Anleger müssen akzeptieren, dass es kaum möglich ist, den Markt permanent zu schlagen

Der beispiellose Zugang zu riesigen Mengen an potenziell kursrelevanten Informationen und die allgemeine «Illusion von Kontrolle» über Anlageergebnisse haben zu zunehmend frenetischen Researchaktivitäten und einem immer hektischeren Handel sowie zu kürzeren Anlagehorizonten in der Investmentbranche geführt, ohne dass dies zu einer Verbesserung der Performance geführt hätte.

Wir scheinen auf das Streben nach kurzfristigen Gewinnen programmiert zu sein. Das ist bedauerlich, weil kurzfristige Anlagen an den Kapitalmärkten nicht sinnvoll sind. Die Bandbreite möglicher Ergebnisse in einem Quartal ist enorm, verringert sich jedoch erheblich, wenn sich der Zeithorizont verlängert. Anstatt es darauf anzulegen, besser informiert zu sein als jeder andere am Markt sollten wir uns für eine Reihe sinnvoller, einfacher Entscheidungshilfen entscheiden und uns an diese halten.

Ich orientiere mich deshalb vor allem an den langfristigen Bewertungen. So gehe ich aufgrund des aktuell attraktiven zyklusbereinigten Kurs-Gewinn-Verhältnisses chinesischer Aktien auch davon aus, dass diese in den nächsten fünf Jahren höhere Renditen liefern werden als US-Aktien. Fünf Jahre sind jedoch ein Zeithorizont, der die durchschnittliche Haltedauer von Aktienanlagen deutlich übersteigt. Unsere Analyse zeigt, dass diese mit dem fortschreitenden Reifungsprozess der Investmentindustrie kontinuierlich gesunken ist: von sechs bis zehn Jahren in der unmittelbaren Nachkriegszeit auf einen Tiefstand von rund sechs Monaten in den USA und zwei Monaten in Deutschland auf dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise 2008. Die Haltedauer von Aktien wird als Kehrwert des Aktienumschlags berechnet, d.h. des Werts aller gehandelten Aktien geteilt durch die Marktkapitalisierung.

Experimente haben gezeigt, dass eine bessere Informiertheit erst dann zu höheren Handelsgewinnen führt, wenn sie ein Insider-Ausmass erreicht.

Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research, Invesco

Obwohl Aktien seit der Finanzkrise im Schnitt wieder länger gehalten zu werden scheinen, kam es mit Ausbruch der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Lockdowns zu einer erneuten Verkürzung der Haltedauer. Dabei bestätigte die insgesamt schlechte Marktperformance im Jahr 2022 die historische Tendenz zu Verlusten für Aktien nach Phasen eines sehr hektischen Börsenhandels. Wie festzustellen war, ist die durchschnittliche Haltedauer von Aktienanlagen im Jahr 2022 (in Deutschland) und bisherigen Jahresverlauf 2023 (in den USA und Deutschland) erneut gestiegen.

Wir sehen mehrere Gründe für die frenetischen Handelsaktivitäten und die Besessenheit, mit der Asset Manager Daten und Nachrichten nach neuen Informationen durchforsten. Abgesehen von der Ausrede, dass wir jetzt Zugang zu viel mehr Informationen haben und Kunden Wunder versprochen werden, gibt es wichtige psychologische Faktoren für den Wunsch, als proaktiv handelnd wahrgenommen zu werden. Der erste ist die «Kontrollillusion» – der Glaube, die künftige Performance der gehaltenen Aktien beeinflussen zu können, wenn man nur genug Informationen sammelt und Unternehmensanalysen durchführt. Indem sie so viele Daten wie möglich erfassen und analysieren, «bessere» Modelle entwickeln und möglichst viele Unternehmen und Analysten treffen, nähren Investmentmanager diese «Kontrollillusion». Leider verbessert das nicht die Performance von Investmentmanagern, sondern stärkt lediglich deren Selbstvertrauen. So haben Experimente gezeigt, dass eine bessere Informiertheit erst dann zu höheren Handelsgewinnen führt, wenn sie ein «Insider»-Ausmass erreicht. Hinzu komme, dass sich Investmentmanager und Investoren an kurzfristigen Gewinnen berauschen – und je näher diese Gewinne rücken, desto mehr überwiegt das emotionale gegenüber dem rationalen Ich. Viele Menschen werden, wenn man ihnen die Wahl gibt, heute 10 oder morgen 11 Franken zu erhalten, lieber gleich die 10 Franken nehmen. Biete man ihnen hingegen an, ihnen in einem Jahr 10 Franken oder in einem Jahr und einem Tag 11 Franken zu zahlen, werden sich viele für die etwas spätere, höhere Zahlung entscheiden.

Anleger müssen akzeptieren, dass es kaum möglich ist, den Markt permanent zu schlagen, und ihre Erwartungshaltung entsprechend anpassen.

Paul Jackson

Anleger müssen akzeptieren, dass es kaum möglich ist, den Markt permanent zu schlagen, und ihre Erwartungshaltung entsprechend anpassen. Das ist ein wichtiger erster Schritt hin zu einer weniger volatilen Investmenterfahrung und einer potenziell besseren Investment-Performance. Im zweiten Schritt sollten Anleger ihren Anlagehorizont auf mehrere Jahre anstatt Quartale verlängern. Obwohl sich Positionen an die Kursentwicklung anpassen lassen, fahre ich mit meinen gut überlegten, am Jahresanfang formulierten Einschätzungen in der Regel besser als mit späteren Anpassungen in Reaktion auf bestimmte Ereignisse. Und auch wenn das bei den Kunden zunächst weniger gut ankommen mag, sollte die Performance weniger häufig kommentiert werden. Regelmässige Berichte sind nichts als Rauschen, um das Rauschen zu erklären.

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