SPACs: Zwischen Loblied und Abgesang

Der Gang an die Börse ist für viele Unternehmen nach wie vor der Königsweg, um sich Wachstumskapital zu verschaffen und zugleich noch besser für weitere Investoren sichtbar zu werden. Doch weil Aufwand und Kosten eines Börsengangs und damit einhergehende Pflichten beträchtlich sind, ist es verlockend, nach Abkürzungen zu suchen. So ist es zu erklären, dass in den letzten Monaten mehr Unternehmen als je zuvor über die Fusion mit einem börsenkotierten Akquisitionsvehikel, kurz SPAC, an die Börse gegangen sind.

Die Stärken dieser Konstrukte sind unverkennbar: Für das Unternehmen ist die SPAC-Fusion die Überholspur an den Kapitalmarkt, weil der Börsengang des Übernahmevehikels bereits zuvor erfolgt ist und dieser aufwendige Prozess damit entfällt. Zudem sind viele SPACs auf bestimmte Branchen fokussiert und werden von entsprechenden Branchenexperten geführt. Sie können, wie ein guter Private Equity-Investor, für neue Wachstumsimpulse sorgen. Für die Investoren schaffen die SPACs Zugang zu Wachstumsunternehmen, die ohne diese Vehikel dem Kapitalmarkt wohl weiterhin ferngeblieben wären. In Zeiten, in denen die Zinsen niedrig und der Anlagedruck hoch ist, sind den Investoren die neuen Anlageziele hoch willkommen und die SPACs konnten binnen weniger Monate viel Anlagekapital anziehen.

Abflauende Dynamik
Allein in den USA wurden im ersten Halbjahr 2021 beinahe 350 SPACs aufgelegt. Sie haben über 100 Milliarden US-Dollar an Investorengeldern angezogen. Im Vorjahr, das auch schon ein Boomjahr für SPACs war, standen zum Halbjahr erst 248 SPACs mit 82 Milliarden US-Dollar Volumen zu Buche. Nun jedoch flacht die Dynamik spürbar ab, weil die Investoren feststellen müssen: Eine ganze Reihe der Unternehmen, die sie sich über SPACs ins Portfolio geholt haben, sind nicht werthaltig. Zwar mögen einige von ihnen langfristiges Potenzial haben, doch den Investoren erscheinen die Zukunftsvisionen nun wohl doch zu luftig.

Nach unseren Erkenntnissen notieren derzeit zwei Drittel aller 36 Firmen, die bislang über eine SPAC-Fusion in den USA an die Börse gegangen sind, im Minus. In Einzelfällen liegen die Kursverluste für Anleger sogar bei über 60 Prozent.

Ebrahim Attarzadeh, CEO, Stifel Europe Bank AG

Und enttäuschte Erwartungen führen zwangsläufig zu heftigen Kursverlusten. Nach unseren Erkenntnissen notieren derzeit zwei Drittel aller 36 Firmen, die bislang über eine SPAC-Fusion in den USA an die Börse gegangen sind, im Minus. In Einzelfällen liegen die Kursverluste für Anleger sogar bei über 60 Prozent. Und der US-Fernsehsender CNBC berechnet einen eigenen Index für SPACs, der seit seinem Allzeithoch im Februar etwa 20 Prozent an Wert verloren hat. Solche Zahlen sorgen für Ernüchterung bei Investoren und Zurückhaltung bei möglichen Initiatoren.

Niedrige regulatorische Hürden
Vereinzelt hat es in den vergangenen Monaten sogar Fälle von Betrugsversuchen mithilfe von SPACs gegeben, was zu Recht die Aufsichtsbehörden auf den Plan gerufen und zu erhöhter Aufmerksamkeit in der Überwachung der Akquisitionsvehikel veranlasst hat. Hier zeigt sich auch eine wesentliche Schwäche der SPACs. Die Kehrseite der vergleichsweise laxen Regeln, zu denen hier Kapital aufgenommen und in Wachstumsfirmen geleitet werden kann, ist die teils geringe Transparenz und ein wenig ausgeprägter Anlegerschutz. Damit verliert der Boom der SPACs in den USA schon an Schwung, noch bevor er in Europa richtig begonnen hat. So sind in Deutschland erst drei der börsenkotierten Akquisitionsvehikel an der Börse Kotiert. In Amsterdam, das sich bislang als SPAC-Hauptstadt Europas etabliert hat, ist es immerhin eine gute Handvoll. London spielt im SPAC-Geschäft derweil kaum eine Rolle, weil die Regulierung dort für SPAC-Initiatoren eher ungünstig ist. Unternehmen aus Europa dagegen stehen durchaus weit oben auf dem Einkaufszettel vieler SPACs aus den USA. Wir haben hier bereits einzelne Transaktionen gesehen und erwarten in den nächsten Monaten verstärkte Akquisitionsaktivitäten von US-SPACs auf dem Kontinent.

Neuer Realismus
Vor diesem Hintergrund ist es sogar eine gute Nachricht, dass am Markt ein neuer Realismus einkehrt. Denn die Konstruktion einiger SPACs wirft nicht nur Fragen zur Transparenz der Vehikel und zum Anlegerschutz auf, sondern auch zu ihrem Umgang mit den aufgekauften Unternehmen. Ein zentrales Thema ist dabei die Anreizstruktur, die sich aus der Konstruktion von SPACs ergibt. Weil die SPACs darauf ausgelegt sind, binnen 24 Monaten mindestens ein Unternehmen zu kaufen, stehen sie unter massivem Anlagedruck und werden tendenziell bereit sein, erhöhte Bewertungen zu bezahlen – bei einem ohnehin schon erhöhten Bewertungsniveau an den Märkten. Für die neuen Eigentümer, vor allem aus dem Lager der Finanzinvestoren, kann das ein Anreiz sein, den Wert des gekauften Unternehmens auch mit eher kurzfristigen Mitteln aufzuhübschen. Ein weiteres Indiz für eine eher kurzfristige Denkweise in manchen Managementteams von SPACs ist, dass in einigen Fällen die Sponsoren der SPACs bereits früh wieder ausgestiegen sind, um Kasse zu machen.

Qualität der Unternehmen rückt in Vordergrund
Ein Abgesang auf die SPACs wäre allerdings ebenso unpassend wie ein Loblied. Die Krux bei der möglichst nüchternen Betrachtung der Akquisitionsvehikel ist: Während einzelne kurzfristige Fehlentwicklungen bereits sichtbar geworden sind, ist der langfristige Nutzen noch kaum abzuschätzen. Zweifelsohne ist es hilfreich, wenn auch hierzulande neue Finanzierungsformen entstehen, die Kapital in innovationsstarke Wachstumsunternehmen lenken.

Ein Abgesang auf die SPACs wäre allerdings ebenso unpassend wie ein Loblied. Die Krux bei der möglichst nüchternen Betrachtung der Akquisitionsvehikel ist: Während einzelne kurzfristige Fehlentwicklungen bereits sichtbar geworden sind, ist der langfristige Nutzen noch kaum abzuschätzen.

Ebrahim Attarzadeh

Allerdings müssen die an den Start gebrachten SPACs erst noch unter Beweis stellen, dass sie den Unternehmen bei ihrer Fortentwicklung helfen und den Anlegern dabei attraktive Renditen einbringen. Für viele institutionelle Investoren scheiden die Vehikel als Anlageziel ohnehin aus, da die Gebührenstrukturen für sie nicht attraktiv und das Transparenzniveau nicht immer ausreichend ist. Zudem hat der bislang starke IPO-Jahrgang 2021 gezeigt, dass für gesunde Wachstumsfirmen auch der klassische Weg an die Börse in vielen Fällen zum Ziel führt: neues Wachstumskapital für Unternehmen, steigende Kurse und zufriedene Aktionäre. SPACs sind also mitnichten konkurrenzlos. Im Umkehrschluss heisst das: Der Markt sorgt bereits für eine erste Konsolidierung und deutlich weniger Transaktionen, da die SPAC-Akteure sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite inzwischen selektiver vorgehen. In den USA ist bereits deutlich geworden, dass die Qualität der Unternehmen wie auch der SPAC-Strukturen künftig genauer beäugt wird. Unternehmen, die noch nicht einmal signifikante Umsätze vorweise können, werden am Markt nicht mehr akzeptiert werden. Stattdessen wird der Fokus eher auf bereits etablierten Unternehmen mit gesundem Geschäftsmodell liegen. Das wird die Zahl der SPACs zwar deutlich verringern, aber die Qualität steigern.

Gemäss Ebrahim Attarzadeh ist in den USA bereits deutlich geworden, dass die Qualität der Unternehmen wie auch der SPAC-Strukturen künftig genauer beäugt wird.