Selbstgefällig und abgehoben
Jaja, der gute Elon Musk mal wieder. Schon einmal habe ich ihm eine Kolumne gewidmet und damit sollte es auch genug sein. An ihm scheiden sich ohnehin die Gemüter. Für die einen ist er ein geniales Superhirn, für die anderen – zu denen ich mich zähle – ist er ein selbstverliebter Nimmersatt mit selbstkonstruierter Genie-Tarnkappe.
Reich ist er zweifellos, daran gibt‘s nichts zu rütteln, unverschämt reich sogar. Und was macht jemand, der alles hat und der gar nicht mehr weiss, wohin mit seinem vielen Geld? Er bietet zum Beispiel für Twitter 44 Milliarden US-Dollar und verwickelt sich dann und den Konzern in eine schmutzige Schlammschlacht mit ungewissem Ausgang. Allein die Twitter-Übernahme wäre schon eine Story wert, die Motive Musks dafür würden gar ein Buch füllen, doch der «gute» Elon ist für mich heute nur der Einstieg, um mich mit einer Spezies zu beschäftigen, die sich in viele Untergattungen aufteilen lässt. Gemeinsam haben sie neben (unverschämten) Reichtum oft Selbstgefälligkeit, Abgehobenheit, nicht selten Gier und einen notorischen Hang zur Selbstüberschätzung. Hinzu kommt bei nicht wenigen – wie eben auch bei Elon Musk – eine Art Sendungsbewusstsein. Die einen wollen uns ewiges Leben schenken, andere unsere Umweltprobleme lösen, wieder andere der Dritten Welt nicht nur Brot und Wasser, sondern gleich gehobenen Wohlstand bescheren und einige verschlägt es gar in die Politik, wo sie dann ihren Exzessen freien Lauf lassen und nicht einmal davor zurückschrecken, eine Nation zu spalten. Altruismus oder Verzicht hingegen sind eher Antagonismen des Superreichtums. Mit wenigen Ausnahmen.
Martin Neff, Chefökonom RaiffeisenDie meisten Superreichen optimieren lieber Steuern, als der Allgemeinheit etwas zurückzugeben.
Marlene Engelhorn etwa ist eine davon. Ihr Name dürfte seit der Tagesschau vom vergangenen Dienstag auch hierzulande vielen bekannt sein. Marlene behauptet von sich, pures Glück im Geburtslotto erlebt zu haben. Sie wird wohl bald einmal einen mindestens zweistelligen Millionenbetrag erben, wenn nicht sogar mehr als eine Milliarde. Das Vermögen ihrer 94-jährigen Grossmutter Traudl Engelhorn-Vechiatto – deren Mann war ein Urenkel des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn – wird auf über vier Milliarden Franken geschätzt. Einen Teil davon wird Marlene erben. An einer Kundgebung von Jungsozialistinnen und Klimastreikenden am Rande des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos wiederholte sie ihre schon mehrfach kundgetane Absicht, einmal 90% ihres Erbes der Allgemeinheit zukommen zu lassen. Sie hat die Organisation taxmenow mitgegründet, «damit Vermögen gerecht verteilt werden durch Steuern». Ein interessantes Unterfangen, nur nicht gerade sehr ansteckend. Ralph Suikat, deutscher Multimillionär, meint zu seiner Steuerrechnung: «Oh, das ist schon wenig. Das war nicht immer so. Schaut man sich die Historie an, fällt auf, dass die Steuern, die Vermögende betreffen, sukzessive gesenkt wurden. Als ich zusammen mit meinem Geschäftspartner 1993 unser Unternehmen gegründet hatte, lag der Spitzensteuersatz bei 53 Prozent. Das war völlig okay und hat auch damals niemanden vom Gründen eines Unternehmens abgehalten.» Im weltweiten Netz finden sich allerdings nur wenige ähnlich lautende Zitate. Die meisten Superreichen optimieren lieber Steuern, als der Allgemeinheit etwas zurückzugeben. Meist stöhnen sie über zu hohe Steuerlasten oder streichen prominent ihren überdurchschnittlichen absoluten Beitrag ans Steuersubstrat heraus.
Reichtum steht traditionell mit dem Fiskus auf Kriegsfuss. Und dies jüngst offenbar ausgesprochen erfolgreich, wie Berechnungen des Investigativ-Portals ProPublica auf Basis gehackter US-Steuerdaten zeigen. «According to Forbes, those 25 (gemeint sind die mit reichsten Amerikaner) people saw their worth rise a collective $401 billion from 2014 to 2018. They paid a total of $13.6 billion in federal income taxes in those five years, the IRS data shows. That’s a staggering sum, but it amounts to a true tax rate of only 3.4%.» Mit anderen Worten: Der Einkommensteuersatz, den Multimilliardäre für fünf Jahre Einkommenszuwachs entrichteten, betrug lächerliche dreieinhalb Prozent oder aufs Jahr gerechnet 0.7%. Währenddessen lieferten Normalverdiener in den USA dem Staat im Jahre 2021 zwischen 22% und 37% ihres Einkommens ab. Elon Musk, Jeff Bezos, Warren Buffett, Bill Gates, Larry Page, Sergey Brin, Larry Ellison, Steve Ballmer, Mark Zuckerberg und viele andere Milliardäre sind Meister im Steueroptimieren. Das ist zwar nichts Neues und lange kein amerikanisches Phänomen, aber dass ein Multimilliardär wie Jeff Bezos es sogar schafft, 4'000 Dollar Kinderbonus einzusacken, im Grunde eine Sozialleistung, ist schon der Gipfel. Und Resultat professioneller Steuerberater, die alle Tricks und Schliche kennen, ihren Klienten Steuern zu ersparen. Ich würde fast wetten, dass diese Berater mehr als der Fiskus abschöpfen.
Martin NeffReichtum steht traditionell mit dem Fiskus auf Kriegsfuss.
Die Bewunderung für die einstigen Freaks aus Silicon Valley, die längst zu den Reichsten der Welt gehören, und die Ehrfurcht vor den Superreichen der Welt allgemein weicht mehr und mehr Abscheu. Dazu tragen die Exponenten selbst zu einem gehörigen Teil bei. Denn Reichtum und Bescheidenheit waren mal. Heute liefern sich die Superreichen einen Wettbewerb von Prunk und Protz und vor allem die Tech-Milliardäre machen auf Weltverbesserer und füllen derweil weiter ihre Schatullen. Im jüngsten Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» ist von einem gierigen Geldadel die Rede, und auch wenn ich dem Spiegel ansonsten nicht sehr viel abgewinnen kann, las ich mit Entsetzen von den Eskapaden der Superreichen. Etwa von Jeff Bezos, der in einer Rotterdamer Werft eine dermassen grosse Jacht bauen lässt, dass diese erst auf hohe See kann, wenn die De-Hef-Brücke im Rotterdamer Hafen, deren Brückenpfeiler 1878 errichtet wurden, demontiert wird. Ansonsten passt die Riesenjacht Bezos’ nicht unter der Brücke durch. Demontage und Wiederaufbau der Brücke? Kein Problem für Bezos, das zahlt der aus der Portokasse. Der Inder Mukesh Ambani, gemäss Statista siebtreichster Mensch der Welt mit knapp 100 Milliarden Vermögen, verfügt in seiner Supervilla über eine sechsgeschossige Garage, die mit 168 Luxusautos bestückt ist. Oder der PayPal-Gründer Peter Thiel, der auf Esoterik macht, in Talkshows zu allem eine Meinung hat, zudem die Deutungshoheit für fast alles beansprucht und am liebsten sämtliche Steuern beerdigen würde. Dafür wollte er gar zusammen mit dem ehemaligen Google-Ingenieur Patrik Friedman extraterritoriale Plattformen in Form schwimmender Inseln mit eigenen Kryptowährungen gründen. Klar, dass das Offshore-Konstrukte wären, auf denen keine herkömmlichen Gesetze und schon gar keine Steuergesetze greifen würden. Thiel könnte man als rechtslibertär bezeichnen und Musk driftet auch in diese Richtung. Viele der libertären Silicon Valley-Superreichen würden am liebsten eine Welt schaffen, in der gar keine Regeln mehr gelten ausser den ihren. Ich habe schon vor Jahren von einer Art Neofeudalismus gesprochen. Inzwischen bin ich längst nicht mehr allein mit dieser Einschätzung. Heisst es nicht Hochmut kommt vor dem Fall? Die aktuelle Entwicklung an den Technologiebörsen geben Bezos, Musk und Kollegen wenigstens mal einen Vorgeschmack, was Fall heisst. Ihr Vermögen sinkt seit langem mal wieder und das nicht wenig. Gleichzeitig sind die Lebenshaltungskosten der braven Steuerzahler am Abheben. Entscheiden Sie selbst, wen es mehr schmerzt zurzeit ...