2021 war ein hervorragendes Jahr für Aktien und Obligationen

2021 war für Aktien und Obligationen alles andere als ein durchschnittliches Jahr. Nach der mageren Rendite von 3,8% im Pandemiejahr 2020 erholten sich Schweizer Aktien im vergangenen Jahr kräftig und legten in Franken um 23,4% zu. Dies war die neunzehntbeste Jahres­rendite für Aktien seit 1926. In neuerer Zeit waren nur die Jahre 2013 und 2019 besser, wobei Letzteres ebenfalls ein Jahr der Erholung war, nachdem die Zinsanhebungen der Fed im 4. Quartal 2018 einen massiven weltweiten Aktienausverkauf ausgelöst hatten.

Historisch bemerkenswerter waren die Gesamtrenditen von Schweizer Obligationen, denn es waren die drittschlechtesten seit 1926. Der Wiederanstieg der globalen Inflation aufgrund von Angebotsengpässen im Gefolge der Pandemie sorgte für Aufwärtsdruck auf die Zinsen, was Anlegern mit Schweizer Obligationen 2021 einen Kapitalverlust bescherte. Berücksichtigt man den Anstieg der jährlichen Inflationsrate in der Schweiz auf 1,53% im Jahr 2021, den höchsten Stand seit 2007, fällt die reale Rendite auf Obligationen sogar noch schlechter aus.

Wie wird man Millionär
Unsere Zahlen zu Jahresrenditen reichen bis ins Jahr 1926 zurück – fast ein ganzes Jahrhundert. Die «Zauberei» des Zinseszinseffekts lässt sich gut an der Gesamtrendite zeigen, die ein Investor mit einer reinen «Buy and Hold»-­Strategie und einen Betrag von 1'000 Franken Ende 1925 in einen Aktienindex investiert hätte. Unserer Analyse zufolge wären daraus nach 96 Jahren 1,57 Millionen Franken geworden. Natürlich ist diese Zahl zu schön, um wahr zu sein: Die mit Aktienanlagen verbundenen Kosten (Courtagen, Stempelabgaben, Kosten für Portfolioumschichtungen usw.) dürfen ja nicht unberücksichtigt bleiben. Unter der Annahme, dass diese Kosten 1926 vermutlich höher waren als 2021, wurde beschlossen, von den seitdem erzielten Aktienrenditen jährlich 50 Bp abzuziehen. Dies ergibt einen Betrag von 999'925 Franken, also fast 1 Million Franken nach Kosten für eine Anfangsinvestition von 1'000 Franken. Diese einfache Rechnung zeigt: Geduld bringt Rosen, denn durch den Zinseszinseffekt kann der Zeithorizont eines Anlegers einen enormen Unterschied machen.

Wer über einen Zeitraum von 13 Jahren in Schweizer Aktien investiert hat, hätte seit 1926 keinen Verlust auf seine ursprüngliche Anlage erlitten.

Jacques Henry, Pictet Wealth Management

Anders ist die Lage dagegen bei Obli­gationen. Einerseits wirken die Risiko­indikatoren weniger abschreckend: Schweizer Obligationen weisen eine Volatilität (Standardabweichung der Jahresrenditen) von 3,6% auf, verglichen mit 20% bei Schweizer Aktien, während der maximale Drawdown (potenzieller Maximalverlust bei Kauf zu Höchst­ und Verkauf zu Tiefstkursen) bei Schweizer Obligationen 4% und bei Schweizer Aktien 34% beträgt. Ausserdem gab es bei Schweizer Obligationen seit 1926 bei einer Anlagedauer ab fünf Jahren keine Verluste. Andererseits waren die durch­schnittlichen jährlichen Gesamtrenditen bei Obligationen erheblich geringer – langfristig etwa halb so hoch wie bei Aktien (seit 1926 bei Schweizer Obligatio­nen 4,1% und bei Schweizer Aktien 8,0%). Deshalb sind Aktien auf lange Sicht weiterhin zu bevorzugen. Anders ausgedrückt: Ein ausreichend langfris­tiger Anlagehorizont in Verbindung mit entsprechender Risikobereitschaft rechtfertigt einen hohen Aktienanteil.

Aktienmarkt: Timen oder nicht timen?
Ein Drawdown bei Aktien ist immer mit Angst und Stress verbunden. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass sich Aktien nach einer Verkaufswelle wieder erholen können. Wenn man die Entwick­lung über einen langen Zeitraum glättet, verflüchtigt sich die Wirkung von Drawdowns. Ein glückloser Anleger mit einem Zeithorizont von fünf Jahren hätte in den letzten 96 Jahren (1926 bis 2021) 14 Mal eine negative Gesamtrendite auf Schweizer Aktien hinnehmen müssen, und zwar im Zusammenhang mit drei grossen Marktereignissen: dem Wall­Street­Crash 1929, dem Platzen der Dotcom­Blase 2001 und der globalen Finanzkrise 2008. Anleger mit einem Horizont von zehn Jahren hätten nur dann eine negative Rendite eingefahren, wenn die Erstanlage in einem von drei Zeiträumen seit 1926 erfolgt wäre, die alle mit der Krise von 1929 zusammenhängen. Wer über einen Zeitraum von 13 Jahren in Schweizer Aktien investiert hat, hätte seit 1926 keinen Verlust auf seine ursprüngliche Anlage erlitten. Wer das Pech hatte, Anfang 2008 am Schweizer Aktienmarkt anzulegen, musste in der 5­jährigen Periode bis Ende 2012 eine durchschnitt­liche Jahresperformance von ­1,9% hinnehmen. Unter der Annahme, dass die Anleger ihr Geld investiert liessen, wäre die durchschnittliche Jahresrendite für den Zeitraum 2008 bis 2021 auf +6,4% per Ende 2021 geklettert – nicht schlecht, wenn man den Verlust von 34% im Jahr 2008 einbezieht. Mit Ausnahme von Investments, die 2007 oder 2008 getätigt wurden, hätten alle Anlagen in Schweizer Aktien, die seit 2006 getätigt und bis Ende 2021 gehalten wurden, eine durchschnittliche Jahresrendite über dem langfristigen Durchschnitt von 8% erzielt. Bei den meisten Einstiegsjahren fällt die Rendite sogar zweistellig aus. Angesichts des Aktien-Bullenmarktes, mit dem wir es seit dem Ende der globalen Finanzkrise zu tun haben, ist das keine Überraschung.

Geht die Ära der sinkenden Zinsen zu Ende?
Bei den langfristigen Zinsen hat der Trend in den letzten 30 Jahren nach unten gezeigt. Ein zentraler Grund hierfür war die Disinflation. Doch im letzten Jahr haben Lieferengpässe und steigende Energiepreise die Inflation in die Höhe getrieben. Langfristig stellt sich die Frage, ob künftig die inflationären Faktoren stärker sein werden als die disinflationären, also ob etwa die Kosten der ökologischen Wende und ein gewisser Rückgang der Globali­sierung die Inflation in den kommenden Jahren möglicherweise anheizen werden. Doch ob die Pandemie bei der Inflations­dynamik einen Regimewechsel ausgelöst hat, bleibt abzuwarten.

Der alten Weisheit, wonach sich der Markt nicht timen lässt, begegnen Aktienanleger am besten mit Disziplin.

Nadia Gharbi, Pictet Wealth Management

Als kleine offene Volkswirtschaft kann sich die Schweiz nicht von den Zinsent­wicklungen in anderen Ländern abkoppeln. In der Vergangenheit hatte die Schweiz niedrigere Zinsen als ihr Haupthandelspartner Deutschland. Seit der globalen Finanz­krise ist dieser Vorteil jedoch zunehmend unter Druck geraten. Vor allem seit der Pandemie ist die Differenz zwischen den langfristigen Zinssätzen in der Schweiz und in Deutschland fast auf null gesunken, obwohl der Leitzins (der kurzfristige Einlagensatz) der Schweize­rischen Nationalbank (SNB) immer noch 25 Bp unter dem der Europäischen Zentralbank (EZB) liegt. Jetzt, da andere Zentralbanken ihre Geldpolitik straffen und damit Aufwärtsdruck auf die Zinsen ausüben, stellt sich die Frage, ob sich die SNB anschliessen wird. Die SNB hat immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig die Zinsdifferenz für ihre Geldpolitik ist. Lange Zeit hat sie argumentiert, dass es notwendig sei, eine negative Zinsdifferenz zwischen dem Franken und anderen Währungen aufrechtzuerhalten, damit die Schweizer Währung nicht übermässig aufwertet. Wir gehen davon aus, dass die EZB im 2. Halbjahr 2022 oder Anfang 2023 beginnen wird, ihren Einlagensatz anzuheben. Wird die SNB dem Beispiel der EZB folgen oder wird sie zufrieden zusehen, wie die Zinsdifferenz weiter zunimmt, wodurch der Druck auf den Franken abnimmt?

Wie die SNB auf künftige Zinserhö­hungen der EZB reagiert, wird vor allem vom Inflationsausblick abhängen. Das einzige Mandat der SNB ist die Preisstabilität, und darunter versteht sie einen «Anstieg des Landesindexes der Konsu­mentenpreise (LIK) von weniger als 2% pro Jahr». In ihrer aktuellen langfristi­gen Prognose geht die SNB von einem Anstieg des LIK um 0,8% bis zum 3. Quartal 2024 aus, was deutlich unter ihrem Inflationsziel von unter 2% und nahe am langfristigen Durchschnitt von 1% liegt. Hierbei ist zu beachten, dass die Inflation in der Schweiz kein so grosses Thema ist wie in anderen Ländern und daher der Druck auf die SNB, ihre Geldpolitik zu straffen, geringer ist. Dennoch gehen wir davon aus, dass die SNB ihre mittelfristige Inflations­prognose in den kommenden Quartalen aufgrund der Energiepreise und eines engen Arbeitsmarktes anheben wird.

Aufgrund ihres Einflusses auf die Inflation spielt die Entwicklung des Wechselkurses weiterhin eine wichtige Rolle für das Vorgehen der SNB. Doch je länger die Zinsen im Negativbereich bleiben, desto grösser werden die potenziellen Herausforderungen für die Finanzstabilität. Dies liegt daran, dass negative Einlagenzinsen die Profitabilität der Banken schmälern und damit Anreize schaffen, mehr Risiken einzugehen. Da die negativen Leitzinsen die Ungleichgewichte auf dem Schweizer Immobilienmarkt verschärfen, erhöhen sie zudem auch die Anfälligkeit des Schweizer Bankensystems und der Gesamtwirtschaft. Die SNB steht vor schwierigen Entscheidungen, aber wir glauben, dass sie dem Beispiel der EZB folgen und die Zinssätze anheben wird – vielleicht im zeitlichen Abstand von einem Quartal, um das Zinsdifferenzpolster wiederherzustellen.

Die komplette Studie aus dem Hause Pictet finde sich hier.

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