Die Billionenfrage: Werden Nichtbanken-Kredite zum blinden Fleck des US-Finanzsystems?

Jüngste Ereignisse in den USA haben Befürchtungen geweckt, dass Nichtbanken-Kredite ein systemisches Risiko darstellen könnten. Zunächst kam es zu den Insolvenzen des Subprime-Autokreditgebers Tricolor und des Autoteileherstellers First Brands. Dann wurde berichtet, dass die US-Regionalbanken Western Alliance und Zions Verluste aufgrund angeblich betrügerischer Kredite im Zusammenhang mit Gewerbeimmobilien erlitten hatten. Angesichts des Anstiegs privat – also nicht über Banken – vergebener Kredite (Private Credit) in den letzten Jahren werfen diese Ereignisse Fragen auf: Handelt es sich hierbei um vereinzelte Fehler bei der Kreditvergabe oder steckt mehr dahinter, gibt es womöglich sogar systemische Risiken?

Banken wie JPMorgan, Fifth Third und Barclays waren gegenüber Tricolor exponiert. Die Auswirkungen waren aber entweder nicht wesentlich oder die Kosten scheinen überschaubar. Im Fall von First Brands erregte eine Beteiligung der Investmentbank Jefferies mediale Aufmerksamkeit. Derzeit scheinen die hieraus resultierenden Risiken für das Finanzprofil der Bank allerdings nicht wesentlich zu sein. Berichten zufolge sind darüber hinaus weitere US-Banken und auch einige Nicht-US-Banken – beispielsweise die Schweizer UBS und die japanische Norinchukin Bank – gegenüber First Brands exponiert. Doch auch hier sehen die Summen überschaubar aus. Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass die von den Insolvenzen betroffenen Finanzhäuser in der Lage sein werden, etwaige daraus resultierende Verluste aufzufangen.

Insgesamt ist davon auszugehen, dass die von den Insolvenzen betroffenen Finanzhäuser in der Lage sein werden, etwaige Verluste aufzufangen.

Simon Outin, Director of Financials Research, Allianz Global Investors

Ähnlich sieht die Lage bei den Regionalbanken Zions und Western Alliance aus. Aufgrund der notleidenden Kredite berichtete Zions für das dritte Quartal einen Kreditverlust in Höhe von 50 Millionen US-Dollar. Western Alliance hingegen verwies auf eine ausreichende Besicherung und verzeichnete keinen Kreditverlust. Nichtsdestoweniger löste die Nachricht einen Ausverkauf von Aktien regionaler Banken aus. Zions verlor am Tag nach der Bekanntgabe des Engagements rund 1 Milliarde US-Dollar an Marktkapitalisierung – etwa das 20-Fache des offengelegten Verlusts. War ein derartiger Ausverkauf regionaler Bankaktien angemessen? Hieran beteiligte Akteure befürchteten vermutlich, dass die bekannt gewordenen Fälle nur die Spitze des Eisbergs seien. Tatsächlich gehören Bankkredite an Nichtbanken-Finanzinstitute zu den am schnellsten wachsenden Segmenten des US-Bankensystems. Im ersten Quartal 2025 machten sie über 10 Prozent der Gesamtkredite aus, was einem finanzierten Risiko von mehr als 1 Billion US-Dollar entspricht. Diese Engagements erstrecken sich über eine Reihe von Finanzinstituten und Geschäftsmodellen, darunter Autokreditgeber, gewerbliche Immobilienkreditgeber und -dienstleister, Leasinggeber, Versicherungsgesellschaften sowie Private-Equity- oder Private-Debt-Fonds.

Die jüngsten Ereignisse im Bereich privater Kredite in den USA sind aus unserer Sicht eher als isolierte Ereignisse zu sehen.

Simon Outin

Die jüngsten Probleme haben somit zurecht die Frage aufgeworfen, ob diese Kredite nach wie vor als zuverlässig einzustufen und hinreichend mit Sicherheiten unterlegt sind. Es ist jedoch wichtig, das Engagement der Banken in diesem Segment grössenmässig einzuordnen. Bei den gemessen an der Bilanzsumme 20 grössten US-Geschäftsbanken machen die Kredite an Nichtbanken-Finanzinstitute im Schnitt 85 Prozent des harten Kernkapitals (CET1) aus. Dies deutet nicht auf ein systemisches Risiko hin. In Europa ist dieses Ökosystem kleiner, weniger vielfältig und weniger ausgereift als in den USA. Hier gibt es zwar keine regulatorische Definition für Nichtbanken-Finanzinstitute, anhand eines Proxys kann man aber schätzen, dass dieses Segment Mitte 2024 weniger als 5 Prozent der gesamten Unternehmenskredite ausmachte. Auch dies deutet nicht auf ein systemisches Risiko hin.

Alles in allem sind die jüngsten Ereignisse im Bereich privater Kredite in den USA daher aus unserer Sicht eher als isolierte Ereignisse zu sehen, die keinen wesentlichen Einfluss auf den Ausblick für Investment-Grade-Anleihen haben. Auf Sektor-Ebene überzeugen Finanzwerte sogar nach wie vor am meisten, da die Fundamentaldaten der Banken insgesamt solide sind. Dies spiegelt sich in einer stabilen Asset-Qualität, einer starken Kapitalausstattung und einer hohen Rentabilität wider, was sich in einer anhaltend guten Gewinnentwicklung niederschlägt. Seit der Grossen Finanzkrise 2007/08 haben sich die Tier-1-Quoten europäischer Banken von ursprünglich rund 5 Prozent aus mehr als verdreifacht. Dies deutet auf eine grössere Finanzkraft und Fähigkeit zur Absorption von Verlusten hin. In den USA ist der Trend sehr ähnlich. Die Analyse des Engagements der Banken gegenüber Nichtbanken-Finanzinstituten ändert daher nichts an der Einschätzung des Finanzsektors. Was andere Sektoren betrifft, sehen wir ebenfalls keine direkte Übertragbarkeit des First Brands-Ereignisses. Interessant erscheinen insbesondere nichtzyklische Industrieunternehmen. Bei zyklischen Konsumgütern hingegen bleibt angesichts anhaltender Wachstumsrisiken und zu erwartender höherer Zinskosten Vorsicht angezeigt. Generell sieht der Konsumgütersektor aufgrund seiner Abhängigkeit von globalen Lieferketten etwas anfällig gegenüber zollbedingten Belastungen aus.

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