Alle Augen sind auf die Zinsen gerichtet – 2 von 3
Wie entwickelt sich die Zinslandschaft? Was sind die Treiber an den Aktien- und Anleihemärkten? Wie sieht es bei anderen Anlageklassen aus? Teil 2 unserer dreiteiligen Serie erklärt, weshalb die Aussicht auf eine restriktivere Geldpolitik der Zentralbanken die Aktienmärkte belastet.
Das Jahr 2021 war an den Aktienmärkten sehr erfreulich. Dabei konnten vor allem US-Aktien, aber auch Schweizer Aktien stark zulegen. Dementsprechend wiesen Aktien aus diesen beiden Märkten hohe Bewertungen auf. Dies führte Anfang 2022 aber dazu, dass diese beiden Regionen stärker unter Druck gerieten als andere. Die bevorstehende restriktivere Geldpolitik und höhere Zinsen führten bis kurz vor Monatsende zu einer Korrektur an den Märkten. In den letzten Handelstagen im Januar und Anfang Februar setzte aber eine Gegenbewegung ein und die beiden Märkte konnten einen Teil der Verluste wieder aufholen. In einem Umfeld, wo tiefer bewertete Aktien – sogenannte Value-Aktien – besser abschnitten, verlor die Anlageregion Europa weniger an Wert. Noch besser lief es für Schwellenländeraktien. Nach einem enttäuschenden letzten Jahr korrigierten sie deutlich weniger als andere Anlageregionen und befinden sich aktuell nur im leicht negativen Bereich.
Rolf Biland, Chief Investment Officer, VZ VermögensZentrumHöhere Zinsen können bei hoch bewerteten Unternehmen zu Rückschlägen führen. In der Vergangenheit haben jedoch Zyklen mit Leitzinsanhebungen nicht immer zu fallenden Märkten geführt. Im Gegenteil: In acht von neun Phasen mit steigenden Zinsen seit 1970 haben die Aktienmärkte eine positive Rendite erzielt.
Nicht ganz so gut verlief der Jahresauftakt für japanische Valoren und die Anlageregion Pazifik ex Japan. Dennoch weisen sie gegenüber Aktien USA und Aktien Schweiz geringere Verluste auf. Lange Zeit wurde die Inflation als vorübergehend betrachtet. Ende des vergangenen Jahres schwenkten die Zentralbanken um. und die Inflation rückte stärker in den Fokus. Spätestens seit der Fed-Sitzung im Januar besitzt die Bekämpfung der Inflation in den USA höchste Priorität. Dabei stellte der Fed-Vorsitzende Jerome Powell einen ersten Zinsschritt im März in Aussicht. Die Märkte erwarten, dass im laufenden Jahr vier bis fünf Zinsschritte durchgeführt werden. Höhere Zinsen können bei hoch bewerteten Unternehmen zu Rückschlägen führen. In der Vergangenheit haben jedoch Zyklen mit Leitzinsanhebungen nicht immer zu fallenden Märkten geführt. Im Gegenteil: In acht von neun Phasen mit steigenden Zinsen seit 1970 haben die Aktienmärkte eine positive Rendite erzielt.
In Europa ist die Teuerung im Januar nochmals überraschend gestiegen und erreichte mit 5.1 Prozent einen neuen Höchstwert. Dennoch ist die Europäische Zentralbank (EZB) weiterhin gewillt, länger als die Fed an der lockeren Geldpolitik festzuhalten. Dieses Vorgehen wird insbesondere damit begründet, dass sich die Inflation im Laufe des Jahres abschwächen wird. War die Erwartung bisher, dass die Zinsen erstmals im Jahr 2023 angehoben werden, wird nun mit einer Erhöhung Ende dieses Jahres gerechnet. Die Wirtschaft ist im letzten Jahr weiter angestiegen. Auch im Jahr 2022 dürfte das Wachstum überdurchschnittlich ausfallen, selbst wenn im ersten Quartal aufgrund der Omikron-Variante eine leichte Abschwächung erwartet wird. Erfreulich ist zudem die Situation am Arbeitsmarkt. Vielerorts ist die Arbeitslosenquote wieder auf das Niveau vor der Pandemie gefallen. Auch bei den Lieferengpässen ist eine Entspannung in Sicht. Sie wird aber nur langsam vonstattengehen. Ein erneuter Anstieg der Energiepreise führte auch zu einem deutlichen Plus bei Aktien aus dem Energiesektor. Als zweiter Sektor mit einer positiven Rendite seit Jahresstart stachen Unternehmen aus dem Finanzwesen hervor. Dies ist auf die steigenden Zinsen zurückzuführen. Aus dem gleichen Grund kamen wiederum Titel aus dem Technologiesektor oder zyklischem Konsum unter Druck. Dabei verloren vor allem Unternehmen mit einer sehr hohen Bewertung stark an Wert. Die restriktivere Rhetorik der globalen Notenbanken hat die Aktienmärkte im Januar belastet und dem MSCI World mit einem Minus von gut 5% den schwächsten Handelsauftakt seit 2016 beschert. Der Weltaktienindex hat gegen Ende des Monats in der technischen Analyse die Unterstützungszone um 3'000 Punkte getestet und konnte von dieser Basis aus, eine Gegenbewegung starten. In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob der jüngste Rücksetzer erneut eine Chance für die Schnäppchenjäger war und bald neue Höchststände erreicht werden können oder ob nochmals ein Test der Supportmarken ansteht. Wenn der Erholung im Kursbereich um 3'200 Punkte die Luft ausgehen sollte, ist mit dem zweiten Szenario zu rechnen.
Solange der Markt die Unterstützung halten kann, bleibt das konstruktive technische Bild erhalten. Bei einem Bruch muss mit einer grösseren Zwischenkorrektur und einer Fortsetzung der laufenden Rotation von Wachstums- in Substanzwerte gerechnet werden.