Kognitive Vielfalt macht Investmentteams klüger – aber nur, wenn sie gut gemanagt wird
Eine neue Studie von Alex Edmans, Finance-Professor an der London Business School, kommt zu dem Ergebnis, dass kognitive Vielfalt die Leistung von Investmentteams steigern kann – allerdings nur, wenn sie effektiv gesteuert wird. Unternehmen können nicht einfach «Vielfalt hinzugeben und dann umrühren», um bessere Ergebnisse zu erzielen.
Die vom Diversity Project in Auftrag gegebene Studie durchbricht das Rauschen der heutigen, stark polarisierten und politisierten «DEI»-Debatte und wirft einen klaren Blick auf die Fakten. Sie konzentriert sich auf die kognitive Vielfalt, also das Spektrum an Perspektiven, Fähigkeiten, Erfahrungen und Denkweisen innerhalb eines Teams, und darauf, wie sich diese auf die Qualität der Entscheidungsfindung auswirkt. Kognitive Vielfalt kann sich aus Unterschieden im Lebens- und Bildungshintergrund, im beruflichen Werdegang, im kognitiven Stil bzw. in der kognitiven Persönlichkeit und in der Demografie ergeben.
Alex Edmans, Finance-Professor an der London Business SchoolZwar kann kognitive Vielfalt erhebliche Vorteile bringen, doch sie ist auch schwierig zu handhaben und muss durch psychologische Sicherheit und eine Kultur der Einbeziehung unterstützt werden.
Die Studie kombiniert eine rigorose Überprüfung der akademischen Literatur mit Erkenntnissen aus erster Hand von Anlageexperten. Dabei zeigt sich eine starke Übereinstimmung zwischen beiden sowie eine hohe Überzeugung bei «praktisch allen» Praktikern, dass «kognitive Vielfalt das Potenzial hat, einen erheblichen Mehrwert im Asset Management zu schaffen». Die Untersuchung kommt im Wesentlichen zu drei Schlussfolgerungen:
- Kognitive Vielfalt kann für Investmentteams klare Wettbewerbsvorteile schaffen. Die Bandbreite der Informationen für Anlageentscheidungen kann grenzenlos sein und eine Vielzahl von Interpretationen zulassen. Kognitive Vielfalt erweitert die Perspektiven, mindert das Risiko des Gruppendenkens und hilft Investoren in einer zunehmend von KI beherrschten Welt, Faktoren zu erkennen, die vom Markt nicht eingepreist werden. Die wertvollsten Quellen der Vielfalt sind unterschiedliche Fähigkeiten und berufliche Hintergründe.
- Kognitive Vielfalt bringt auch Herausforderungen mit sich. Unterschiedliche Denkweisen können zu Missverständnissen oder Reibungen führen, wenn sie nicht richtig gehandhabt werden. In heterogenen Teams kann die Entscheidungsfindung langsamer vonstattengehen, da die Integration widersprüchlicher Standpunkte zu einer Verwässerung oder gar Lähmung führen kann. Affinität und Zusammenhalt können unter Kollegen mit unterschiedlichem Hintergrund schwächer ausgeprägt sein. Es ist auch wichtig zu verstehen, wo kognitive Vielfalt einen Mehrwert bringt: Sie ist besonders hilfreich in komplexen Situationen, bei der Ausführung mechanistischer Aufgaben jedoch weniger.
- Eine ausgefeilte Führung ist unabdingbar, um die Vorteile unterschiedlicher Denkweisen zu nutzen und Kosten zu minimieren. Die leistungsstärksten Teams haben Führungskräfte, die ein Umfeld schaffen, in dem Dissens erwünscht ist. Diese Führungskräfte wissen jedoch auch, wann sie vorankommen und welchen Ansichten sie den Vorrang geben müssen. Psychologische Sicherheit ist unerlässlich, um konträre Ansichten zu fördern. Bei erfolgreichen Investments geht es darum, ungewöhnliche Ideen zu verfolgen. Der Umgang mit Vielfalt mag schwierig sein, zahlt sich aber aus, wenn er gut gemacht ist, und führt zu einer solideren Entscheidungsfindung und besseren Resultaten für die Kunden.
Priorisierte Massnahmen
Die Studie zeigt einen Fahrplan auf, wie Diversity von einem Special-Interest-Thema zu einem Kernstück der Unternehmensstrategie werden kann. Das Diversity Project schlägt sechs Prioritäten vor, die der Investmentbranche helfen sollen, die Vorteile der kognitiven Vielfalt zu nutzen und die Kosten zu senken. Geplant ist die Zusammenarbeit mit Mitgliedsfirmen, um
- In Manager und Führungskräfte zu investieren. Viele Manager werden aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz befördert, z.B. als talentierte Portfoliomanager, und nicht aufgrund ihrer Fähigkeiten im Bereich der Mitarbeiterführung. Diese Studie zeigt jedoch, dass ein ausgeklügeltes Teammanagement unerlässlich ist, um die Vorteile der kognitiven Vielfalt zu nutzen. Führungskräfte müssen auch in der Lage sein, ihren Ansatz an die Komplexität der Aufgabe oder Herausforderung anzupassen. Sie müssen mit Moral und Courage führen, ihre eigenen Fehler eingestehen und eine Kultur schaffen, in der Teammitglieder auf allen Ebenen das Gefühl haben, dass sie ihre Ansichten – auch, wenn sie konträr sind – teilen können.
- Das hybride Arbeiten zu optimieren. Die Teamdynamik ist eindeutig ein wichtiger Faktor, wenn es darum geht, ob ein Unternehmen oder eine Führungskraft die Vorteile der kognitiven Vielfalt ausschöpfen kann. Aus den Schlussfolgerungen des Berichts ergeben sich Herausforderungen für das hybride Arbeiten, z.B. die Vorliebe für kurze, zügige Meetings. Aus der Studie geht auch hervor, dass bestimmte Aufgaben keine kognitive Vielfalt erfordern und auch gut von einer Person im Home Office erledigt werden können. Die Branche hat noch einen weiten Weg vor sich, um ihre Arbeitsmethoden zu optimieren.
- Das Recruiting zu verbessern und Beförderungen zu prüfen. Um das volle Potenzial der kognitiven Vielfalt auszuschöpfen, müssen Unternehmen ihren Suchradius nicht nur bei der Auswahl der Mitarbeitenden, sondern auch bei der Art und Weise, wie sie Mitarbeitende mit unterschiedlichem Hintergrund einstellen und fördern, ausweiten. Zwar gibt es vielversprechende Initiativen, doch die Branche tut sich nach wie vor schwer, Talente aus «unkonventionellen» Bereichen zu gewinnen. Selbst wenn dies gelingt, erreichen nur wenige die Spitze.
- Die Bemühungen um Diversity & Inclusion auf Problemlösung zu fokussieren. Wir sind uns sehr bewusst, dass manche Menschen Vielfalt als Problem und nicht als Teil der Lösung komplexer Herausforderungen sehen. Die Studie legt nahe, dass wir diese Sichtweise ändern müssen. Betrachten wir Diversity als wichtigen Motor für Innovation und bessere Entscheidungen – und nicht als ein To-do, das einfach abgehakt wird –, können wir das Gespräch auf die Geschäftsstrategie und die Ergebnisse lenken.
- Die Qualität der Entscheidungsfindung zu bewerten. Obwohl sie für den Geschäftserfolg von entscheidender Bedeutung sind, überprüfen nur wenige Unternehmen ihre Entscheidungsfindung systematisch. Die Branche hat die Möglichkeit, die Faktoren zu bewerten, die für gute bzw. schlechte Investmententscheidungen verantwortlich sind, und diese Erkenntnisse in ihre Geschäftspraktiken zu integrieren.
- Die Debatte neu auszurichten. Angesichts der polarisierenden «Anti-DEI»-Stimmung, insbesondere in den USA, bietet diese Studie eine Gelegenheit, Ansätze zur Erweiterung und Vertiefung des Engagements für die Schaffung diverser Leistungskulturen in Investmentfirmen neu zu kalibrieren. Ein kürzlich durchgeführtes globales C-Suite Webinar des Diversity Project ergab, dass Führungskräfte aus aller Welt echte Diversity und Inklusion als Schlüssel zum Aufbau der besten Teams betrachten. Diese Studie gibt neue Impulse für eine kontroverse Debatte und liefert eine differenzierte Analyse der Vorteile (und – bei unsachgemässer Umsetzung – auch der Kosten) von Diversity. Das Diversity Project wird auf den Schlussfolgerungen des Berichts aufbauen, um einen praktischen Rahmen für Unternehmen zu entwickeln, die sich die erheblichen Vorteile zunutze machen wollen: eine solidere Entscheidungsfindung, eine bessere Teamleistung und bessere Kundenresultate.
Ric van Weelden, Vorsitzender des Diversity Project Europe: «Diese Studie bestätigt unsere Beobachtungen in der gesamten Branche: Kognitive Vielfalt ist eine entscheidende Quelle für Wettbewerbsvorteile – allerdings nur, wenn sie durch integrative Führung und die passende Organisationskultur gefördert wird. Im Asset Management kann die Fähigkeit, aussergewöhnliche Ideen zu erkennen und umzusetzen, über durchschnittliche oder aussergewöhnliche Leistung entscheiden. Dafür sind nicht nur vielfältige Teams, sondern auch eine Führung auf allen Ebenen erforderlich, die psychologische Sicherheit für den Umgang mit Herausforderungen und Meinungsverschiedenheiten schafft. Die Studie konzentriert sich zwar auf das Vereinigte Königreich, ihre Erkenntnisse sind jedoch universell relevant. Ich hoffe, dass sie dazu beiträgt, die Diskussion über die Polarisierung hinauszuführen und ein gemeinsames Engagement für den Aufbau stärkerer und durchdachterer Organisationen zu initiieren – alles im Dienste besserer Ergebnisse für die Kunden.»
Ric van Weelden, Vorsitzender des Diversity Project Europeognitive Vielfalt ist eine entscheidende Quelle für Wettbewerbsvorteile – allerdings nur, wenn sie durch integrative Führung und die passende Organisationskultur gefördert wird.
Professor Alex Edmans: «Bevor ich diese Studie durchführte, war ich der Meinung, dass kognitive Vielfalt eindeutig von Vorteil sei und unterschiedliche Standpunkte mit Sicherheit zu besseren Entscheidungen führen. Doch die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Einsichten aus der Praxis haben gezeigt, dass die Sache komplexer ist. Zwar kann kognitive Vielfalt erhebliche Vorteile bringen, doch sie ist auch schwierig zu handhaben und muss durch psychologische Sicherheit und eine Kultur der Einbeziehung unterstützt werden. Gerade diese Herausforderungen unterstreichen die Bedeutung der kognitiven Vielfalt: Da es nicht einfach ist, sie richtig zu handhaben, wird jedes Unternehmen, dem dies gelingt, einen erheblichen Wettbewerbsvorteil geniessen. Ich hoffe, dass dieser Bericht Unternehmen dabei hilft – im Asset Management und darüber hinaus.»