Die europäische Immobilienbranche in der Krise – Zürich rutscht ab, London und Paris top

Kaum hat sich die Immobilienbranche von der Covid-Pandemie erholt, sieht sie sich mit den Auswirkungen der aktuellen geopolitischen und wirtschaftlichen Situation konfrontiert. Dies zeigt die neue Studie von PwC und dem Urban Land Institute. Bereits zum zwanzigsten Mal wurde dieses Jahr in einer Umfrage mit über 1'000 Immobilienfachleuten die Lage im europäischen Immobiliensektor sondiert.

Zwar betrifft der Krieg in der Ukraine das Portfolio der Immobilieninvestoren nur bedingt. Doch die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen wie höhere Energiekosten oder steigende Zinsen verunsichern Käufer und Verkäufer. Zu den grössten Sorgen gehören die Angst vor einer zunehmenden Inflation (90%) und die politische Instabilität (79%). Zudem denken sieben von zehn Befragten, dass Europa noch vor Beginn des neuen Jahres in eine Rezession schlittern wird.

Abruptes Ende des Immobilienbooms verunsichert Investor
Über den Sommer hat sich das Klima an der Investitionsfront verschlechtert, die Liegenschaftskosten sind weiter gestiegen und die Liquidität ist gesunken. Mittlerweile beeinflusst die Krise alle Bereiche und hat damit der Immobilienindustrie auch ihre «sicheren Häfen» geraubt, nämlich Logistik- und Wohngebäude. Viele Investoren warten nun auf Klarheit bei den Preisen und Renditen. Doch solange das Ausmass der Rezession unklar sind, bleiben diese Unsicherheiten bestehen. Die grosse Besorgnis steht in starkem Kontrast zur letztjährigen Umfrage, bei der durch Covid-19 in den europäischen Ländern eine Art Solidarität vorherrschte und sich die Investoren nach den überstandenen Lockdowns optimistisch zeigten. Der Krisenmodus zeigt sich Zahlen: Der Einschätzung der Fachleute zufolge bricht die Profitabilität in den nächsten 12 Monaten um 24% ein und die Anzahl Angestellten wird um 35% sinken. Die generelle geschäftliche Zuversicht nimmt gegenüber dem Vorjahr um einen Viertel ab. Auch das Vertrauen in die Verfügbarkeit von Eigen- und Fremdkapital im kommenden Jahr ist auf den niedrigsten Stand seit der globalen Finanzkrise gesunken. Ausserdem erwarten die Befragten, dass die bereits verlangsamte Entwicklungstätigkeiten im Jahr 2023 nochmals massiv sinken werden.

Zürich rutscht ab, London und Paris top
Insgesamt haben sich die Investitions- und Entwicklungsprognosen für alle 30 in dieser Umfrage untersuchten Städte seit letztem Jahr verschlechtert. Die europaweit attraktivste Stadt ist zum zweiten Mal in Folge London. In den ersten drei Quartalen 2022 wurden dort 32 Milliarden Euro umgesetzt, was einem Plus von 23% entspricht. Dicht dahinter rangiert Paris, das den letztjährigen Zweitplatzierten Berlin überholt hat. Dies ist primär darauf zurückzuführen, dass Frankreich mit eigenem Atomstrom in der Energieversorgung weitgehend eigenständig agieren kann. Deutschland ist hingegen stark abhängig von der russischen Energieversorgung und den potenziellen Auswirkungen auf die Inflation. Dies spüren auch die weiteren deutschen Städte in den Top Ten, München (5), Frankfurt (7) und Hamburg (8).

In der Gesamtprognose rutscht Zürich von Platz 14 auf Platz 17 zurück. Grund dafür ist unter anderem der starke Schweizer Franken, der Investitionen aus dem Ausland verteuert.

PwC-Studie «Emerging Trends in Real Estate»

In der Gesamtprognose rutscht Zürich von Platz 14 auf Platz 17 zurück. Grund dafür ist laut den Studienautoren unter anderem der starke Schweizer Franken, der Investitionen aus dem Ausland verteuert. Und die Regierung wird die Aufwertung des Frankens aufgrund der dämpfenden Wirkung auf die hiesige Inflation nur ungern stoppen. Die Umfrageteilnehmenden loben in Zürich allerdings die guten Verkehrsanbindungen, das florierende Hinterland und die diversifizierte Wirtschaftsstruktur. Dennoch schwächelt die Schweiz auch auf Länderebene. Die Transaktionsvolumen sanken in den letzten 12 Monaten um 9% auf fünf Milliarden Euro. Zum Vergleich: Österreich steigerte sein Volumen auf sieben Milliarden Euro (+5%) und Belgien um zwei Milliarden (+75%).

Die Risiken wurden verharmlost
«Durch den Krieg in der Ukraine und seine Konsequenzen ist auch in der Schweiz das Risikobewusstsein zurückgekommen», erklärt Sebastian Zollinger, Director und Head Real Estate Advisory bei PwC Schweiz. «Im aktuellen Marktumfeld mit erhöhtem Zinsniveau und volatileren Marktpreisen möchten Investoren für die getragenen Risiken entschädigt werden und erwarten höhere Renditen.» Die Krise ist aber auch eine Chance für Innovationen. Bestehende Trends im Bereich der Nachhaltigkeit werden beschleunigt. Wenig überraschend steht die Energieinfrastruktur zum zweiten Jahr in Folge auf Platz eins der Trends. Die Energiekrise zeigt, dass nicht nur Länder innovativer und energieautarker werden müssen, sondern auch Gebäude selbst. «Die Spitzenposition widerspiegelt die grosse Herausforderung der Immobilienbranche, den Übergang zu erneuerbarer Energie erfolgreich zu meistern. Nachhaltigkeit ist zum klaren Treiber avanciert», so Sebastian Zollinger. Es sei nun essenziell, dass Liegenschaften umgerüstet und somit nachhaltig positioniert werden. Dafür müssen Investitionen getätigt werden. «Wenn institutionelle Investoren jetzt die Transformation verpassen, bekommen sie sowohl auf Kapitalmarkt- als auch auf Mieterebene Probleme. Ein gezielter Fokus auf das Kerngeschäft und die Nachhaltigkeit können überlebenswichtig sein.»

Die aktuelle PwC-Studie «Emerging Trends in Real Estate» findet sich hier.

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