Aktivitäten, ihrer Berichterstattung genauso wie die öffentliche Fürsprache und die Einforderung standardisierter Regulatorien. Das Erkennen und Verstehen solcher Zusammenhänge wie zwischen Klima-Massnahmen und sozialen Faktoren ermöglichen ein zielgerichteteres Engagement mit den Unternehmen, in die Asset Manager investiert sind. Für uns sind Menschenrechte und soziale Themen ein integraler Bestandteil dieser Engagement-Aktivitäten. Soziale Kriterien, von der Gleichstellung der Geschlechter bis hin zur Flexibilität am Arbeitsplatz, sind zu einem wichtigen Faktor für die finanzielle Perfomance von Unternehmen geworden. Gleichzeitig sollten sie wichtiger Bestandteil jeglicher Netto-Null-Strategien sein. Dies spiegelt wider, wie sich der Klimawandel auf soziale Faktoren wie Arbeitsproduktivität oder Luftqualität auswirkt und wie soziale Faktoren wie Familienplanung und Bildung eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels spielen können.

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