Was Jerome «Jay» Powell wirklich dachte, als er gesprochen hat

Auch letzte Woche hingen wieder etliche Investoren und Marktkenner an den Lippen von Jerome «Jay» Powell. Wie immer hat er dabei fein säuberlich sein Skript befolgt, das wenig Spielraum für Interpretationen offenlässt. Doch was denkt Jay Powell wirklich, wenn er vor der versammelten Financial Community doziert? Ich habe mich an diese Frage gewagt. Herausgekommen ist ein (hoffentlich) amüsanter – und (wahrscheinlich) über weite Strecken authentischer – Blick in die Gedankenwelt Powells.

«Guten Tag.»
Hey!

«Meine Kollegen und ich sind fest entschlossen, die Inflation wieder auf unser Ziel von 2 Prozent zu senken. Wir haben sowohl die Instrumente, die wir brauchen, als auch die Entschlossenheit, die es braucht, um die Preisstabilität im Interesse der amerikanischen Familien und Unternehmen wiederherzustellen.»
Ihr denkt, wir haben nicht den Mut dazu. Aber hört zu! Das Zweitletzte, was wir tun wollen, ist eine Rezession auszulösen. Das Letzte, was wir wollen, ist, dass der Geist von Paul Volcker in unseren Träumen spukt.

«Die Preisstabilität ist die Aufgabe der Federal Reserve und bildet die Grundlage unserer Wirtschaft. Ohne Preisstabilität funktioniert die Wirtschaft nicht für alle. Insbesondere werden wir ohne Preisstabilität keine anhaltende Periode starker Arbeitsmarktbedingungen erreichen, die allen zugutekommen.»
Habt Ihr das bemerkt? Ich habe dreimal in drei Sätzen «Preisstabilität» gesagt.

«Heute hat der FOMC seinen Leitzins um 0,75 Prozentpunkte angehoben, und wir gehen davon aus, dass weitere Erhöhungen angemessen sein werden.»
Ha! Nehmt das! Und es war wieder einstimmig!

In Anbetracht der eher eingeschränkten 'Forward Guidance' der Fed bieten wir eine Transkription dessen, was der Fed-Vorsitzende Jerome Powell am Mittwoch bei seiner Eröffnungsrede zur Ankündigung der jüngsten Zinserhöhung zwar nicht gesagt hat, wohl aber gedacht haben dürfte.

Christopher Smart, Chief Global Strategist, Head of Barings Investment Institute

«Wir bewegen unsere Politik zielstrebig auf ein Niveau, das ausreichend restriktiv ist, um die Inflation auf 2 Prozent zurückzuführen.»
Ja, 2 Prozent! Erinnert ihr Euch noch an die Zeit, als niemand dachte, dass wir über 2 Prozent kommen könnten? Das waren die guten alten Zeiten.

«Darüber hinaus führen wir den Prozess der deutlichen Bilanzreduzierung weiter….»
Nein, wir wissen nicht wirklich, was das bewirken wird, aber irgendetwas explodiert immer, wenn die Zinsen steigen. Manchmal ist es Orange County. Manchmal ist es Lehman Brothers. Wir werden einfach abwarten müssen.

«Das Wachstum der Verbraucherausgaben hat sich gegenüber dem rasanten Tempo des letzten Jahres verlangsamt, was zum Teil auf das niedrigere verfügbare Realeinkommen und die restriktiveren finanziellen Bedingungen zurückzuführen ist. Die Aktivität im Immobiliensektor hat sich deutlich abgeschwächt, was zum grossen Teil auf die höheren Hypothekenzinsen zurückzuführen ist...»
Seht Ihr, es beginnt zu funktionieren. Hypothekenzinsen über 6%, Baby!

«Wie aus unserer Zusammenfassung der Wirtschaftsprognosen hervorgeht, haben die FOMC-Teilnehmer seit Juni ihre Prognosen für die Wirtschaftstätigkeit nach unten korrigiert, wobei der Median der Prognosen für das reale BIP-Wachstum bei nur 0,2 Prozent in diesem und 1,2 Prozent im nächsten Jahr liegt, was deutlich unter dem Median der Schätzung der längerfristigen normalen Wachstumsrate liegt ...»
Hört mal, ich bin der Vorsitzende der Fed. Ich kann hier nicht auftauchen und eine Rezession vorhersagen. Aber Ihr werdet bemerken, dass ich aufgehört habe das Wort «weich» zu benutzen.

«Trotz der Verlangsamung des Wachstums ist der Arbeitsmarkt nach wie vor extrem fest, mit einer Arbeitslosenquote nahe einem 50-Jahres-Tief, offenen Stellen nahe historischer Höchststände und einem erhöhten Lohnwachstum ...»
Wollt Ihr mich verarschen? Der Stellenmarkt ist immer noch heiss, heiss, heiss! Ich weiss von Entlassungen bei Goldman Sachs, aber wir brauchen mehr als Anekdoten von Euren Cocktail Partys. Seht Euch die vielen offenen Stellen an! Seht Euch das Lohnwachstum an!

«Der Median der SEP-Projektion für die Arbeitslosenquote steigt auf 4,4 Prozent Ende nächsten Jahres und liegt damit um einen halben Prozentpunkt höher als in den Juni-Projektionen. In den nächsten drei Jahren liegt der Median der Arbeitslosenquote über dem Median der Schätzung des längerfristigen Normalniveaus ...»
Es ist nicht so, dass wir all diese Menschen arbeitslos machen wollen, aber wir sind hier keine Zauberer.

«Obwohl die Benzinpreise in den letzten Monaten gesunken sind, liegen sie immer noch deutlich über dem Niveau des Vorjahres. Dies ist zum Teil auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine zurückzuführen, der die Preise für Energie und Lebensmittel in die Höhe getrieben hat und zusätzlichen Aufwärtsdruck auf die Inflation erzeugt hat ...»
Hat jemand von Euch die verrückte Rede von Putin gesehen? Es wird noch viel schlimmer werden, bevor es besser wird.

«Trotz der erhöhten Inflation scheinen die längerfristigen Inflationserwartungen weiterhin gut verankert zu sein, wie aus einer Vielzahl von Umfragen bei Haushalten, Unternehmen und Prognostikern sowie aus Messwerten der Finanzmärkte hervorgeht.»
Dies ist für die Superfalken da draussen, die darauf hoffen, dass der Leitzins wirklich auf über 5% oder mehr angehoben wird. Die langfristigen Erwartungen sind unter Kontrolle, also beruhigen Sie sich. Und ich meine Sie, Larry Summers.

«Meine Kollegen und ich sind uns sehr bewusst, dass eine hohe Inflation erhebliche Auswirkungen hat, da sie die Kaufkraft untergräbt, insbesondere für diejenigen, die am wenigsten in der Lage sind, die höheren Kosten für lebensnotwendige Güter wie Lebensmittel, Wohnung und Transportmittel zu tragen ...»
Ja, wir gehen in den Supermarkt, wir tanken. Oder zumindest kennen wir Leute, die das tun.

«Die Wiederherstellung der Preisstabilität wird wahrscheinlich die Beibehaltung eines restriktiven politischen Kurses für einige Zeit erfordern. Die Vergangenheit warnt eindringlich vor einer vorzeitigen Lockerung der Politik ...»
Ihr fragt Euch immer noch, wann wir mit den Kürzungen beginnen? Passt auf. Wir denken noch nicht daran, über Kürzungen nachzudenken.

«Wir ergreifen energische und rasche Massnahmen, um die Nachfrage zu dämpfen, damit sie besser mit dem Angebot in Einklang gebracht werden kann.»
Ich weiss, dass alle sagen, die Fed könne nichts gegen Versorgungsengpässe tun. Aber wenn wir die Nachfrage genug drosseln, wird es keine Engpässe mehr geben.»

«Abschliessend möchte ich sagen, dass wir uns bewusst sind, dass unser Handeln Auswirkungen auf Gemeinden, Familien und Unternehmen im ganzen Land hat. Alles, was wir tun, steht im Dienst unseres öffentlichen Auftrags. Wir von der Fed werden alles tun, was wir können, um unsere Ziele der maximalen Beschäftigung und Preisstabilität zu erreichen.»
Blah, blah, blah.

«Vielen Dank, ich freue mich auf Ihre Fragen.»
Und ich weiss genau, was Ihr fragen werdet.

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