Was tun gegen Verschwörungstheorien im Internet?

Welche Herausforderungen im Umgang mit Fehlinformationen und Verschwörungstheorien im Internet gibt es und anhand welcher Strategien kann diesen entgegengetreten werden? Forschende der Jungen Akademie Schweiz und der Universität Zürich haben im Nachgang der Covid-19-Pandemie Experten befragt und präsentieren Empfehlungen für Entscheidungsträger aus Journalismus, Politik und Wissenschaft.

Wissenschaftliche Erkenntnisse leugnen, verdrehen oder als Verschwörung bezeichnen: Fehlinformationen und Verschwörungstheorien hatten während der Covid-19-Pandemie Hochkonjunktur, aber ihr Einfluss reicht weit darüber hinaus. Unlängst wurden technologiegetriebene Fake News in einer Umfrage des Weltwirtschaftsforums WEF von Führungskräften und Risiko-Fachleuten gar auf Platz 1 gegenwärtiger globaler Risiken platziert (WEF Global Risks Report 2024).

Neue Studie leistet Bestandsaufnahme und bietet Empfehlungen
Ein vertieftes Verständnis der Dynamik von Fehlinformationen ist entscheidend für die Entwicklung und Umsetzung wirksamer Strategien zur Eindämmung ihrer Verbreitung. Forschende der Jungen Akademie Schweiz (Sabrina Heike Kessler, Anna Jobin, Fanny Georgi und Servan Grüninger) und der Universität Zürich haben daher im Rahmen einer Studie 47 Wissenschaftler sowie Praktiker aus 13 Ländern befragt und Empfehlungen zusammengetragen, wie Herausforderungen rund um Fehlinformationen und Verschwörungstheorien begegnet werden kann. «Mangelnde digitale Medien- und Informationskompetenzen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen, ein Ressourcenmangel im (Wissenschafts-) Journalismus sowie regulatorische und wissenschaftliche Lücken – dies sind die wichtigsten Herausforderungen, die wir identifiziert haben», sagt die Projektsprecherin Sabrina Heike Kessler. «Wir haben ebenfalls zusammengefasst, wie diese gemäss den Experten aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive angegangen werden können.»

Mangelnde digitale Medien- und Informationskompetenzen, ein Ressourcenmangel im (Wissenschafts-)Journalismus sowie regulatorische und wissenschaftliche Lücken – dies sind die wichtigsten Herausforderungen, die wir identifiziert haben.

Sabrina Heike Kessler, Projektsprecherin, Junge Akademie Schweiz

Die Förderung der digitalen Medien- und Informationskompetenz – zielgruppenspezifisch vermittelt – trägt den befragten Experten zufolge massgeblich zu einer Gesellschaft bei, die Fehlinformationen selbst besser erkennen und deren Verbreitung effektiver verhindern kann. Zur Steigerung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Medien wird die Förderung des professionellen (Wissenschafts-)Journalismus und der unabhängigen Faktenprüfung empfohlen. Aufgrund der unzureichenden Selbstregulierung der digitalen Plattformen schlagen die Experten zudem vor, dass von Seiten der Politik rechtliche Rahmenbedingungen für mehr Transparenz geschaffen werden und dass geprüft wird, einen zivilgesellschaftlichen Plattformrat einzurichten, der aus ausgewählten Nutzern sowie Experten besteht und zur Beratung und Kontrolle von digitalen Plattformen dienen soll.

Für mehr Wissenschaftskommunikation
Auch die Wissenschaft wird in die Pflicht genommen: Den befragten Experten zufolge sollte der Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse über geeignete Kanäle in die Gesellschaft gestärkt werden, damit komplexe wissenschaftliche Erkenntnisse in leicht verständlicher Sprache einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden können. Diese Form von Wissenschaftskommunikation kann neben den Kommunikationsabteilungen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen auch von Wissenschaftlern selbst geleistet werden. Daher bedürfe es professionellen Kommunikationstrainings für Forschende wie auch Anreize für entsprechende Aktivitäten, damit sich diese aktiv an der Wissenschaftskommunikation beteiligen. Zudem seien geschulte und sensibilisierte Institutionen, an die sich Wissenschaftler wenden können, wenn sie sich aufgrund ihres Engagements gegen Fehlinformationen und Verschwörungstheorien Anfeindungen ausgesetzt sehen, notwendig. Zahlreiche dieser Herausforderungen werden aus Sicht der Experten auch in den kommenden Jahren relevant bleiben oder sich sogar noch verstärken. Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der Studie: Um falsche, irreführende oder verschwörungstheoretische Inhalte auf digitalen Plattformen einzudämmen, bedarf es sowohl individuelle Massnahmen als auch die Zusammenarbeit diverser Entscheidungsträger sowie gesellschaftlicher Gruppen.

Die Studie «Fehlinformationen und Verschwörungstheorien im Internet entgegentreten» der Jungen Akademie Schweiz und der Universität Zürich findet sich hier.

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