Kantone mit Verbesserungspotenzial von rund 13 Milliarden Franken – Zürich in Punkto Effizienz Mittelmass

Wie effizient arbeiten die Schweizer Kantone? Das Institut für öffentliche Verwaltung (IDHEAP) der Universität Lausanne und PwC Schweiz haben gemeinsam die Effizienz staatlicher Leistungen geschätzt.

In der aktuellen Ausgabe des «Effizienz-Monitorings» werden die Bereiche Bildung, Kultur, das Sozialwesen, öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie Strassen beleuchtet. Zusammen decken sie im Jahr 2020 mit 65% den Hauptanteil sämtlicher kantonalen und kommunalen Ausgaben ab. Die Analyse zeigt: Die Kantone haben ein jährliches Verbesserungspotential von rund 13 Milliarden Franken. Eine solche Optimierung ist dringend nötig, denn die finanzielle Lage der Kantone spitzt sich zu: Unter anderem durch die fehlende Gewinnausschüttung der Nationalbank sind einige Kantone in die roten Zahlen gerutscht.

Öffentliche Ordnung und Sicherheit mit enormen Schwankungen
In diesem Bereich haben die Autoren erstmals die Anzahl polizeilich registrierter Straftaten, die Anzahl Verurteilungen und die Anzahl Personen in Untersuchungshaft analysiert. Der Median aller Kantone liegt 2020 bei 73%, das Potenzial beläuft sich auf 1,9 Milliarden Franken. Die Effizienz variiert nicht nur zwischen den Kantonen, sondern auch zwischen den Jahren, was zeigt, dass die Effizienzentwicklung in diesem Bereich äusserst volatil ist. Ein Blick auf den Durchschnitt der letzten zehn Jahre pro Kanton zeigt, dass die lateinischen Grenzkantone die höchste Effizienz aufweisen: Tessin (82%), Waadt (80%), Neuenburg (78%), Genf (77%). Zudem zeigen sich diese Kantone äusserst stabil, während beispielsweise Zürich oder Glarus über die Jahre Effizienzschwankungen von bis zu 22% verzeichneten. «Diese Schwankungen sind kein Phänomen des Jahres 2020», erklärt Philipp Roth, Leitender Partner Government & Public Sector bei PwC Schweiz. «Es ist davon auszugehen, dass sich Aspekte wie polizeilich registrierte Straftaten wellenförmig verändern und die Inputgrössen, wie z.B. die Anzahl Polizeikräfte, hinterherhinken.» Die Studie zeigt damit auch, dass eine grosse Anzahl Grenzgänger oder eine hohe Bevölkerungsdichte die Effizienz von öffentlicher Ordnung und Sicherheit kaum beeinflussen.

Für eine erfolgreiche Effizienzsteigerung müssen Kantone inhaltliche und finanzielle Schwerpunkte setzen sowie interne und externe Analysen durchführen und konkrete Ansatzpunkte definieren.

Prof. Dr. Pirmin Bundi, Studienmitautor, Institut für öffentliche Verwaltung (IDHEAP)

Bildungswesen: Schere zwischen den Kantonen öffnet sich weiter
Im Bildungswesen wurden die Anzahl Abschlüsse der beruflichen Grundbildung, des eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses, Abschlüsse an Fach- und Handelsmittelschulen sowie die Abschlüsse der berufs- und gymnasialen Matura ausgewertet. Die Art der Bildungsabschlüsse wurden dabei nicht gewertet. Der Effizienzmedian beträgt 80%, was dem langjährigen Durchschnitt entspricht. In diesem Bereich besteht mit 4,6 Milliarden Franken das grösste Potenzial. Auf dem ersten Platz liegt wie im Vorjahr der Kanton Graubünden (90%), gefolgt von Schaffhausen (89%), Glarus (89%), Obwalden (88%) und Bern (87%). Diese Konstanz ist beachtlich, wenn man sich beispielsweise die kantonal unterschiedlichen Handhabungen bei den gymnasialen Prüfungen während der Pandemie in Erinnerung ruft. Die drei ineffizientesten Kantone sind weiter zurückgefallen, wodurch sich die Schere zwischen den Kantonen etwas geöffnet hat.

Viel Bewegungsspielraum im Kulturwesen
Die Pandemie hatte grosse Auswirkungen auf das Kulturwesen. Sie fror die Effizienz auf dem Stand von 2019 regelrecht ein. Neben der Anzahl geschützter Baudenkmäler und der Anzahl Museen und Museumseintritte wurde auch die Anzahl Teilnehmende an J+S-Kursen und -Lagern untersucht. Der Effizienzmedian lag hier im Jahr 2020 bei 70%, wobei die Kantone vorwiegend auf ihren Vorjahresplätzen verharren. Auf die Spitzenreiter Solothurn und Aargau (je 83%) folgen Thurgau (82%), St. Gallen und Schwyz (je 80%). Kantone und Gemeinden haben im Kulturbereich wenige Vorgaben und sind oftmals frei in der Angebotsgestaltung. Dadurch bietet sich viel Bewegungsspielraum und Potenzial zur Effizienzsteigerung. Die potenzielle Effizienzsteigerung über alle Kantone hinweg beträgt 1,1 Milliarden Franken.

Städtische Kantone mit geringerer Effizienz im Sozialwesen
Neben der Anzahl der Bezüger von Ergänzungsleistungen (AHV und IV) und von wirtschaftlicher Sozialhilfe sowie der Einwohnerzahl untersuchten die Studienautoren auch die Anzahl abgeschlossener Dossiers der Sozialhilfe infolge Wiedereingliederungen. Je tiefer die Ausgaben pro Einwohner/Bezüger/Wiedereingliederung, desto effizienter ein Kanton. Am besten hat dies der Kanton Tessin gemeistert (93%), vor dem Wallis (90%), Uri (88%), Obwalden und Fribourg (je 86%). Dies deutet darauf hin, dass die ländliche Prägung die Effizienz im Sozialwesen fördert. Städtische Kantone liegen in dieser Kategorie denn auch eher auf den hinteren Rängen. Der Median liegt bei 75%, doch die Schere ist gross, gerade im Vergleich zum Bildungswesen. Die grossen Unterschiede werden sich so schnell nicht verringern, da die Kantone im Sozialwesen stark ausgabengebunden und somit unmittelbare Verbesserungen wohl kaum möglich sind. Eine grosse Bevölkerungsdichte und ein hoher Anteil ausländischer Wohnbevölkerung haben einen negativen Einfluss auf die Effizienz des Sozialwesens. In Ballungszentren wohnen generell viele Bezüger und die Lebenskosten sind höher als auf dem Land. Insgesamt besteht durch eine Effizienzsteigerung ein Verbesserungspotenzial von rund 2,9 Milliarden Franken.

Enorme Differenzen zwischen den Kantonen im Strassenwesen
Hierbei wurden die Länge der Gemeinde- und Kantonsstrassen in Kilometern, die Anzahl registrierten Fahrzeuge, Unfälle aufgrund ungenügend geräumter Strassen sowie Unfälle aufgrund mangelnder Strassenlage analysiert. Gegenüber dem Vorjahr fanden einige Verschiebungen statt. So konnte der Kanton Genf (85%) seine Effizienz deutlich steigern und liegt 2020 hinter Luzern (86%) auf Platz zwei. Gefolgt werden sie von Aargau (81%), Zug (79%) und Schwyz (78%). Die hintersten vier Kantone haben weiter an Effizienz eingebüsst – bei ihnen handelt es sich um Bergkantone. Der Strassenbau und -unterhalt mag für sie herausfordernd sein, doch die Topografie allein reicht nicht als Erklärung, da auch städtische Kantone auf den hinteren Rängen zu finden sind. Im Vergleich zum Bildungs- und Sozialwesen sind im Strassenwesen über die Jahre grössere Verschiebungen erkennbar. Der Median liegt bei 69 % Effizienz, was bedeutet, dass rund 2,3 Milliarden Franken eingespart werden könnten. Das Verbesserungspotenzial von rund 13 Milliarden Franken lässt sich aufgrund diverser topografischer und sozialdemografischer Kontextfaktoren kaum komplett ausschöpfen. Kantone können in erster Linie die Inputs beeinflussen, während die Outputs (z.B. Anzahl Sozialhilfebezüger oder Strassenlänge) häufig vorgegeben sind. «Trotzdem können die Kantone ihre Effizienz bei gleichem Ressourceneinsatz steigern», erklärt Prof. Dr. Pirmin Bundi vom IDHEAP. «Für eine erfolgreiche Effizienzsteigerung müssen Kantone inhaltliche und finanzielle Schwerpunkte setzen sowie interne und externe Analysen durchführen und konkrete Ansatzpunkte definieren». Die freiwerdenden Mittel könnten in andere Bereiche investiert werden, beispielsweise in die Bildung oder in das Sozialwesen.

Die detaillierte Ausgabe des «Effizienz-Monitorings» vom Institut für öffentliche Verwaltung (IDHEAP) der Universität Lausanne und PwC Schweiz findet sich hier.

Hauptbildnachweis: Zürich Tourismus