Pensionskassen legen zunehmend nachhaltig an, doch beim Klima besteht grosser Nachholbedarf

Schweizer Pensionskassen verwalten für ihre Versicherten in der zweiten Säule ein Vermögen von über 1’000 Milliarden Franken. In ihrer 21. Ausgabe hat die Swisscanto Pensionskassenstudie die Umfrage deshalb erstmals um einen ausführlichen Fragekatalog zu Umweltstandards, sozialen Kriterien und solchen für korrekte Unternehmensführung (ESG) ergänzt. Die Ergebnisse zeigen, dass der weltweite Trend zu nachhaltigem Anlegen die Pensionskassen definitiv erfasst hat, dass aber ausgerechnet beim Megathema Klima noch erheblicher Nachholbedarf besteht.

Gemäss Umfrage haben 25% der 514 befragten Pensionskassen bereits ESG-Kriterien in ihrem Anlagereglement eingeführt, während es 2015 nur 8% waren. Weitere 9% der Kassen werden dies im Verlauf der nächsten drei Jahren einführen. Und schliesslich wird bei einem Viertel ein solcher Passus diskutiert, ohne dass schon über eine Einführung entschieden wurde. Grosse Pensionskassen mit mehr als CHF 500 Mio. verwalteten Vermögen haben einen Vorsprung: Bereits 44% haben ESG-Kriterien eingeführt, während es bei kleinen Kassen lediglich 14% sind. Dass die Mehrheit der Kleinen beim Nachhaltigkeitstrend Aufholbedarf hat, zeigt sich auch beim Anwenden von Ausschlusskriterien bezüglich Branchen, Unternehmen oder Ländern: Während 64% der Grossen solche eingeführt haben, sind es erst 29% der Kleinen.

Klimarisiken sind Anlagerisiken, da Firmen mit CO2-intensiven Geschäftsmodellen Wertverluste drohen.

Iwan Deplazes, Leiter Asset Management, Swisscanto Invest

Ausgerechnet bei Klimamassnahmen und CO2-Reduktionszielen haben aber alle Vorsorgewerke Nachholbedarf: So setzen im Schnitt nur 17% auf die Messung von CO2 in ihrem Portfolio (Grosse: 32%; Kleine: 7%). Weitere 6% überlegen sich eine Messung einzuführen. Schlecht sieht es bei konkreten Reduktionszielen aus: Lediglich 4% der Kassen haben bereits ein solches Ziel eingeführt (Grosse: 8%; Kleine: 1%) und nur 11% denken darüber nach (Grosse: 17%; Kleine: 6%).

Die Studie zeigt, dass nachhaltiges Anlegen als dritte Dimension neben Rendite und Risiko immer wichtiger wird. Neue Regulationen auf nationaler und internationaler Ebene, die für zusätzliche Transparenz und Vergleichbarkeit sorgen, verleihen einen weiteren Schub. «Klimarisiken sind Anlagerisiken, da Firmen mit CO2-intensiven Geschäftsmodellen Wertverluste drohen», sagt Iwan Deplazes, Leiter Asset Management Swisscanto Invest der Zürcher Kantonalbank. In der Transformation zu einer klimafreundlichen Wirtschaft werde sich niemand mehr solche Anlagen leisten können. «Der Einbezug von ESG-Kriterien in den Anlageprozess reduziert die Risiken. Und durch die Höhe der verwalteten Vermögen wird auch ein grosser Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel geleistet», sagt Deplazes. «Alle Vermögensbewirtschafter und Pensionskassen tragen hier eine besondere Verantwortung für junge Versicherte, die in der zweiten Säule durch die Umverteilung von Aktiven zu Rentnern bereits benachteiligt sind. Denn konsequentes klimaschonendes Anlegen hilft, die indirekte Umverteilung von Jung zu Alt auf dem Buckel des Planeten zu beenden.»

Wertschwankungsreserven dank guter Performance erhöht
Insgesamt gesehen sind Schweizer Pensionskassen so gesund wie lange nicht mehr. Dank den guten Renditen können sie ihre finanzielle Stabilität verbessern und die Reserven erhöhen. So ist der Deckungsgrad der Kassen auf den höchsten Stand der letzten zehn Jahre gestiegen. Dank der guten Performance stehen den Kassen mehr Mittel zur Verfügung, die viele dazu nutzen, um ihre Wertschwankungsreserven zum Teil substanziell zu erhöhen. So haben bereits 69% aller Kassen ihre Ziel-Wertschwankungsreserven zu mindestens drei Viertel geäufnet (gegenüber 63% im Vorjahr). Gleichzeitig hat sich auch der Abwärtstrend bei den Diskontsätzen für Vorsorgekapitalien und technische Rückstellungen fortgesetzt – wenn auch verlangsamt.

Ein heftiger Zinsschock würde kurzfristig zu Wertvernichtung bei den Anlagen führen: Steigt der Zins im In- und Ausland um 1%, würde der kurzfristige negative Effekt auf das Gesamtportfolio der Pensionskassen gemäss unseren Berechnungen 4,8% betragen.

Iwan Deplazes

Waren bis vor wenigen Jahren Diskontsätze unter 2% noch unvorstellbar, sind sie mittlerweile Realität geworden: 72% der Schweizer Pensionskassen kalkulieren mit einem technischen Zinssatz von unter 2% – 2019 waren es erst 57%. Im Schnitt lag dieser Satz bei den privatrechtlichen Kassen bei 1,59% und bei den öffentlich-rechtlichen bei 1,86%. Dies ist angesichts steigender Lebenserwartungen und des anhaltenden Tiefzinsumfeldes folgerichtig: Denn die Sicherung der Renten bleibt die grösste Herausforderung der Pensionskassen. Wie die Studie zeigt, gehen die Vorsorgeeinrichtungen ihre Hausaufgaben an.

Umwandlungssätze sinken noch mehr
Die schlechte Nachricht für die Versicherten ist, dass sie mit tieferen Umwandlungssätzen rechnen müssen. Diese sind auch 2021 weiter gesunken. So beträgt der durchschnittliche Umwandlungssatz bei Frauen beim Rentenantritt mit 64 Jahren 5,46% und bei Männern mit 65 Jahren 5,52%. Die Umwandlungssätze liegen schon heute grösstenteils unter 6% und damit unter der Zielgrösse, die der Bundesrat für die aktuelle BVG-Revision als Mindestumwandlungssatz vorsieht. Das zeigt, wie überfällig die Anpassungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen sind. Die aktuell diskutierte Senkung dürfte kaum die letzte sein. Denn mit Blick in die Zukunft rechnen die meisten Vorsorgewerke aufgrund der steigenden Lebenserwartung, den tiefen Zinsen und dem begrenzten versicherungstechnischen Spielraum mit weiteren Senkungen beim Umwandlungssatz. Für das Jahr 2025 rechnen sie noch mit einem durchschnittlichen Umwandlungssatz von rund 5,3%.

Starker Zinsanstieg würde kurzfristig hohe Verluste auslösen
Neben Klimarisiken und möglichen Korrekturen am Aktien- oder Immobilienmarkt sollten die Stiftungsräte auch das Szenario eines abrupten Zinsanstiegs im Hinterkopf behalten. 2020 haben sich die Zinsen leicht erholt, verbleiben aber weiterhin negativ. Mit der anziehenden Konjunktur nach der Krise wird vermehrt über steigende Zinsen spekuliert. «Ein heftiger Zinsschock würde kurzfristig zu Wertvernichtung bei den Anlagen führen: Steigt der Zins im In- und Ausland um 1%, würde der kurzfristige negative Effekt auf das Gesamtportfolio der Pensionskassen gemäss unseren Berechnungen 4,8% betragen», sagt Iwan Deplazes. «Ein solcher Verlust schlägt selbst eine Simulation auf der Grundlage des Szenarios der Finanzkrise von 2008 deutlich. Mittelfristig würden die höheren Zinsen allerdings den Versicherten wieder zugutekommen.»

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