2022/2023 dürften Testjahre für die Anhänger der «Modernen Monetären Theorie» (MMT) werden
Auch 2021 scheint die Popularität einer pragmatischen, für die Konjunktur in allen globalen Regionen hilfreichen lockeren Geldpolitik anzuhalten. Man kann inzwischen von einer Form der Anwendung der sogenannten «Modernen Monetären Theorie» (MMT) sprechen. Besonders in den USA, aber auch in Europa, haben die Finanzmärkte bisher positiv auf die enorme Ausweitung der Zentralbankbilanzen reagiert. Dennoch dürfte das Vertrauen in Papierwährungen auf die Probe gestellt werden.
Die Coronakrise hat – ähnlich wie schon die Finanzkrise 2008/2009 – gezeigt, dass die Ausweitung der Zentralbankbilanzen über massive Obligationenkäufe und die Erhöhung der Staatsverschuldung ein notwendiges Mittel der monetären Politik in Krisenzeiten sein kann. Die MMT, welche am linken Spektrum der Wirtschaftspolitik entstand, hat seit einiger Zeit innerhalb der demokratischen Partei in den USA und darüber hinaus Anhänger gewonnen. Die erstaunliche Popularität der MMT begann vor allem, seit Olivier Blanchard, der frühere Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, im Jahre 2019 meinte, dass die Kosten der öffentlichen Verschuldung geringer bzw. «weniger schlimm» sein könnten als ursprünglich angenommen.
Die MMT postuliert, dass Geld quasi als «Produkt» der Regierungen mittels Staatsausgaben und Steuern entsteht und weniger – wie im klassischen Ansatz – auf Kreditschöpfung und den Bankensektor zurückzuführen ist. Daher sei anzunehmen, dass Regierungen, welche ihre eigene Währung drucken und Geld leihen, kaum zur Zahlungsunfähigkeit gezwungen werden, da sie neues eigenes Geld drucken können, um ihre Schulden zu bezahlen. Zudem zeige die seit Jahren tiefe Inflation, meinen die MMT-Verfechter, dass die Budgetdefizite zu gering gewesen seien bzw. dass auf diese Art zu wenig Geld geschaffen worden sei. Darum müssten bei Konjunkturschwächen die Regierungen noch mehr Staatsausgaben und Defizite anstreben, weil die Grenzen der Staatsverschuldung weiter von kritischen Grenzen entfernt seien als früher angenommen. Auch die enorme Geldflutung nach der Finanzkrise 2008 habe nicht zu einer hohen Inflation geführt, wie es von der klassischen monetaristischen Lehre befürchtet worden war, argumentieren die MMT-Anhänger.
Gérard Piasko, Chief Investment Officer, Maerki Baumann & Co.MMT und eine zu hohe Staatsverschuldung könnten zu Misstrauen gegenüber Papierwährungen führen.
Diese MMT-Argumente waren bisher nicht leicht zu widerlegen. Doch die Schlussfolgerung der MMT-Befürworter, dass nur eine künstliche Grenze zwischen der Zentralbank und der Regierung bestehe, ist sehr problematisch. Sie gefährdet nämlich die notwendige (und heute zu wenig betonte) Unabhängigkeit der Zentralbanken. Wie weit der Druck auf eine Zentralbank und die Ausweitung der Zentralbankbilanz gehen kann, hat Japan gezeigt: Dort wurde das «Quantitative Easing» vor rund 20 Jahren erfunden mit dem Resultat, dass rund 10 % der gesamten Marktkapitalisierung der japanischen Aktien durch die japanische Zentralbank aufgekauft wurden. Ein gewaltiger Eingriff der Behörden in die Marktwirtschaft!
Die Realität ist in Europa und den USA noch nicht in der MMT-Welt angekommen. Zwar stimmt es, dass die US-Zentralbank Staatsschuldenpapiere massiv gekauft hat, aber nur am Sekundärmarkt. Wenn die US-Regierung über das Finanzministerium Staatsschuldenpapiere herausgäbe und diese direkt von der Zentralbank gekauft würden, wäre die Unabhängigkeit der Zentralbank wahrscheinlich vorüber. Der zunehmende Glaube, dass hohe Staatsverschuldung und Budgetdefizite langfristig akzeptabel sind, erscheint genug gefährlich. Es ist zu hoffen, dass in Zukunft diese Akzeptanz einer hohen Staatsverschuldung bzw. die Popularität von MMT wieder abnimmt. Eine zu hohe Fiskalstimulierung könnte ansonsten langfristig negative Wirkungen haben.