Der westliche Führungsstil funktioniert in China nicht
Viele westliche Manager stehen sich bei Führungsaufgaben in China selbst im Weg und merken es häufig nicht einmal.
Der in Europa oder den USA übliche Führungsstil stösst bei Chinesen auf Unverständnis und ruft oftmals Angst und Widerstand hervor. Das beginnt schon, wenn ein eingeflogener Manager meint, er müsse gleich am Anfang zeigen, wer das Sagen hat und wo es lang geht. Manchmal genügt ein einziges Meeting, um eine innere Rebellion in einer ganzen Firma auszulösen.
Karlheinz Zuerl, CEO German Technology & Engineering Corporation (GTEC)Westliche Manager meinen, wenn sie ein Tagesseminar über Business in China absolviert haben, dann wissen sie, wie der Hase läuft. Doch das ist ein gewaltiger Irrtum, der den Westen schon viele Milliarden gekostet hat.
Besonders schlechte Erfahrungen habe ich selber als Interim Manager mit «fly-in-fly-out-Managern» gemacht. Darunter sind westliche Führungskräfte zu verstehen, die über Jahre hinweg regelmässig für ein bis zwei Wochen nach China reisen, um die Belegschaft vor Ort auf den Firmenkurs einzunorden. Besagte Manager reisen jedes Mal in der festen Überzeugung ab, alles klargemacht zu haben, und merken nicht einmal, dass sie in der Regel von den Mitarbeitern nach Strich und Faden mit vermeintlich freundlicher Zustimmung zu allem und jedem schlichtweg hinters Licht geführt werden.
«Ja» in China heisst nicht «ja»
Wenn ein Chinese «ja» sagt, bedeutet das in der Regel nur, dass er eine Anweisung verstanden hat, nicht, dass er sie auszuführen gedenkt. Wenn ein westlicher Manager als Antwort auf Vorgaben bezüglich Termine, Qualität und Kosten ein «ja» hört und meint, dass damit eine Zielvereinbarung akzeptiert ist, dann irrt er gewaltig. Ein weiteres Beispiel für kulturelle Unterschiede im Betriebsalltag, die häufig von westlichen Führungskräften übersehen werden: Chinesen sind vor allem auf Kosten und Geschwindigkeit getrimmt. Jede Aufgabe soll so kostengünstig und so schnell wie möglich erfüllt werden. Das ist zwar pragmatisch, geht jedoch oftmals mit dem im Westen ausgeprägten Verständnis für klar definierte Betriebsabläufe und hohen Qualitätsanforderungen nicht konform. Warum sich an vermeintlich überflüssige Abläufe halten oder eine zusätzliche Schleife zur Qualitätssicherung durchlaufen, wenn man ohne diese Prozesse mit weniger Kosten schneller ans Ziel gelangt? Häufig unterschätzt wird auch die Flexibilität der chinesischen Arbeitnehmerschaft. Wenn im Betrieb viel zu tun ist, ruft man einfach zu Hause an und sagt, dass man später heimkommt. Das wird von allen Seiten akzeptiert. Allerdings werden Überstunden staatlich festgelegt gut bezahlt: an Werktagen fallen 50 Prozent Zuzahlung an, am Wochenende 100 Prozent und an Feiertagen 300 Prozent. Das führt mitunter dazu, dass ganze Belegschaften in der regulären Arbeitszeit bummeln, um an den dadurch notwendigen Überstunden kräftig zu verdienen. Westliche Manager, die diese Zusammenhänge nicht kennen, werden sich immer über viel zu hohe Lohnkosten beklagen und gar nicht begreifen, warum die kalkulierten viel niedrigeren Lohnkosten ständig weit überschritten werden.
Teamgeist für die Firma gibt es kaum
Hinzu kommt ein in China weitgehendes Unverständnis für den im Westen vielbeschworenen Teamgeist im Unternehmen. Chinesen denken in erster Linie an sich und in zweiter Linie an ihre Familie. Dem Unternehmen wird in der Regel abgesehen von der Entlohnung keine sehr hohe Bedeutung beigemessen, egal, wie viele betriebliche Teambuilding-Massnahmen die Firma durchführt. Diese Prioritätensetzung führt nach meiner Erfahrung auch dazu, dass chinesische Niederlassungen westlicher Unternehmen rasch in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, wenn sie nicht fortlaufend vor Ort kontrolliert werden. Westliche Manager meinen, wenn sie ein Tagesseminar über Business in China absolviert haben, dann wissen sie, wie der Hase läuft. Doch das ist ein gewaltiger Irrtum, der den Westen schon viele Milliarden gekostet hat. Business in China funktioniert nur mit erfahrenen Managern vor Ort, die permanent in China leben und in beiden Welten zuhause sind.