Der Euro und das Vertrauen

Das Resultat der Wahlen für das EU-Parlament war vorhersehbar. Die Kurzschlussreaktion von Emanuel Macron dagegen nicht. Die Kombination dieser Ereignisse hat das in den letzten Monaten aufgebaute Vertrauen in den Euro über Nacht weggewischt. Der Wechselkurs des Euro zum Franken sank innert Kürze von 99 Rappen auf 95 Rappen, den tiefsten Stand seit Ende Februar. Auch gegenüber dem US-Dollar musste der Euro Federn lassen, wenn auch nicht im gleichen Ausmass. Als sicherer Hafen wird einmal mehr vor allem der Franken gesucht.

Sobald die Unsicherheit rund um die Eurozone zunimmt, werden die Schulden der Staaten wieder zum Thema. Der Kreditrisikoaufschlag 10-jähriger Anleihen Frankreichs gegenüber den deutschen Anleihen ist um 50% gestiegen. Das tönt dramatisch, ist in Basispunkten ausgedrückt etwas harmloser. Der Aufschlag beträgt nun 0.76%. Das ist deutlich mehr als üblich, aber im Vergleich zu den 1.40% während der Eurokrise 2012 kein Grund zu übertriebener Sorge. Die Kreditrisikoprämie italienischer Anleihen ist auch gestiegen, von 1.30% auf 1.60%. Die Gefahr für die Eurozone liegt weniger bei den kurzfristigen Marktreaktionen auf die Vorgänge in Paris als im Wandel der grundlegenden Einschätzung der Stabilität der Eurozone.

Problemzonen
Italien galt lange als der grösste Wackelkandidat. Kleinere Länder wie Griechenland können auch Probleme und heftige Diskussionen auslösen, sind aber nicht gross genug, um das Konstrukt als Ganzes zu hinterfragen. Das ist bei einem Kaliber wie Italien anders. Momentan ist es um Italien aber ruhig. Die politische Stabilität ist für italienische Verhältnisse fast schon unheimlich. Die Regierung will es mit den europäischen Institutionen nicht verscherzen, weil sie auf die Milliarden aus dem EU-Aufbautopf angewiesen ist. Das Wirtschaftswachstum ist mit 0.7% im Jahresvergleich besser als der Durchschnitt der Eurozone und die Inflation mit 0.8% vergleichsweise tief.

Für die Schweizer Exportindustrie und die Anleger bedeutet es, dass die Schwäche des Frankens in diesem Jahr nur ein Intermezzo war.

Thomas Stucki, Chief Investment Officer, St.Galler Kantonalbank

Frankreich ist zum neuen Symbol für die Probleme der Eurozone aufgestiegen. Das an sich gute BIP-Wachstum von über 1% basiert schwergewichtig auf den staatlichen Ausgaben. Entsprechend gross ist mit 5.5% des BIP das Defizit und die Schuldenquote Frankreichs steigt auf 123% des BIP. Sollten die Parteien am linken und am rechten Rand im Parlament stärker den Ton angeben, wird die Ausgabendisziplin des Staates nicht besser werden. Die Achse Deutschland-Frankreich wurde während den verschiedenen Eurokrisen der letzten Jahre immer als wichtiger Stabilitätsanker für die Eurozone bezeichnet. Dieser Anker ist wirtschaftlich und politisch am Bröckeln, was die Stabilität der Eurozone ernsthaft belasten kann.

Euro über die Zeit immer billiger
Kurzfristig bedeutet der Schwächeanfall des Euro, dass sich die Ausgangslage für den SNB-Zinsentscheid am nächsten Donnerstag ändert. Der Druck der Finanzmärkte nimmt zu, die Zinssenkung der EZB von Anfang Juni zu kontern und den Leitzins ebenfalls nach unten zu nehmen. Sollte die SNB den Zins am Donnerstag nicht senken, riskiert sie eine weitere Abwertung des Euro zum Franken. Ich bin der Meinung, dass sich die SNB davon nicht beeindrucken lassen und mit weiteren Zinssenkungen warten sollte. Für die Schweizer Exportindustrie und die Anleger bedeutet es, dass die Schwäche des Frankens in diesem Jahr nur ein Intermezzo war. Sie müssen sich damit abfinden, dass der Euro über die Zeit immer billiger wird und dem Währungsmanagement die notwendige Beachtung schenken. Eine zumindest teilweise Absicherung ihrer Euro-Forderungen ist mehr als eine Überlegung wert.

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