Sand im Getriebe

Die internationale Arbeitsteilung hat in den vergangenen Jahren gleich mehrere Rückschläge einstecken müssen. So führten im Zuge der Finanzkrise viele Staaten protektionistische Massnahmen ein, um die eigene Wirtschaft zu stützen. 2016 stimmte eine Mehrheit der Briten für den Brexit, und der Freihandelskritiker Donald Trump schaffte den Sprung ins Weisse Haus. Seit 2020 macht die Corona-Pandemie immer wieder deutlich, dass die weitverzweigten internationalen Lieferketten anfällig für Störungen sind – aktuell wegen der anhaltenden Lockdowns in Teilen Chinas.

Der russische Angriff auf die Ukraine schliesslich hat daran erinnert, wie verletzlich und erpressbar die Abhängigkeit von einem grossen Lieferanten machen kann. Für viele westliche Staaten stellt sich noch stärker als bisher die Frage, inwieweit man mit einem strategischen Gegenspieler wirtschaftlich zusammenarbeiten und zu dessen Stärke beitragen soll – nicht nur bezüglich Russland, sondern auch im Hinblick auf den aufstrebenden Giganten China.

Die Tendenzen zu einer De-Globalisierung sind für die Finanzmärkte mittelfristig eine gewisse Belastung.

Beat Pfiffner, Stv. Leiter Research, Schwyzer Kantonalbank

Als Reaktion auf die anfälligen Lieferketten haben viele Unternehmen die Lager erhöht und suchen zusätzliche, näher gelegene Lieferanten. Die Regierungen wollen vielerorts die Herstellung von wichtigen Gütern im eigenen Land fördern. Ein Beispiel sind die Pläne der EU-Staaten und der USA zur Stärkung der heimischen Chip-Industrie, um weniger abhängig von Taiwan zu werden. Ähnliche Bestrebungen gibt es auch im Energiebereich und bei Medikamenten.

Solche staatlichen Förderprogramme und Eingriffe können zwar die Wirtschaft durchaus robuster gegenüber Störungen der Lieferketten machen. Mit der Abschottung einher geht aber meist ein Verlust an Effizienz: Wenn nicht mehr beim global konkurrenzfähigsten Anbieter bestellt wird, steigen die Kosten. Beispielsweise ist russisches Gas aus Pipelines für Europa deutlich billiger als Erdgas aus den USA, welches erst verflüssigt, dann per Schiff über den Atlantik gebracht und schliesslich wieder «rückvergast» werden muss. Die teureren Produkte mindern die Kaufkraft, was die Nachfrage bremst. Zusammen mit höheren Inputkosten und grösseren Lagern belastet das die Gewinne vieler Unternehmen.

Deshalb sind die Tendenzen zu einer De-Globalisierung für die Finanzmärkte mittelfristig eine gewisse Belastung. Zwar resultieren aus den beschriebenen Entwicklungen durchaus auch Chancen: Wegen der Abkehr von russischem Gas werden beispielsweise Anlagen für Flüssigerdgas und erneuerbare Energien verstärkt gefragt sein. Für die breiten Märkte ist das Umfeld aber anspruchsvoller geworden, denn in das Getriebe der globalisierten Weltwirtschaft ist Sand geraten.

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