Schweizer Vorsorgesystem im globalen Vergleich nur noch auf Platz 11

Das Vorsorgesystem Islands wurde im neuen Mercer CFA Institute Global Pension Index (MCGPI) als bestes weltweit eingestuft. Nach mehr als zehn Jahren Wettbewerb um die Top-Platzierung landen die Niederlande und Dänemark in diesem Jahr auf Rang zwei und drei. Die Schweiz schneidet mit dem elften Platz vergleichsweise mässig ab, befindet sich bei insgesamt 43 untersuchten Systemen aber noch im oberen Drittel.

Das Schweizer Vorsorgesystem wurde in allen drei Unterkategorien überdurchschnittlich bewertet, allerdings zeigen sich besonders bei der Angemessenheit und der Nachhaltigkeit Verbesserungsbedarf. Die Integrität dagegen wird gut bewertet.

Der MCGPI ist eine umfassende Studie zu Vorsorgesystemen rund um den Globus und deckt in seinem mittlerweile 13. Jahr gut zwei Drittel (65 Prozent) der Weltbevölkerung ab. Der Index dient als Systemvergleich und stellt für jedes untersuchte Land Verbesserungsbedarfe und -möglichkeiten heraus, mit denen nachhaltig höhere Vorsorgeleistungen möglich wären. Die drei Top-Systeme – alle mit Note «A» ausgezeichnet – sind nachaltig, gut gemanaged und bieten starke Leistungen für Rentner. In diesem Jahr legt der MCGPI zudem einen besonderen Fokus auf das Gender Pension Gap, welches in jedem untersuchten System eine Herausforderung darstellt.

Island hat mit 84.2 Punkten den höchsten Gesamtwert, gefolgt von den Niederlanden (83.5). Thailand erreicht nur 40.6 Punkte und rangiert damit auf dem letzten Platz. Im Vergleich hierzu erreicht die Schweiz 70 Punkte und liegt damit über dem Gesamtdurchschnitt von 61 Punkten. Der Index nutzt einen gewichteten Durchschnitt der Unterkategorien Angemessenheit, Nachhaltigkeit und Integrität für die Gesamtbewertung. In den Unterkategorien waren die bestbewerteten Systeme Island (82.7 in der Kategorie Angemessenheit und 84.6 in der Kategorie Nachhaltigkeit) und Finnland (93.1 in der Kategorie Integrität). Die Systeme mit den wenigsten Punkten sind Indien (33.5 in der Kategorie Angemessenheit), Italien (21.3 in der Kategorie Nachhaltigkeit) sowie die Philippinen (35 in der Kategorie Integrität). Die Schweiz wird in allen Bereichen überdurchschnittlich bewertet: 65.4 für die Angemessenheit (Durchschnitt: 62.2), 67.2 für die Nachhaltigkeit (Durchschnitt: 51.7) und 81.3 für die Integrität (Durchschnitt: 72.1). Allerdings kann man nur im Bereich Integrität von einer wirklich guten Bewertung sprechen. Der Bereich Angemessenheit hat sich im Vergleich zum Vorjahr leicht verbessert aufgrund etwas höherer Nettoersatzquoten.

«Die weltweite Pandemie hat sozioökonomische Ungleichheiten in vielen Regionen der Welt verstärkt. Gleichzeitig operieren wir in einer herausfordernden Marktsituation mit historisch tiefen Zinsen und teilweise negativen Renditen, die einen zentralen Pfeiler der Vorsorge – die Investition der Beiträge und daraus generierte Erträge – extrem schwierig machen», kommentiert Ivan Guidotti, Head of Investments bei XO Investments und Committee Chair bei der CFA Society Switzerland. «Frauen haben zudem mit der Gender Pension Gap zu kämpfen, die weltweit zu teilweise viel tieferen Leistungen für die Hälfte der Bevölkerung führt. Die Politik und Akteure in der Vorsorge sind gefragt, zusammen und entschieden zu handeln, um diese Herausforderungen zu lösen und zukünftigen Rentnern ein besseres, sichereres Auskommen zu ermöglichen. Und sie müssen geeignete Rahmen und Möglichkeiten für Individuen schaffen, sich zu informieren und für ihre eigene Vorsorge zu engagieren.»

Das Gender Gap existiert weltweit
In allen Regionen der Welt zeigen sich signifikante Geschlechterunterschiede bei den Vorsorgeleistungen. In der Schweiz beträgt diese Lücke laut OECD über 30 Prozent zu Ungunsten der Frauen und liegt damit noch über dem OECD-Durchschnitt von 26 Prozent. Es gibt keinen einzelnen Grund für das Gap, sondern vielmehr eine Reihe von Faktoren, die Einfluss nehmen. Teilweise sind diese wohlbekannt, wie z. B. die Erwerbsbiografie: Es gibt mehr weibliche Teilzeitarbeitende, Frauen übernehmen häufiger Verantwortung für Kindererziehung und Pflege von Verwandten, das durchschnittliche Salär von Frauen ist tiefer. Aber die Studie zeigt auch auf, dass die Problematik durch die Vorsorgesysteme an sich oft noch verstärkt wird. Dazu gehören der nicht obligatorische Erwerb von Rentenansprüchen während der Elternzeit, das Fehlen von Rentengutschriften während der Betreuung von Kindern oder der Pflege von Angehörigen in den meisten Systemen und die fehlende Indexierung der Renten während des Ruhestands, die sich aufgrund der höheren Lebenserwartung stärker auf Frauen auswirkt. «Wir wissen, dass die Lösung der Gender-Gap-Problematik schwierig ist, da die Rentenleistungen relativ direkt mit der Erwerbsbiografie und den geleisteten Beiträgen zusammenhängen», so Tobias Wolf, Head Advisory bei Mercer Schweiz. «Es gibt aber einige Möglichkeiten sowohl auf Seiten der Politik als auch der Pensionskassen, wie die Lage zumindest etwas entspannt werden könnte. Dazu zählen die Beseitigung von Beitrittsbeschränkungen zu Pensionskassen aufgrund niedriger Einkommen oder kurzer Erwerbsphasen sowie die Reduktion des Koordinationsabzugs bei Teilzeitarbeitenden.»

Pensionskassen verpassen Chance auf bessere Anlageergebnisse
Auch im Anlagebereich sieht Wolf Chancen: «Mehr als ein Drittel der Vorsorgeleistungen in der zweiten Säule werden über die Anlagerenditen finanziert. Hier gibt es gerade in der Schweiz noch viel Potenzial für Pensionskassen, ihre Investments zu optimieren und damit höhere Renditen zu erwirtschaften. Diese können über die Verzinsung der Altersguthaben direkt weitergegeben werden und kommen damit nicht nur Frauen durch höhere Leistungen zugute, sondern allen Versicherten. Schon ein Prozent jährlich höhere Verzinsung auf ein durchschnittliches Einkommen über das gesamte Erwerbsleben kann zu 20 Prozent höheren Leistungen in der Rentenphase führen.» Wichtig sind aus Sicht des Experten insbesondere eine strategische Anlageallokation, die geeignete Anlageklassen aus einem weltweiten Universum berücksichtigt, gerade auch in lukrativen Privatmärkten, und dabei auf die geeigneten Manager setzt. Zudem muss die Umsetzung und Governance der Anlagestrategie professionell sein. «Gerade kleinere und mittlere Kassen haben oft nicht die notwendigen Ressourcen, um den Anlageprozess konsistent auf höchstem Niveau umzusetzen. Dabei geht es nicht nur um die Anlageallokation und Auswahl der Manager», erläutert Wolf. «Häufig stellen die fortlaufende Überwachung des Portfolios und der ausgewählten Manager sowie die Beobachtung der Märkte und Nutzung sich ergebender Anlageopportunitäten deutliche Herausforderungen dar. Ausserdem verfügen selbst grössere Kassen oft nicht über die Transparenz und den Zugang zu führenden Managern. Dazu kommt eine mangelnde Verhandlungsmacht hinsichtlich der Gebühren. Deshalb sehen wir eine grosse Nachfrage nach Delegation von Investmentprozessen an einen unabhängigen Partner, der die Kassen bei einer professionellen und effizienten Anlageumsetzung unterstützen kann.»

Der Mercer CFA Institute Global Pension Index findet sich hier.

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