Warum die Wahrnehmung der US-Konsumenten nicht unbedingt mit der Realität übereinstimmt

Für US-Konsumenten haben die begrenzte Verfügbarkeit von Wohneigentum, die Inflation und stagnierende Einkommen zu einem wenig optimistischen Ausblick geführt.

Trotz der jüngsten Volatilität zeigen sich die Märkte zunehmend optimistisch hinsichtlich einer möglichen weichen Landung in den USA. Die Inflation bewegt sich auf ein normales Niveau zu, die Arbeitslosenquote ist gestiegen, bleibt jedoch historisch niedrig, und die Federal Reserve steht offenbar vor der Einleitung eines Zinssenkungszyklus. Dennoch sind viele Amerikaner weiterhin skeptisch. Und tatsächlich! Eine Umfrage von RealClearPolling zeigt, dass fast zwei Drittel der US-Bürger glauben, das Land befinde sich auf dem falschen Weg.

Sollte die Inflation weiter sinken und die Wirtschaft stark bleiben, ist es schwer vorstellbar, dass die Unzufriedenheit, die in den Umfragen zur Richtung des Landes zum Ausdruck kommt, auf Dauer bestehen bleibt.

Damian McIntyre, Portfolio Manager, Federated Hermes

Wir haben vier Faktoren identifiziert, die zeigen, warum die Wahrnehmung der US-Konsumenten nicht unbedingt mit den Daten übereinstimmt:

  1. Bezahlbarer Wohnraum
    Einer der Gründe für das geringe Vertrauen der US-Konsumenten könnte die Bezahlbarkeit von Wohnraum sein. Im Jahr 2022 begann die Fed mit einem drastischen Zinserhöhungszyklus zur Bekämpfung der Inflation, wodurch die Zinssätze innerhalb von 18 Monaten um 5,5% stiegen. Der durchschnittliche Zinssatz für eine 30-jährige Hypothek erhöhte sich von 2,82% im Februar 2021 auf 6,90% am 19. August. Das bedeutet, dass ein Käufer, der einen Kredit für ein Haus im Wert von 250’000 US-Dollar aufnimmt, nun 617 US-Dollar mehr pro Monat zahlen muss als vor zwei Jahren – insgesamt 222’120 US-Dollar über die Laufzeit des Kredits. Diese Entwicklung hat Erstkäufern von Eigenheimen das Gefühl vermittelt, dass Wohneigentum für sie unerreichbar ist. Zudem haben Hausbesitzer in ihren Hypotheken festgesteckt, wodurch ein Wechsel in eine andere Immobilie unmöglich wird. Die Verkäufe bestehender Eigenheime sind auf eine Jahresrate von 3,89 Millionen Einheiten gesunken, den niedrigsten Stand seit dem Immobiliencrash von 2008.
  2. Die Inflation nähert sich dem Ziel
    Die Inflationsdaten für Juli zeigten einen Anstieg von 0,2% im Vergleich zum Vormonat und eine Jahresrate von 2,9%. Obwohl dies immer noch hoch ist, nähert sich die Inflation dem Ziel der Fed von 2,0% an. Rückblickend sehen die Zahlen jedoch weniger positiv aus. Ich höre häufig von US-Konsumenten, dass die Preise vor wenigen Jahren noch deutlich niedriger waren. Betrachtet man die Inflationsrate der letzten drei Jahre anstatt nur eines Jahres, so liegt sie bei 15,3%, dem höchsten Wert seit 1990. Obwohl die Lage sich verbessert, wird es aber voraussichtlich noch einige Zeit dauern, bis sich die US-Konsumenten an das höhere Preisniveau gewöhnt haben.
  3. Die Reallöhne stagnieren
    Obwohl die durchschnittlichen Stundenlöhne – ein Indikator für das Lohnwachstum – im Jahr 2022 um 5,9% gestiegen sind, wurde der Grossteil dieser Zuwächse durch die Inflation wieder aufgezehrt. Tatsächlich sanken die Reallöhne von April 2021 bis April 2023 im Jahresvergleich und erreichen erst jetzt wieder das Niveau von Januar 2022. Zwar ist die finanzielle Situation der US-Konsumenten damit nicht schlechter als zuvor, dennoch könnte dies erklären, warum die Unzufriedenheit gross ist. Auch wenn nominale Lohnsteigerungen bedeuten, dass die Inflation sie nicht direkt zurückgeworfen hat, sind viele Arbeitnehmer verständlicherweise frustriert, dass ihre hart erarbeiteten Lohnerhöhungen durch die Inflation entwertet wurden.
  4. Vor Covid war alles besser
    Der Misery-Index ist ein in den stagflationären 1970er Jahren entwickeltes Konzept, das die Inflationsrate und die Arbeitslosenquote addiert, um eine schnelle Kennzahl für das «Leid» der Bevölkerung zu erhalten. Da die Inflation nun grösstenteils gesunken ist, befindet sich der Misery-Index auf einem der niedrigsten Werte der letzten 50 Jahre. Allerdings war er von Ende 2014 bis Anfang 2020, bevor die Covid-Pandemie begann, noch niedriger.

Ausblick
Sollte die Inflation weiter sinken und die Wirtschaft stark bleiben, ist es schwer vorstellbar, dass die Unzufriedenheit, die in den Umfragen zur Richtung des Landes zum Ausdruck kommt, auf Dauer bestehen bleibt. Niedrigere Zinssätze könnten dem Immobilienmarkt Auftrieb geben, während die Inflationsspitze von 2022 bis 2023 weiter in den Hintergrund rückt. Produktivitätssteigerungen, die zuletzt deutlich waren, könnten zudem das Wachstum der Reallöhne fördern. Sollte all dies eintreten, könnten die Menschen feststellen, dass die Dinge mittlerweile gar nicht so schlecht stehen.

Hauptbildnachweis: Freepik