Weniger Quantitative Easing (QE) ist nicht gleich Quantitative Tightening (QT)

Die nun beginnende Drosselung der quantitativen, lockeren US-Geldpolitik weckt Erinnerungen an das «Taper tantrum» von 2013. Damals wurden die Märkte allerdings nicht von der US-Zentralbank (Fed) frühzeitig über die Pläne vorbereitet und reagierten dementsprechend überrascht. Erhöhte Volatilität der Finanzmärkte ist bei deutlicher Drosselung des «Quantitative Easing» (QE) zwar wahrscheinlich, für die Entwicklung der Wirtschaft und Unternehmensgewinne könnten dieses Mal aber Veränderungen der amerikanischen Fiskalpolitik wichtiger werden.

Das QE bezeichnet die Lockerung der Geldpolitik durch Zentralbanken über den Kauf von Wertschriften, insbesondere Staats- oder Unternehmensanleihen. Bereits in der Finanzkrise 2008/2009 sowie nach der Euro-Krise 2011/2012 war eine expansive Geldpolitik eine wichtige, ja notwendige Ergänzung der Zinssenkungen zur Stimulierung von Konjunktur und Finanzmärkten – so auch ab Frühjahr 2020 in der Coronakrise.

Es ist unbestritten, dass das QE der wichtigen globalen Zentralbanken zur Stabilisierung der Kapitalmärkte und der Weltwirtschaft beigetragen hat. Ansonsten wäre vielleicht letztes Jahr eine Negativspirale von mehreren Quartalen und eine längere Finanzkrise ausgelöst worden. Wie wir im Frühjahr 2020 gesehen haben, erfolgen in einer Krise rasante Marktbewegungen in beide Richtungen. Nach unten, wenn die Zentralbanken kaum oder zu wenig QE in Aussicht stellen (wie zu Beginn der Coronakrise); nach oben, wenn die Zentralbanken unbegrenzt Liquidität zur Verfügung stellen. Sowohl der Rückgang wie die Erholung der Aktienmärkte erfolgte 2020 in historischer Rekordzeit. Es hat sich hierbei gezeigt, dass die QE-Wirkungen vordergründig über einen psychologischen Effekt und die Veränderung der Risikoprämie der verschiedenen Anlageklassen vor sich gehen. Erst in zweiter Linie über die direkte Geldliquidität, welche mit einiger Verzögerung wirkt. Die Auswirkung veränderter langer Zinsen, also der Renditen länger laufender Anleihen, auf die globale Wirtschaft zeigen sich in der Regel erst viel später.

Erfunden hat das QE die japanische Zentralbank, welche damit schon vor rund 20 Jahren ein zu schwaches Wirtschaftswachstum zu verbessern versuchte.

Gérard Piasko, Chief Investment Officer, Maerki Baumann

2013 erfolgte eine eher ungeschickte Kommunikation der Fed über die bevorstehende, damals vom Markt unerwartete Drosselung der Anleihenskäufe, das sogenannte «Taper Tantrum». Da die Märkte nicht darauf vorbereitet waren, führte die Ankündigung der Drosselung des QE 2013 zu einer sichtbaren, allerdings nur kurzfristigen Aktienmarktkorrektur, die in den USA und Europa moderat, in den Schwellenländern wegen des Effekts des steigenden US-Dollars weit deutlicher ausfiel. Daher ist sich die Fed heute sehr wohl bewusst, wie graduell und vorsichtig sie eine Drosselung des QE handhaben muss. Speziell Fed-Chef Jerome «Jay» Powell, der 2019 bekanntlich eine abrupte Kehrtwende der Geldpolitik nach einer Aktienkorrektur vornehmen musste, dürfte jede radikale Änderung zweimal überdenken. Die Märkte sollten diesmal also auf eine Drosselung des QE, wie sie nun von der Fed annonciert wurde, besser als 2013 vorbereitet sein. Allerdings bedeutet jede Änderung der Geldpolitik historisch meist dennoch eine Erhöhung der Volatilität aller Anlageklassen, wie in der Vergangenheit oft gesehen.

Für die Entwicklung der US-Wirtschaft ist die Fiskalpolitik mindestens so wichtig wie die Geldpolitik.

Gérard Piasko

In der Coronakrise wurde die Expansion der Geldpolitik zusätzlich durch eine massive Stimulierung der Konjunktur mittels Regierungsausgaben begleitet, also durch eine Fiskalstimulierung. Da das Versenden von Geldchecks und andere Fiskalstimulierungen in der Coronakrise die amerikanische und globale Wirtschaft mehr und direkter beeinflusst haben als die Geldpolitik, wäre eine restriktivere Fiskalpolitik für 2022/2023 ökonomisch gesehen gefährlicher als die nun kommende Drosselung des QE. Eine Drosselung scheint sinnvoll zu sein, um in einer späteren Phase bei Rezessionsgefahr wieder mehr «Munition» zur Verfügung zu haben, um die Märkte erneut stützen zu können. Es muss betont werden, dass eine Drosselung der Anleihenskäufe durch die Fed eine Reduktion des QE ist, aber noch kein QT, also noch keine restriktive quantitative Geldpolitik («Quantitative Tightening») darstellt. Letzteres hatte die Fed bisher erst in einer fortgeschrittenen Spätphase des Konjunkturzyklus vorgenommen: Dann verkaufte die Fed aktiv Anleihen, was nicht das gleiche ist wie weniger Anleihen zu kaufen.

Eine Drosselung scheint sinnvoll zu sein, um in einer späteren Phase bei Rezessionsgefahr wieder mehr «Munition» zur Verfügung zu haben, um die Märkte erneut stützen zu können.

Gérard Piasko

Eine leichte Änderung der amerikanischen Geldpolitik über eine Drosselung des QE bzw. der Anleihenskäufe ist nicht mit einem QT, einer wirklich restriktiven Geldpolitik, vergleichbar. Besonders dann nicht, wenn die Drosselung durch eine sorgfältige Kommunikation frühzeitig signalisiert und relativiert wird. Erhöhte Marktschwankungen in allen Anlageklassen durch eine Drosselung des QE sind dennoch nicht ganz unwahrscheinlich.

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