Gold: Die Leitwährung der Ängstlichen
Gold wird in dieser Krisenzeit seinem Ruf als «Währung der letzten Instanz» mehr als gerecht. Verunsicherte Anleger kaufen kräftig zu. Dennoch sollten sie ihren klaren Blick nicht verlieren.
Die Geldschwemme von Regierungen und Notenbanken rund um die Welt flutet die Finanzmärkte. Auch Gold profitiert davon, nicht zuletzt in Zeiten von Corona, Wirtschaftsrezessionen und Inflationsängsten. Nach dem Allzeithoch von USD 2’072 je Feinunze im August pendelt der Goldpreis derzeit um die USD 1’900. Ist das die neue Normalität am Markt des Edelmetalls, das Atemschöpfen für eine weitere Aufschwungphase oder ein Zeichen von Ernüchterung, dem ein Preiseinbruch folgen könnte?
Eine originelle Standortbestimmung nimmt jedes Jahr der Vermögensverwalter Incrementum AG in Liechtenstein vor. Der erklärte Fan von Gold ermittelt eine «Gold/Wiesnbier-Ratio» anhand der Preise für den Gerstensaft auf dem Oktoberfest in München. Dieses Jahr fiel die grosse Gaudi coronabedingt aus. Aber gemessen am Preis von EUR 11,80 je Mass 2019 hätte sich der Festbesucher mit einer Unze Gold 137 Mass leisten können. Die Schlussfolgerung von Incrementum: «Gemessen am historischen Mittelwert von 89 Mass (seit 1950) befindet sich die «Bierkaufkraft» des Goldes damit mittlerweile deutlich über dem Mittelwert.» Konkret sind es gut 50 Prozent – dies bei einer durchschnittlichen jährlichen Teuerungsrate des Wiesnsaftes von 3,8 Prozent.
Risiken durch schwachen Dollar
Wegen des strengen Reinheitsgebotes verkörpert deutsches Bier ein weitgehend unverändertes Produkt. Die Untersuchung von Incrementum ist natürlich eine Spielerei. Aber sie beleuchtet einen ernsten Hintergrund. Blickt man zum Beispiel auf den Gold-Chart an der Börse in den vergangenen drei Jahren, hat sich die Feinunze in Dollar, in der Gold gehandelt wird, um knapp 50 Prozent verteuert – mit einem grösseren Rückschlag Ende 2019. Zum Vergleich: Der SMI legte in dieser Zeit inklusive des Absturzes im März 2020 um weniger als zehn Prozent zu. Aber Vorsicht, in Schweizer Franken gerechnet fiel das Gold-Plus beim Kilobarren mit rund 35 Prozent deutlich geringer aus.
Das Währungsrisiko beim Kauf von Gold mag man als Teil des Spekulationsrisikos abtun. Aber die strukturellen Nachteile lassen sich nicht einfach beiseiteschieben. Das begehrte Edelmetall bringt keine laufende Rendite in Form von Zinsen oder Dividenden. Die Lagerung von Barren und Münzen in Bankschliessfächern kostet Geld, bei den Händlern muss auf seriöse Anbieter wie Degussa und Heraeus geachtet werden. Der Kursschub, den Unternehmensgewinne den entsprechenden Aktien verleihen können, fehlt. Für das Gold spricht, dass es rund um die Welt gehandelt wird; es ist eine versteckte Weltwährung.
Jeffrey Currie, Goldman SachsAngst und Wohlstand gleich teures Gold.
Banken haben den Zug der Zeit beziehungsweise das Interesse der Anleger erkannt und trommeln vermehrt für Gold-Käufe, zumal selbst Notenbanken sich offenbar zunehmend für die «Währung der letzten Instanz» erwärmen. Gerne wird dann auf die Zuflucht in Krisenzeiten verwiesen sowie auf die langfristige Kursentwicklung. Auf den ersten Blick ist sie in der Tat beeindruckend, war doch die Feinunze zur Jahrtausendwende noch für USD 250 zu haben. Doch getrübt wird die Erfolgsgeschichte durch den mehrjährigen Rückschlag nach 2012, der den Unzenpreis bis 2016 von rund USD 1’900 auf fast USD 1’100 absacken liess.
Die zwei Gesichter des Edelmetalls
«Angst und Wohlstand gleich teures Gold», lautet eine Einschätzung des Rohstoffexperten Jeffrey Currie von der Investmentbank Goldman Sachs. Gold korreliert in der Regel negativ zu Aktien. Typischerweise entstand die jüngste Rally im Corona-Lockdown und dem Aktienabsturz im März. Jetzt hat zum Beispiel die Zürcher Privatbank Maerki Baumann bei USD 2’000 Dollar damit begonnen, Gewinnmitnahmen zu tätigen. Gerne wird in den Bankenempfehlungen unterschlagen, dass beim Gold eine klare Unterscheidung wichtig ist: Was dient der langfristigen Krisenabsicherung, was der Spekulation auf Kurssteigerungen? Im zweiten Fall kann man neben kleinen Barren auch zu ETF greifen, die aber physisch mit Gold gesichert sein sollten. Der in Deutschland verbreitete Hinweis «Mit Gold gedeckt» erfüllt diese Anforderung nicht, da im Fall des Falles die Edelunzen den Kunden nicht geliefert werden müssen.
Minenaktien kein Ersatz
So gesehen, sollte der «Sicherheitsblock» Gold in einem Portfolio 5 Prozent wohl nicht übersteigen. Die immer wieder genannten «bis zu 10 Prozent» klingen ziemlich sportlich. Was ist mit Goldminenaktien? Bilden sie die goldene Mitte zwischen Dividendenpapieren und Edelmetall? Zu Recht werden Gold-Interessenten davor gewarnt, weil die Aktienkomponente klar überwiegt. Dessen ungeachtet hatte im August Super-Investor Warren Buffett für Schlagzeilen gesorgt, als er (für ihn bescheidene) USD 565 Millionen in Barrick Gold investierte. Bisher ohne Erfolg. Seit Buffetts Einstieg hat der Aktienkurs des zweitgrössten Goldförderers der Welt nachgegeben.