Absurd: Tabakunternehmen mit erstklassiger ESG-Bewertung

Rating-Agenturen lassen zuweilen entscheidende Aspekte der ESG-Analyse ausser Acht und verfolgen einen Top-Down-Ansatz, der zu widersinnigen Ergebnissen führt, wie z.B. Tabakunternehmen, die bei ESG-Faktoren hoch punkten. Das Problem: ESG-Screens berücksichtigen in der Regel nicht die Nachhaltigkeit der Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens. Sie fokussieren darauf, wie ein Unternehmen wirtschaftet, und nicht darauf, was es tut.

Immer wieder schreiben Rating-Agenturen Unternehmen eine hohe Nachhaltigkeitsbewertung zu, deren Produkte möglicherweise grundlegend nicht nachhaltig sind. So listet der globale Aktienindex MSCI beispielsweise das Tabakunternehmen «Imperial Brands» mit einer ESG-Bewertung von «A».

ESG-Screenings von Rating-Anbietern haben einen signifikanten toten Winkel, wenn es um die Abdeckung und die Screening-Tools geht. Dies führt dazu, dass Investoren nur über ein kleines Feld von gleichwertigen Auswahlmöglichkeiten verfügen. ESG-Screens haben keine wirklich globale Abdeckung. Sie basieren auf Unternehmensangaben, was grosskapitalisierte, reife Unternehmen begünstigt und Small-Cap-, Mid-Cap- und Emerging-Market-Unternehmen benachteiligt.

Rating-Agenturen wenden fehlerhafte Methoden an, die zu vorteilhaften ESG-Ratings für grundsätzlich nicht nachhaltige Unternehmen führen können.

Euan Ker, Sustainable Investment Analyst, Aegon AM

Viele Peer-Strategien neigen dazu, ausschliesslich in führende Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit zu investieren, d.h. in Firmen, die bereits sehr nachhaltige Produkte und Praktiken eingeführt haben. Nachhaltige Marktführer sind jedoch in der Regel bekannt und gut erforscht, was bedeutet, dass die Aussicht auf die Entdeckung von falsch bewerteten Aktien geringer ist. Ausserdem können verschiedene ESG-Screening-Tools sehr unterschiedliche Ergebnisse liefern. Es gibt Tausende von Datenpunkten zur Auswahl, aber welche sind wirklich wesentlich für die langfristige Nachhaltigkeit eines Unternehmens? Manchmal fällt es schwer zu verstehen, wie die Rating-Agenturen ihre Wirkungskategorien definieren.

Aufgrund des qualitativen Charakters von Nachhaltigkeit wird es immer Debatten, Grauzonen und Nuancen geben, weshalb das Thema ganz einfach von unten nach oben angegangen werden muss, nicht aus einer thematischen Perspektive. Eine rigorose Bottom-up-Analyse erfasst die Nuancen der tatsächlichen Produktauswirkungen und ESG-Faktoren am besten, um ein Unternehmen zu bewerten. Anders zu sein, ist dabei durchaus eine Chance.