Gewinner und Verlierer in der bevorstehenden Ära der Transformation

Anleger wie politische Entscheidungsträger dürften in den nächsten fünf Jahren mit einem ganz neuen gesamtwirtschaftlichen Umfeld konfrontiert sein, da das Jahrzehnt der «Neuen Normalität» – mit einem unterdurchschnittlichen, aber stabilen Wachstum, einer Inflation unter der Zielvorgabe, einer gedämpften Volatilität und satten Anlageerträgen – zusehends im Rückspiegel verblasst.

Vor uns liegt ein ungewisseres und uneinheitlicheres Wachstums- und Inflationsumfeld, in dem die Kapitalmarktrenditen insgesamt niedriger und volatiler ausfallen dürften. Nachfolgend beleuchten wir vorhandene Störfaktoren sowie drei Trends, die einen tiefgreifenden Wandel der Weltwirtschaft und der Märkte antreiben sollten. Diese Transformation sollte gute Alpha-Chancen für aktive Anleger bergen, die sich in dem schwierigen Terrain zurechtfinden.

Triebkräfte der Transformation
In unserem langfristigen Ausblick von 2020 kamen wir zu dem Ergebnis, dass die Corona-Pandemie vier entscheidende langfristige Störfaktoren intensiviert:

  • die Rivalität zwischen China und den USA,
  • den Populismus,
  • die Technologie
  • und den Klimawandel.

Diese Erwartungen wurden von den Entwicklungen des vergangenen Jahres bestätigt. Die erwähnten vier Störfaktoren, ebenso wie die drei folgenden langfristigen Trends, die wir sehen, werden wesentliche Auswirkungen auf die Entwicklung der Wirtschaft und der Anlagen in der Ära der Transformation haben.

Der Übergang von braun auf grün
Die Anstrengungen zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 bedeuten, dass sowohl private als auch öffentliche Investitionen in erneuerbare Energien noch viele Jahre lang Auftrieb erhalten werden. Selbstverständlich werden die höheren Ausgaben für saubere Energie vermutlich zum Teil, wenn auch nicht vollständig, durch geringere Investitionen und Kapitalvernichtung in braunen Energiesektoren wie Kohle und Öl ausgeglichen. Ferner kann es während der Umstellung zu Versorgungsunterbrechungen und sprunghaften Anstiegen der Energiepreise kommen, die das Wachstum bremsen und die Inflation anheizen. Ausserdem bringt der Prozess Gewinner und Verlierer hervor und könnte eine politische Gegenreaktion bewirken, um den Arbeitsplatzverlusten in der Kohle- und Ölindustrie zu begegnen, ebenso wie eine Erhöhung der CO2-Steuern und -Preise oder Mechanismen des CO2-Grenzsteuerausgleichs, die Importe verteuern.

Schnellere Einführung neuer Technologien
Die bisherigen Daten zeigen einen deutlichen Anstieg der Unternehmensausgaben für neue Technologien. In der Vergangenheit, etwa während der 1990er-Jahre in den USA, gingen derartige Investitionssteigerungen stets mit einer Beschleunigung des Produktivitätswachstums einher. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die jüngste Zunahme der Technologieinvestitionen und des Produktivitätswachstums eine einmalige Entwicklung oder der Beginn eines ausgeprägten Trends ist. Die Digitalisierung und die Automatisierung werden neue Arbeitsplätze schaffen und vorhandene Arbeitsplätze produktiver gestalten. Zugleich werden sie erschütternd für all jene sein, die vom Stellenabbau betroffen sind und womöglich nicht über die nötigen Fertigkeiten verfügen, um in anderen Bereichen unterzukommen. Ähnlich wie bei der Globalisierung wird sich die Schattenseite der Digitalisierung und der Automatisierung wohl in einem Anstieg der Ungleichheit und einer stärkeren Unterstützung für populistische Parteien zeigen.

Breitere Verteilung der Wachstumsgewinne
Der dritte potenziell transformative Trend der Gegenwart ist der verstärkte Fokus der politischen Entscheider und der breiten Gesellschaft auf die zunehmende Einkommens- und Vermögensungleichheit sowie auf die Herstellung eines integrativeren Wachstums. So belegen zahlreiche Beispiele, dass sich das Machtverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in vielen Unternehmen allmählich auf Letztere verlagert, wodurch sich deren Verhandlungsposition verbessert. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese Tendenz anhält oder der Trend zum Homeoffice mithilfe neuer Technologien die Unternehmen schließlich in die Lage versetzt, mehr Arbeitsplätze an günstigere in- und ausländische Standorte zu verlagern, wodurch sie ihre Verhandlungsmacht erhalten oder sogar steigern könnten.

Anlagekonsequenzen
Unseres Erachtens wird die Ära der Transformation mehr Herausforderungen für die Anleger mit sich bringen als das Umfeld der Neuen Normalität, das im vergangenen Jahrzehnt vorherrschte. Zugleich hält sie nach unserer Auffassung gute Alpha-Möglichkeiten für aktive Anleger bereit, die gerüstet sind, um eine Phase auszunutzen, die in unseren Augen von einer höheren Volatilität und ausgeprägteren Extremrisiken gekennzeichnet sein wird als die übliche Glockenkurve der Normalverteilung. Eine höhere Volatilität, sowohl auf gesamtwirtschaftlicher Ebene als auch an einzelnen Märkten, wird aller Wahrscheinlichkeit nach mit geringeren Renditen an den Anleihen- und Aktienmärkten einhergehen. Die Ausgangsbewertungen – niedrige reale und nominale Renditen an den Anleihen-Märkten und historisch hohe Kurs-Gewinn-Verhältnisse bei Aktien – bestärken diese Erwartung.

Die Digitalisierung und die Automatisierung werden neue Arbeitsplätze schaffen und vorhandene Arbeitsplätze produktiver gestalten. Zugleich werden sie erschütternd für all jene sein, die vom Stellenabbau betroffen sind und womöglich nicht über die nötigen Fertigkeiten verfügen.

Joachim Fels, Global Economic Advisor, Pimco

In unserem Basisszenario bleiben die Leitzinsen niedrig und geben den weltweiten Anleihenmärkten Halt. Obwohl die Zinsen im Zuge der fortschreitenden Wirtschaftserholung kurzfristig anziehen könnten, sollten sie sich auf lange Sicht in einer gewissen Bandbreite aufhalten. Entsprechend rechnen wir mit niedrigeren, aber positiven Renditen für die Kernanleihen-Allokation.

Auch wenn unsere Basiseinschätzung keinen längeren Zeitraum mit hoher Inflation vorsieht, halten wir inflationsindexierte US-Staatsanleihen (TIPS) sowie Rohstoffe und andere Sachwerte nach wie vor für sinnvolle Instrumente, um sich gegen Inflationsrisiken abzusichern. Zugleich werden makroökonomische Trends, Störfaktoren und treibende Kräfte, kombiniert mit erhöhten Schuldenniveaus, wesentliche Unterschiede zwischen einzelnen Regionen, Ländern und Sektoren entstehen lassen. In Asien dürften sich wegen der Aussicht auf ein kräftigeres Wachstum und sich entwickelnde Kapitalmärkte aussichtsreiche Anlagechancen auftun, und dies trotz der Risiken, die mit einem schleppenden Wachstum in China und den fortdauernden geopolitischen Spannungen verbunden sind. Während eine Reihe von Schwellenländern zwar langfristig vor Schwierigkeiten steht, ist es wie immer wichtig, die Anlagegattung als breit gefächertes Chancenspektrum und nicht als passive Beta-Anlage zu betrachten. Wir erwarten, dass sich in den Schwellenländern exzellente Gelegenheiten auftun werden.

Wir erwarten, dass sich in den Schwellenländern exzellente Gelegenheiten auftun werden.

Joachim Fels

Der Übergang von brauner auf grüne Energie, die schnellere Einführung neuer Technologien und die postpandemische Veränderung der Lieferketten und der Präferenzen werden eine Reihe von Gewinnern und Verlierern hervorbringen und die Bedeutung eines aktiven Managements an den Märkten für Unternehmensanleihen unterstreichen. Anpassungen der Umweltgesetze bedeuten Unsicherheit und Komplexität, aber auch Chancen. Besonders besorgniserregend sind die hohen Schuldenniveaus im Fall von Ländern oder Unternehmen, die zu den Verlierern der Energiewende zählen.

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