Gefahr einer Deflationsspirale für China
Im Juli lag der chinesische Verbraucherpreisindex bei -0,3 Prozent – die Wirtschaft hat eine Deflation erreicht. Erkennbar ist dies in den niedrigeren Rohstoffpreisen und der schwächeren Nachfrage der Wirtschaft. Im Zeitverlauf ist das ein drastischer Rückgang gegenüber der nur sechs Monate zuvor verzeichneten Inflationsrate von 2,1 Prozent.
Eine Deflation ist – nicht nur für China – aus zwei Gründen besonders problematisch. Erstens macht der Deflationsprozess es für Konsumenten und Unternehmen attraktiv, Käufe aufzuschieben und auf niedrigere Preise zu warten. Wenn eine schwache Nachfrage die Deflation antreibt, verschärfen diese Entscheidungen die Nachfrageschwäche und beschleunigen den deflationären Impuls. Zweitens besteht in Volkswirtschaften mit hoher Verschuldung die Gefahr einer Schulden-Deflationsspirale, bei der die Einkommen deflationieren, die Schulden aber nicht.
James Syme, Fund Manager, J O Hambro Capital ManagementWir bleiben in unserem Portfolio untergewichtet in chinesischen Aktien.
Dieses Schulden-Deflationsrisiko ist besonders für China relevant, wo das Kreditvolumen des Nicht-Finanzsektors im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP) in den letzten zehn Jahren um mehr als 100 Prozentpunkte auf fast 300 Prozent des BIP gestiegen ist. Zum Vergleich: In Indien liegen diese Zahlen bei -7 Prozentpunkten und 173 Prozent des BIP und in Brasilien bei 45 Prozentpunkten und 173 Prozent des BIP. Eine ernsthafte Deflation in China würde ein erhebliches wirtschaftliches Risiko für die Kreditnehmer und damit auch für die Kreditgeber darstellen.
Typische Voraussetzungen für Deflation
Eine wichtige Überlegung ist die relative Seltenheit von Deflation in den Schwellenländern (wo eine hohe Inflation eher als eine wesentliche Schwäche angesehen wird). Für die 23 wichtigsten Schwellenländer, für die Daten verfügbar sind, gab es in den letzten zwanzig Jahren nur 272 Monate mit negativen Verbraucherpreisdaten von insgesamt 5.520 Datenpunkten. Aufschlussreich ist eine Analyse, wo und wann diese aufgetreten sind. Nach der Dot-Com-Pleite 2001 befand sich Taiwan in einer Deflation, da die Exporte ins Stocken gerieten. Der Einbruch im Jahr 2009 nach der globalen Finanzkrise führte in vielen exportorientierten Volkswirtschaften, darunter Chile, China, Malaysia, Taiwan und Thailand, zu sinkenden Preisen. Griechenland, Ungarn und Polen rutschten nach der Krise in der Eurozone in den 2010er Jahren in die Deflation. Und die Verlangsamung des Covid-Prozesses in den Jahren 2020/2021 führte in vielen Ländern zu einer anhaltenden Deflation, insbesondere in Griechenland, Malaysia, Thailand, Taiwan und Katar. Kurz gesagt: Deflation tritt in der Regel in exportorientierten Volkswirtschaften auf, die mit schwierigen wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen konfrontiert sind. Das ist sowohl für die Bürger als auch für die Anleger eine schlechte Nachricht.
Historische Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Die in China veröffentlichten Daten passen in diese Reihe: Darunter die Exporte, die bis Juli um 14,5 Prozent gesunken sind, die Immobilieninvestitionen, die seit Jahresbeginn um 8,5 Prozent zurückgegangen sind, und das schwache Frachtaufkommen im Schienenverkehr (2,6 Prozent bis Juli, aber ein Minus in den vorangegangenen drei Monaten). Die Arbeitslosenquote der 16- bis 24-Jährigen stieg von 16,7 Prozent zu Beginn des Jahres auf 21,3 Prozent im Juni (woraufhin Peking anordnete, sie nicht mehr zu berechnen). Was im Vergleich zu anderen Schwellenländern ungewöhnlich bleibt, ist die politische Reaktion. Sowohl 2009 als auch 2020 verfolgten viele Schwellenländerregierungen eine aggressive Finanz- und Geldpolitik, um die Nachfrage zu stützen und einen deflationären Abschwung abzuwenden. Einige Schwellenländer haben sogar auf eine drohende Deflation stark reagiert: Als sich die koreanische Inflation im Jahr 2019 dem Nullpunkt näherte, bereitete die Regierung eine fiskalische Lockerung in Höhe von 9,1 Prozent des BIP vor, um sicherzustellen, dass die schuldenbeladene koreanische Wirtschaft nicht in eine Schulden-Deflationsspirale gerät. Stattdessen bastelt Peking weiterhin nur an den Rändern herum und senkte die Leitzinsen im August um 15 Basispunkte.
Die Wurzel der Probleme liegt in der Politik
Diese Vergleiche sind ein weiterer Beleg für das grundlegende Problem in China, das eher ein politisches als ein wirtschaftliches ist. Die Politik hat zu ernsthaften finanziellen Belastungen für private Immobilienentwickler und zu Vertrauenskrisen bei Verbrauchern und Unternehmen geführt. Die Politik hat auch zu einem langsam aufflammenden Handelskrieg mit den Vereinigten Staaten geführt, und die unzureichenden geld- und steuerpolitischen Reaktionen auf die Konjunkturabschwächung sind allesamt politische Entscheidungen. In den letzten Jahren und insbesondere seit Präsident Xi Jinping im Oktober 2022 die politische Vorherrschaft erlangt hat, war die Richtung der chinesischen Politik weder für das Wirtschaftswachstum noch für die Finanzmärkte günstig. Ohne einen grundlegenden Richtungswechsel dieser politischen Entscheidungen wird die chinesische Wirtschaft weiterhin von Abschwächung, Deflation und zunehmenden Risiken bedroht sein. Wir bleiben in unserem Portfolio untergewichtet in chinesischen Aktien.