Wird 2021 zum Value-Jahr?
Seit geraumer Zeit sehen wir eine grosse Bewertungslücke zwischen dem Value- und dem Growth/Quality-Aktientitel. Bereits anfangs 2020 deuteten wir deshalb an, dass die Triebkräfte dieser Entwicklung zu einem Ende kommen und die 2020er-Jahre das Jahrzehnt der «billigen Anlagen» werden könnten.
Der Optimismus, der mit den guten Nachrichten aufgrund der verfügbaren Covid-Impfstoffe im November einsetzte, hat viele Beobachter zu der Frage veranlasst, ob diese Entwicklung der lang erwartete Auslöser für eine Stilrotation – weg von Growth- und hin zu Value-Titeln – sein könnte. Mit wirksamen Impfstoffen ist das Risiko lang anhaltender Lockdowns so gut wie beseitigt, und das Ende der Pandemie scheint in Sicht. Die Aussicht auf eine Rückkehr zur Normalität bedeutet, dass der Markt wieder nach vorne blicken kann. Damit könnte auch die Wirtschaftstätigkeit einen enormen Schub erfahren, was letztlich dem Beginn eines neuen Konjunkturzyklus gleichkommen würde. Dies wiederum würde sich positiv auf Value-Aktien auswirken, da viele günstigste Aktientitel im Markt derzeit unter den zyklischen Sektoren zu finden sind. Sollten sich 2021 eine wirtschaftliche Erholung, ein inflationäres Umfeld und steigende Anleiherenditen bestätigen, könnte die Marktrotation sogar extrem stark ausfallen. Das hat sich bereits im November 2020 gezeigt, als im Nachgang an die ermutigenden Nachrichten über Covid-Impfstoffe eine von zyklischen Aktien getriebene Rallye einsetzte.
Überzogene Bewertungen
Wir sind der Meinung, dass die Bewertungen beliebter Wachstums-Titel extrem überzogen sind und sich von der zugrundeliegenden Unternehmensperformance, den sogenannten Fundamentaldaten, abgekoppelt haben. Die jüngste, von Impfstoffen getriebene Sektor-Rotation dürfte aber nicht der einzige Grund für eine Erholung des Value-Sektors sein. Die Bewertungslücke zwischen Value- und Growth-Aktien hat sich bereits seit einiger Zeit vergrössert. So beobachten wir in den letzten zwei Jahren eine zunehmende Divergenz zwischen den beiden Stilen – selbst auf Sektor-neutraler Basis.
Richard Halle, Fundmanager M&GSelbst wenn sich unsere Bedenken hinsichtlich der extremen Bewertungsstreuung am Markt als zu vorsichtig erweisen und Wachstumswerte weiterhin dominieren, glauben wir, dass Anleger die potenziellen Risiken, denen Wachstums-Titel ausgesetzt sind, unterschätzen.
Dennoch gehen wir nicht davon aus, dass es sich hierbei um einen strukturellen Wandel handelt. Selbst wenn sich unsere Bedenken hinsichtlich der extremen Bewertungsstreuung am Markt als zu vorsichtig erweisen und Wachstumswerte weiterhin dominieren, glauben wir, dass Anleger die potenziellen Risiken, denen einige dieser Wachstums-Titel ausgesetzt sind, unterschätzen. Vor dem Hintergrund der teilweise sehr hohen Bewertungen, die wir beobachten, besteht nämlich die Gefahr einer Wiederholung einer Korrektur, wie wir sie beispielsweise in den 70er Jahren mit den sehr beliebten Nifty-Fifty-Aktien oder dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000 erlebt haben. Wachstumstitel dominieren bereits länger den Markt und die Schere zwischen günstigen und teuren Aktien hat sich inzwischen so weit geöffnet, dass wir unter Risiko-/Ertragsgesichtspunkten eine Trendwende in Richtung Value für wahrscheinlich halten.
Die jüngste Value-Rallye im Kontext
Verschiedene prozyklische Anlagestile haben bei Marktrotationen in den letzten 35 Jahren eine Outperformance erzielt. Wir haben zudem beobachtet, dass einige Faktoren bereits Renditen generiert haben, die der durchschnittlichen relativen Performance in früheren Stilrotationen entsprechen oder sogar darüber liegen. Die jüngste Outperformance des Value- gegenüber dem Growth-Faktor ist jedoch geringer als im historischen Durchschnitt und liegt auch weit unter dem, was der Value-Faktor typischerweise in einem Rezessions-/Erholungs-Szenario verspricht. Wir glauben, dass dies die potenziellen Renditen im Falle eines Stilwechsels aufzeigt und sehen uns bestärkt in unserer Einschätzung, dass sich im Value-Bereich spannende Opportunitäten eröffnen. Zwar gehen wir davon aus, dass die Umstellung auf Value-Titel wahrscheinlich mit einigen Hindernissen verbunden ist, glauben aber, dass sich längerfristig zahlreiche, attraktive Chancen unter den günstigen, unbeliebten Aktien – dabei finden sich insbesondere Unternehmen mit starken Bilanzen – in verschiedenen Sektoren anbieten, was massgeblich zur Diversifizierung beiträgt. Nach mehr als einem Jahrzehnt mit Gegenwind haben viele Value-Unternehmen die Hoffnung aufgegeben, zumal sich sich der Fokus auf Wachstumstitel durch den wachsenden Einfluss passiver Investments zusätzlich akzentuiert hat. So sind laut Morningstar lediglich 14 Prozent der globalen Aktienfonds Value-orientiert. Das mag auf den ersten Blick gegen Value-Titel sprechen, sollte jedoch, wie wir erwarten, eine Trendwende einsetzen, werden Value-Investoren reich belohnt.