Michael Sieg: «Die Gesundung unseres Klimas entscheidet sich in Asien und sicher nicht in Europa.»

Nachhaltige Investments stehen hoch in der Gunst der Anleger. Zwar fehlt es nach wie vor an einheitlichen Standards und Begrifflichkeiten. Es mangelt an einem übergreifenden Qualitätslabel und immer wieder ist von «Greenwashing» die Rede. Dennoch scheint der Weg hin zu einer nachhaltigen Finanzwirtschaft realistischer denn je. Hintergrund sind die anhaltende Klimadebatte und ein drohender Umweltkollaps, der zu einem breiten Umdenken auch innerhalb der Finanzindustrie geführt hat. Wir fragen nach bei T.U. Michael Sieg, CEO der ThomasLloyd Global Asset Management AG.

Michael Sieg, weshalb finden sich in nachhaltigen Anlagenfonds zuweilen immer noch Titel von BMW, Shell oder von Nestlé, Unternehmen also, die sich in der Vergangenheit in Sachen Klimaschutz nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben?

Michael Sieg: Die Hauptbeteiligungen vieler ESG-Fonds weisen in der Tat eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit den Top-Aktien nach Marktkapitalisierung im S&P 500 Index auf. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage ergab, dass 62 Prozent aller ESG-Fonds Microsoft-Aktien, 53 Prozent Alphabet-Aktien und 52 Prozent Apple-Aktien halten. Wenn man dann noch die Bestände an Öl- und Gasexplorationsunternehmen oder traditionellen Automobilherstellern hinzufügt, wird der Nachhaltigkeitsgedanke augenscheinlich ad absurdum geführt. Oft wird angeführt, dass diese Unternehmen Teil der «Energiewende» sind und dass ein Veränderungsprozess nur durch den Druck der Aktionäre herbeigeführt werden kann. Wir sind da offen gestanden sehr skeptisch…

Impact Investing sollte nicht mit Philanthropie verwechselt werden. Unsere Investoren streben nach marktgerechten Renditen für ihr Kapital.

T.U. Michael Sieg, CEO ThomasLloyd Global Asset Management AG

Sie selber setzen mit Ihrem Unternehmen auf den Impact Investment-Approach, investieren also da, wo die Wirkung am grössten sein soll. Wo genau ist das?

Wir müssen die Klimakrise an der Quelle angehen bzw. dort, wo wir die grösste Wirkung erzielen – und das ist in Asien. Der Kontinent umfasst etwa 30 Prozent der Landfläche der Erde, aber mehr als 60 Prozent der Weltbevölkerung, die immer noch sehr schnell wächst. Der demografische Wandel und die zunehmende Urbanisierung in Asien sind Merkmale der nächsten 30 Jahre, derer wir uns sicher sein können. Wenn es uns gelingt, denn enormen Energiebedarf in dieser Weltregion über umweltfreundliche oder zumindest über umweltschonende Technologien zu decken, ist schon viel erreicht.

Und woran bemisst sich der «Impact», die Wirkung Ihrer Investitionen vor Ort genau? Wie erheben Sie die entsprechenden Daten und wie verlässlich sind diese?

Wir erfassen die sozioökonomischen Auswirkungen unserer Investitionen sehr genau und erstellen regelmässig umfassende Rechenschaftsberichte. Als Entwickler von Infrastrukturprojekten sind wir als grosser Arbeitgeber in der Bau- und Betriebsphase unserer Anlagen für erneuerbare Energien vor Ort und können die notwendigen statistischen Daten, die aus verschiedenen unabhängigen Quellen stammen, genau verifizieren und qualifizieren. Unsere Impact Reports erzählen eine eindrucksvolle Geschichte von wirtschaftlicher Partnerschaft und sozialem Fortschritt.

Nun ist es doch aber so, dass gerade Investitionen in Schwellenländern aufgrund politscher Unsicherheiten oder infolge der Korruptionsthematik für europäische Anleger ein schwieriges Unterfangen sind. Wie stellen Sie sicher, dass die Gelder Ihrer Kunden dort ankommen, wo sie auch wirklich gebraucht werden?

Wir setzen auf einen robusten Top-Down- und Bottom-Up-Screening-Prozess vor der Investition, der sowohl auf Länder als auch auf Unternehmen angewendet wird. Zudem sind wir aktive Eigentümer und nehmen unsere Verpflichtungen sehr ernst. Wir halten uns jederzeit und in allen Ländern an alle Gesetze und Vorschriften und befolgen die branchenüblichen ESG-Richtlinien und Best Practices. Wir handeln bei all unseren Tätigkeiten mit Integrität, vermeiden alle Formen der Diskriminierung und verankern Gleichberechtigung und Vielfalt in unserer Beschäftigungspolitik. Wir respektieren die Menschenrechte und vermeiden die Ausbeutung von Kinderarbeit, stellen sicher, dass es keine Bestechung oder Korruption gibt und managen aktiv Investitionsprojekte, um ESG- und Impact-Ergebnisse in den Gemeinden und Ländern zu erzielen, in denen wir tätig sind.

Stichwort Rendite: Sind Ihre Investoren unverbesserliche Altruisten, die ihr Kapital in den Dienst des Umweltschutzes stellen oder knallharte Investoren, die sich im Schatten der Klimadebatte bereichern?

Impact Investing sollte nicht mit Philanthropie verwechselt werden. Unsere Investoren streben nach marktgerechten Renditen für ihr Kapital. Sie verstehen sich nicht als wohltätige Spender, obgleich sie sowohl mit dem Herzen als auch mit dem Kopf investieren.


Letzte Frage: wie realistisch ist aus Ihrer Sicht das im Pariser Abkommen vereinbarten Ziel, die durchschnittliche globale Erwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen, wobei ein maximaler Temperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius angestrebt wird?

Die bereits eingeleitete Energiewende ist ein tiefgreifender Strukturwandel, der von der Erkenntnis getrieben wird, dass die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen mit dem Pariser Abkommen der Vereinten Nationen von 2015 zur Minderung, Anpassung und Reduktion von Treibhausgasemissionen völlig unvereinbar ist. Wir unterstützen voll und ganz die Aussagen und Ziele des Pariser Abkommens. Unser Planet kennt keine nationalen Grenzen: Jeder kann und sollte einen Beitrag leisten. Es liegt jedoch auf der Hand, dass die grössten Fortschritte dort erzielt werden können, wo der Treibhausgasausstoss am höchsten ist. Das verfügbare Datenmaterial zeigt deutlich: Die Gesundung unseres Klimas entscheidet sich in Asien und sicher nicht in Europa.