Japan-Aktien: Wachstumspotenzial dank besserer Unternehmensführung und Strukturreformen

Japanische Aktien erlebten in den vergangenen paar Monaten eine Rallye. Doch was steckt hinter der Performance? Sollten Investoren ihr Augenmerk jetzt auf Japan richten? Oder wird das Plus bald verpuffen?

Japanische Aktien haben sich seit Jahresbeginn positiv entwickelt: Der Nikkei-Index erreichte mit einem Plus von 20,8 Prozent bis zum 27. März 2024 ein Allzeithoch und überschritt sogar den Höhepunkt der Blase von 1989. Hinter dieser Entwicklung stecken allerdings hauptsächlich zyklische Faktoren wie der Aufschwung der globalen Wirtschaftsindikatoren und weitgehend auch die Abwertung des Yen. Dennoch halten wir japanische Aktien für vielversprechend. Denn Japan hat seit der Abenomics-Ära eine Reihe von Reformen durchgeführt – diese scheinen nun endlich Früchte zu tragen und könnten, falls sie erfolgreich fortgesetzt werden, japanischen Aktien weiteren Auftrieb verleihen.

Auftrieb für japanische Aktien: robuste globale Wirtschaft und schwächelnder Yen
Ein wichtiger Faktor für die gute Performance japanischer Aktien ist die robuste globale Wirtschaft. Ein Grossteil der japanischen Large-Cap-Unternehmen sind Exporteure mit einer zyklischen Komponente und haben daher in der Vergangenheit oft von Konjunkturerholungen profitiert. Nachdem sie lange rückläufig gewesen waren, stabilisierten sich die globalen Indikatoren für wirtschaftliche Aktivität (Einkaufsmanagerindizes, PMI) im Jahr 2023 und bewegten sich 2024 schliesslich in den Expansionsbereich. Für japanische Unternehmen schlug sich dies in positiven Gewinnrevisionen nieder. Dabei wurden die Wachstumserwartungen stetig nach oben revidiert und liegen mittlerweile bei 8,4 Prozent für das Geschäftsjahr 2025.

Wenn die Reformen weiterhin Früchte tragen, könnte der ROE Japans mit dem Durchschnitt anderer entwickelter Länder (zwölf Prozent) aufschliessen. Das würde den Bewertungen japanischer Aktien einen zusätzlichen Auftrieb von über 20 Prozent verleihen.

Nadège Dufossé, Global Head of Multi-Asset, Candriam

Auch das Ende des Deflationszyklus, der Mitte der 1990er Jahre begonnen hatte, kam den Bewertungen japanischer Aktien zugute. Die Inflationserwartungen in Japan haben sich in letzter Zeit nach oben entwickelt und sind nun bei über zwei Prozent verankert. Sollte sich dieser inflationäre Trend fortsetzen, könnten die Margen weiter steigen und der Bewertungsabschlag japanischer gegenüber globalen Aktien dürfte sich verringern. Diese Dynamik bietet ein mögliches Aufwärtspotenzial von mehr als 13 Prozent. Der Hauptgrund für die jüngste Outperformance japanischer Aktien ist jedoch die scharfe Abwertung des Yen. Die an der Börse notierten japanischen Unternehmen sind stark vom internationalen Handel abhängig – und profitierten entsprechend von der Abwertung der Landeswährung. Der Yen ist seit Jahresbeginn um acht Prozent gefallen und hat einen Anstieg des japanischen Marktes in lokaler Währung von 20,8 Prozent unterstützt. Wie stark sich der Wechselkurs auf den japanischen Index auswirkt, zeigt ein Vergleich: Die Outperformance japanischer Aktien gegenüber globalen Indizes ist in Dollar deutlich schwächer – sie beträgt lediglich drei Prozent. Die Unterstützung des Yen für japanische Aktien dürfte jedoch nachlassen, da weitere Abwertungen unwahrscheinlich erscheinen. Tatsächlich hat Japans Notenbank kürzlich ihre Politik negativer Zinssätze beendet, während die US-Notenbank (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) eine eher lockere geldpolitische Haltung eingenommen haben. Dies verringert die Aussichten auf einen schwächeren Yen und folglich auf weitere Unterstützung für Japans Aktienmarkt.

Langfristige Wachstumstreiber: bessere Governance und Strukturreformen
Das letzte Mal, als der Index sowohl in lokaler Währung als auch in US-Dollar outperformte, war in den Jahren 2004 und 2005 – nachdem Premierminister Jun'ichirō Koizumi Reformen durchgeführt hatte, die die Eigenkapitalrendite (ROE) auf historisch hohe Niveaus gesteigert hatten. Zu den Neuerungen zählten Privatisierungen und Deregulierungsmassnahmen. Ähnlich könnte es auch heute sein: Seit 2013 hat Japan bedeutende Strukturreformen gestartet, die darauf abzielen, die Unternehmenstransparenz und -rentabilität zu verbessern. Diese Reformen sollen insbesondere die Unabhängigkeit der Verwaltungsräte stärken und Überkreuzbeteiligungen reduzieren, die sich negativ auf die Bewertungen ausgewirkt hatten. Infolgedessen verbessern sich Governance-Qualitätsindikatoren seit mehreren Jahren stetig und die ROEs sind von fünf Prozent im Jahr 2013 auf neun Prozent im Jahr 2023 gestiegen. Sie haben jedoch noch nicht ihre historisch hohen Niveaus erreicht und entsprechen auch noch nicht internationalen Standards – bis zu den amerikanischen oder europäischen Governance-Standards besteht noch reichlich Luft nach oben. Wenn diese Reformen weiterhin Früchte tragen, könnte der ROE Japans mit dem Durchschnitt anderer entwickelter Länder (zwölf Prozent) aufschliessen. Das würde den Bewertungen japanischer Aktien einen zusätzlichen Auftrieb von über 20 Prozent verleihen und könnte damit eine Phase deutlicher Outperformance auslösen. Zusätzliche strukturelle Unterstützung erhält Japan durch den Infrastrukturplan, den die japanische Regierung aufgelegt hat, um den Bau und die Modernisierung von High-Tech-Einrichtungen zu fördern. Nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten und dem Chip Act könnte sich dies positiv auf das verarbeitende Gewerbe und die Technologiebranche auswirken. Und es gibt noch eine Reihe weiterer Trends, die die Entwicklung japanischer Aktien begünstigen könnten:

  • Die Reform des individuellen Sparsystems (NISA) wurde im Januar 2014 eingeführt und soll in diesem Jahr umgesetzt werden. Die steuerfreie Haltedauer wird nun unbefristet sein, und die Steuerbefreiungsgrenze wird erhöht. Das dürfte Privatanlegern den Zugang zu den Börsenmärkten erleichtern und könnte in einem optimistischen Szenario zwischen 2024 und Ende 2027 geschätzte Mittelzuflüsse von 32 bis 45 Milliarden US-Dollar generieren. Das entspricht zwischen 0,6 und 0,9 Prozent der japanischen Marktkapitalisierung.
  • Zunahme von Aktienrückkaufprogrammen: Die Reformen und der Abbau von Überkreuzbeteiligungen haben dazu geführt, dass die Aktienrückkaufprogramme in Japan stark angestiegen sind: von 33 Milliarden US-Dollar vor fünf Jahren auf heute über 66 Milliarden US-Dollar. Dieser Trend wird sich fortsetzen.
  • Kapitalströme institutioneller Investoren: Institutionelle Investoren sind trotz verbesserter Fundamentaldaten weiterhin in japanischen Aktien untergewichtet. Wenn diese Investoren ihre Allokation um 0,5 Prozent erhöhen würden, könnte dies massive Kapitalströme in Höhe von fast 200 Milliarden US-Dollar für die Region generieren – das entspricht rund vier Prozent der japanischen Marktkapitalisierung.

Begünstigende Faktoren für Japan-Aktien – auch ohne Yen-Abwertung
Zwar profitierten japanische Aktien von einer florierenden Wirtschaft und einem günstigen Reflationstrend, ihr Hauptantrieb kam jedoch von der Abwertung des Yen, die die Gewinne japanischer Unternehmen unterstützte. Diese Phase der Abwertung scheint jedoch nun vorbei zu sein. Um einen Zyklus der Outperformance aufrechtzuerhalten, braucht es weitere begünstigende Faktoren – und diese sind in grosser Zahl vorhanden. Die Erhöhung der Bestände japanischer Privatanleger und Aktienrückkäufe durch Unternehmen könnten zu einem Anstieg der Kapitalströme führen, und vor allem die Fortsetzung struktureller Reformen zur Verbesserung der Wertschöpfung für Aktionäre könnte Anlegern zugutekommen. Mehr noch: Wenn die ROEs ihre früheren Höchststände übertreffen würden, könnte eine neue Phase der Outperformance japanischer Aktien beginnen. Das würde institutionelle Investoren dazu veranlassen, ihre Portfolios zugunsten der Region neu auszubalancieren.

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