Die Macht der Ausweitung des Engagements auf Regierungen

Die Einstellung der Anleger gegenüber ESG hat sich in den letzten Jahren radikal verändert, wobei die aktive Beteiligung – Engagement und die Wahrnehmung von Stimmrechten zur Beeinflussung von Unternehmen – mittlerweile allerseits als ein positives Mittel anerkannt wird. Neben der Förderung von Fortschritten wird der konstruktive Dialog mit Unternehmen zunehmend als ein wesentliches Element der langfristigen Wertschöpfung sowohl auf den Aktien- als auch auf den Anleihenmärkten akzeptiert.

Da die Mehrheit der festverzinslichen Vermögenswerte jedoch von Ländern und regierungsnahen Behörden emittiert wird, besteht nach wie vor grosse Skepsis hinsichtlich der Fähigkeit von ESG-orientierten Vermögensverwaltern, staatliche Einrichtungen – insbesondere in Schwellenländern – positiv zu beeinflussen. Es wird natürlich Fälle geben, in denen Engagement-Bemühungen vergeblich sind. Das kann beispielsweise im Falle Russlands beobachtet werden, das früher ein bedeutender Bestandteil der Indizes für Schwellenländeranleihen war. In solchen Fällen gibt es keinen Ersatz für ein robustes ESG Research-Rahmenwerk, in dem Menschenrechte und Governance-Faktoren eine bedeutende Rolle spielen. Im Falle Russlands haben wir aufgrund der zunehmenden Anzeichen für sich verschlechternde Governance-Standards 2020 alle Käufe der Staatsanleihen des Landes eingefroren, bevor wir im Januar 2022 alle verbleibenden Vermögenswerte veräusserten.

Es wird natürlich Fälle geben, in denen Engagement-Bemühungen vergeblich sind. Das kann beispielsweise im Falle Russlands beobachtet werden.

Thede Rüst, Head of Emerging Markets Debt, Nordea Asset Management

Ermutigende Interaktionen in Brasilien
Auch wenn die Zusammenarbeit mit Regierungen, insbesondere in den Schwellenländern, oft schwierig sein kann, ist es dennoch möglich, positive Veränderungen zu bewirken. Angesichts der negativen finanziellen Auswirkungen der anhaltenden Regenwaldzerstörung haben wir beispielsweise 2019 beschlossen, keine brasilianischen Staatsanleihen mehr für unsere intern verwalteten Strategien für Schwellenmarktanleihen zu kaufen. Trotz dieser Vorgehensweise veräussern und verschwinden echte verantwortungsbewusste Anleger aber nicht einfach. Im Jahr 2020 wurde Nordea Gründungsmitglied und beratendes Mitglied des «Investors Policy Dialogue on Deforestation» (IPDD), einem gemeinsamen Engagement zur Initiierung und Koordinierung eines politischen Dialogs zur Eindämmung der Entwaldung. Die Brasilien-Arbeitsgruppe war der erste formelle Länder-Workstream des IPDD, der inzwischen auf Indonesien ausgeweitet wurde. Die brasilianische Regierung hat noch nicht genug getan, um uns dazu zu bringen, unsere Investmenthaltung zu ändern – aber wir sind durch die jüngsten Fortschritte ermutigt. Beispielsweise sind die Ende letzten Jahres von der brasilianischen Zentralbank angekündigten weitreichenden ESG-Vorschriften ein guter Schritt nach vorn. Die neue Verordnung enthält die Anforderung, dass alle ökologischen, sozialen und klimabedingten Auswirkungen für alle Finanzdienstleistungen und -Produkte berücksichtigt werden. Sie bereitet sich auch darauf vor, von den Banken des Landes zu verlangen, potenzielle Verluste durch Phänomene im Zusammenhang mit dem Klimawandel – wie Dürren, Überschwemmungen und Wald-brände – zu berücksichtigen.

Auch soziale Faktoren stehen im Vordergrund
Während sich das Engagement in der Klimakrise in den letzten Jahren beschleunigt hat, haben verantwortungsbewusste Investoren auch grosse Fortschritte bei der positiven Beeinflussung von Regierungen in Bezug auf das «S» in ESG gemacht. So arbeiten wir beispielsweise weiterhin mit der ghanaischen Regierung zusammen, um über Kinderarbeit in der Kakaobranche des Landes zu diskutieren. In den Kakaoanbaugebieten waren 55% der in landwirtschaftlichen Haushalten lebenden Kinder in der Produktion tätig und die meisten waren zudem gefährlichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt.

Trotz staatlicher Interventionen ist Kinderarbeit nach wie vor weit verbreitet.

Thede Rüst

Studien zur Wirksamkeit politischer Massnahmen gegen Kinderarbeit haben gezeigt, dass die wirksamsten Massnahmen nicht unbedingt diejenigen sind, die speziell auf die Verhinderung von Kinderarbeit ausgerichtet sind. Bemühungen zur Erhöhung der Einschulungs- und Verbleibsquote haben sich neben dem Bau von Schulen und der Modernisierung anderer Infrastrukturen als am effektivsten erwiesen. Tatsächlich ist die Einschulungs- und Verbleibsquote auf allen Bildungsebenen des Landes gestiegen, wobei die Alphabetisierungsrate in den letzten zwei Jahrzehnten von unter 60% auf fast 80% gestiegen ist. Trotz staatlicher Interventionen ist Kinderarbeit nach wie vor weit verbreitet. In den jüngsten Gesprächen mit der Regierung wurde uns mitgeteilt, dass die Zahl der an der Kakaoproduktion in Ghana beteiligten Kinder stabil geblieben ist, obwohl die Kakaoproduktion in den letzten Jahren um mehr als 50% gewachsen ist. Wir werden unseren Dialog mit den Behörden fortsetzen, um die Bedeutung der laufenden Investitionen in Bildung und Infrastruktur hervorzuheben, insbesondere da die Covid-19 Pandemie den Bildungsfortschritt in vielen Teilen der Dritten Welt zum Erliegen gebracht hat. Darüber hinaus muss mehr Arbeit geleistet werden, da die Kakaoproduktion in neue geografische Gebiete des Landes expandiert und die Infrastruktur, die zur Eindämmung von Kinderarbeit erforderlich ist, in abgelegenen Regionen weniger entwickelt ist.

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