Die Finanzmärkte schauen nicht nach Israel

Die Ereignisse in Israel beherrschen die News-Sendungen und die Internet-Portale. An den Finanzmärkten sind sie bisher nur ein Randthema, obschon vielerorts die Gefahr einer neuen Erdölkrise heraufbeschworen wird.

Der Erdölpreis ist zwar gestiegen, hat damit aber nur einen Teil der Verluste der Vorwoche wettgemacht. Die sicheren Häfen wie das Gold, die US-Treasuries und der Franken haben profitiert. Der Blick auf ihre Charts ist für Schreckensszenarien aber wenig geeignet. Die Preisbewegungen sind nur Zuckungen, wie sie an den Finanzmärkten regelmässig vorkommen. Die Aktienmärkte haben gar positiv reagiert. Sie erfreuen sich an den wieder tieferen Zinsen.

Sein Portfolio auf die Vorgänge in Israel auszurichten, ist nicht opportun. Die Risiken einer Eskalation völlig zu negieren, wäre auf der anderen Seite auch naiv.

Thomas Stucki, Chief Investment Officer, St.Galler Kantonalbank

Politische Ereignisse wecken kurzfristige Ängste. Auf die Finanzmärkte haben sie jedoch nur einen nachhaltigen Effekt, wenn sie die Aussichten für die Weltwirtschaft stark verändern. Sowohl Israel und erst recht der Gazastreifen sind wirtschaftlich nicht die grossen Treiber, dafür ist ihre Wirtschaftsleistung zu gering. Das gleiche gilt für die Region des Nahen und Mittleren Ostens als Ganzes. Einzig über den Export von Erdöl und Flüssigerdgas hat die Region einen wirtschaftspolitischen Hebel. Dazu müsste sich der Konflikt auf den Iran, Saudi-Arabien oder Katar ausweiten. Dafür gibt es bisher keine Anzeichen.

Augen auf dem Energiemarkt
Vergleiche mit der Erdölkrise 1973 machen wenig Sinn. Obschon Erdöl- und Erdgas nach wie vor wichtige Energieträger sind, ist die Abhängigkeit der Wirtschaft von ihnen heute deutlich geringer. Zudem sind die in der Opec zusammengeschlossenen Förderländer nicht mehr die einzigen Grossproduzenten. Die USA versorgen sich selber mit Erdöl. Öl und Gas aus der Nordsee tragen auch zu einem besseren Marktgefüge bei. Dass ein allfälliger starker Anstieg der Energiepreise nicht spurlos an den Unternehmen und Haushalten vorbeigehen würde, haben die Folgen des Einmarsches der Russen in die Ukraine im letzten Jahr gezeigt. Viele Länder haben sich aber rasch angepasst und neue Lieferquellen erschlossen. Der prognostizierte Fall in die tiefe Rezession ist auch ausgeblieben. Der Preis für Erdöl und erst recht für Erdgas befindet sich deutlich unter dem Niveau des ersten Halbjahres 2022. Entsprechend gering ist die Gefahr, dass die Inflation wieder in Höhen steigt, die wir 2022 gesehen haben.

Liquide Anlagen im Fokus
Sein Portfolio auf die Vorgänge in Israel auszurichten, ist daher nicht opportun. Die Risiken einer Eskalation völlig zu negieren, wäre auf der anderen Seite auch naiv. Wichtig ist in diesem Umfeld der Unsicherheit, in dem wir uns schon seit ein paar Jahren befinden, sich seine Handlungsfreiheit zu bewahren. Dass die Titel im Portfolio auch in Phasen von Marktturbulenzen liquide gehandelt werden können, ist besonders wichtig. Als Kern des Portfolios deshalb lieber grosskapitalisierte Aktien statt den neuesten Highflyer. Die Aktien werden ergänzt durch stabilisierende Positionen wie Obligationen mit guter Bonität und etwas Gold. Als Schweizer Investor will ich zudem einen hohen Anteil an Schweizer Franken. Damit wird man auch durch die gegenwärtige Krise im Nahen Osten durchkommen.

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