Auslandsinvestoren schreiben Europa ab – China ist der grosse Profiteur
Im vergangenen Corona-Jahr schrumpften die Auslandsinvestitionen rund um den Globus drastisch. In Europa, darunter in der Schweiz, trocknen sie sogar ganz aus. Das zeigen erste Zahlen für 2020.
Die Überschrift über dem jüngsten, stets viel beachteten Bericht der UN Konferenz für Handel und Entwicklung UNCTAD zu den Auslandsinvestitionen rund um die Welt verheisst nichts Gutes. «Minus 42 Prozent» steht über der ersten Schätzung für die grenzüberschreitenden Kapitalanlagen im vergangenen Jahr, die 153 Länder umfasst. Ein eingehenderer Blick bestätigt die Ahnungen, welche die UNCTAD als «Kollaps» beschreibt. Die Entwicklungsländer Asiens kamen mit minus 4 Prozent noch einigermassen glimpflich davon. Dagegen brachen die Direktinvestitionen in den Vereinigten Staaten um 49 Prozent ein. Europa musste sogar einen leichten Nettoabfluss hinnehmen.
Direktinvestitionen aus dem Ausland verhelfen Unternehmen zu Kapital, unterstützen die Modernisierung und Expansion und sichern Arbeitsplätze. Wichtige Beispiele sind neue, sogenannte Greenfield-Projekte sowie die Gründung von Tochtergesellschaften, konzerninterne Kredite und die Übernahme bestehender Firmen. Im Fall des Falles registrieren dies auch die Finanzmärkte, womit solche Unternehmen auch Anleger ohne unternehmerische Interessen, die sogenannten Portfolioinvestoren anlocken. Problematisch werden Auslandsinvestoren dann, wenn sie bei Akquisitionen unfaire Wettbewerbsvorteile einsetzen, die erworbenen Unternehmen im Kapital aushöhlen und umfangreiche Know-how-Transfers vornehmen. Chinesischen Staatsunternehmen wird dies immer wieder vorgeworfen.
China ist der grosse Profiteur
Alles in allem schrumpfte das Volumen der ausländischen Direktinvestitionen 2020 von 1,5 Billionen im Vorjahr auf 859 Milliarden Dollar. Nicht überall standen Minuszahlen. China zog - trotz Corona mit dem Ausgangspunkt Wuhan - 4 Prozent mehr Kapital an und errang mit 163 Milliarden Dollar den Spitzenplatz der Empfängerländer, gefolgt von den USA mit 134 Milliarden. Indien verbuchte sogar ein Plus von 13 Prozent auf 57 Milliarden Dollar, dies nicht zuletzt durch Akquisitionen in der Digitalwirtschaft. Für den Nettoabfluss in Europa sind laut UNCTAD-Bericht in erster Linie die Niederlande und die Schweiz verantwortlich; Grossbritannien fiel auf netto Null. Aus Schweizer Sicht ist hier der Verkauf der ReAssure Group durch die Swiss Re an die Phoenix Group Holdings von Bedeutung. In den Niederlanden spielte die Fusion von Unilever auf den britischen Teil eine massgebliche Rolle. Die Schweiz verzeichnete einen Abfluss von 88 Milliarden Dollar. Als einen Grund nennt der Report aus Genf «grosse Eigenkapitalrückzüge».
Die Zahl liegt damit auf der Linie von 2019, als ausländische Direktinvestoren per Saldo 79 Milliarden Franken abzogen und der Bestand auf knapp 1370 Milliarden Franken schrumpfte, wie sich aus Zahlen der Nationalbank ergibt. Demgegenüber hatten Schweizer Unternehmen damals 1445 Milliarden Franken im Ausland investiert. Über die Investitionsentwicklung hierzulande 2019 schreibt die SNB: «Neuinvestitionen tätigten ausländische Investoren einzig in Form von reinvestierten Erträgen.» Zu befürchten ist, dass dies im vergangenen Jahr nicht anders war.
Auch 2021 hält der Druck an
Auch für das laufende Jahr ist die UNCTAD eher pessimistisch. Die bisherigen Investitionsankündigungen deuteten auf einen «fortgesetzten Druck», heisst es in dem Bericht. Mergers and Acquisitions (M&A) insbesondere in den Branchen Technologie und Pharma könnten zulegen. Auch die umfangreichen Konjunkturpakete in vielen Industrieländern sollten stützend wirken. Insgesamt zieht die UN-Organisation allerdings für 2021 ein betont nüchternes Fazit. «Risiken in Verbindung mit der jüngsten Pandemie-Welle, das Tempo der Impfprogramme, die wirtschaftlichen Stützungsmassnahmen makroökonomische Unwägbarkeiten in grossen Schwellenländern sowie Unsicherheiten im politischen Umfeld werden Auslandsinvestitionen auch weiterhin beeinflussen», schreiben die Autoren der Studie wörtlich.