Unterschätzen Schweizer Unternehmensleitungen den Klimawandel?

Weniger als die Hälfte der Führungskräfte von Schweizer Unternehmen stuft den Klimawandel als eines ihrer drei wichtigsten Themen ein. Laut dem «2023 CxO Sustainability Report» von Deloitte sind Schweizer Unternehmensleitungen im globalen Vergleich allerdings pessimistischer eingestellt: Über ein Drittel rechnet langfristig mit weitreichenden Auswirkungen des Klimawandels und über ein Fünftel glaubt nicht, dass das Wirtschaftswachstum mit dem Erreichen der Klimaziele vereinbar sei.

Drei Viertel der Schweizer Unternehmen haben im letzten Jahr relevant mehr Ressourcen in Nachhaltigkeit investiert. Es ist jedoch unabdingbar, Klimaüberlegungen noch viel systematischer im gesamten unternehmerischen Handeln zu verankern. Im letzten Jahr sahen sich Unternehmen weltweit mit vielen Herausforderungen konfrontiert – darunter wirtschaftliche Unsicherheiten, geopolitische Konflikte, Unterbrüche in den Lieferketten sowie Fachkräftemangel. Das Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte hat 2022 über 2’000 Geschäftsleitungsmitglieder (CxOs) in 24 Ländern inklusive der Schweiz zu ihren Einschätzungen in Bezug auf den Klimawandel und zu den Reaktionen ihrer Unternehmen auf dieses Phänomen befragt.

Die Besorgnis der Führungskräfte über den Klimawandel und der teils konstatierte Fatalismus sind für mich ein Weckruf.

Reto Savoia, CEO von Deloitte Schweiz

In der Schweiz rangiert der Klimawandel auf Platz drei der Herausforderungen: 40% der Befragten nannten ihn als eine der drei wichtigsten Prioritäten innert Jahresfrist, verglichen mit 42% der global Befragten. Auf ihrer Prioritätenliste stuften Schweizer CxOs lediglich Lieferkettenprobleme (44%) und wirtschaftliche Unsicherheiten (44%) höher als den Klimawandel ein.

Investitionen für das Klima erhöht
Bei den Investitionsentscheidungen scheint der Klimawandel für Schweizer Unternehmen allerdings ein wichtiger Faktor zu sein: Insgesamt haben 75% der Unternehmen (gleich viel wie global) ihre Investitionen in Nachhaltigkeit erhöht. 28% (global 19%) geben gar an, ihre diesbezüglichen Investitionen seien signifikant (d. h. über 20%) angestiegen. Der Klimawandel hatte im vergangenen Jahr bei nahezu allen Befragten negative Auswirkungen auf das betreffende Unternehmen. Schweizer Unternehmen spüren die Ressourcenknappheit, die Kosten zur Eindämmung des Klimawandels, die Regulierung der Emissionen sowie den Druck vonseiten der Aktionäre und der Zivilgesellschaft stärker als der weltweite Schnitt. «Es klafft weiterhin eine grosse Lücke zwischen den Handlungen der Unternehmen und dem, was diese am Ende bewirken. Wenn es darum geht, Nachhaltigkeit in den Kern ihrer Strategie, ihrer Produkte und Dienstleistungen, ihrer betrieblichen Abläufe und ihrer Unternehmenskultur einzubetten, sind Schweizer Unternehmen noch zu langsam», kritisiert Liza Engel, Chief Sustainability Officer von Deloitte Schweiz. «In der Schweiz sind viele Führungskräfte skeptisch, ob die Gesellschaft die Klimakrise abwenden kann. Sie haben sich viel zu lange darauf konzentriert, das bestehende Geschäft nachhaltiger zu machen, anstatt Geschäftsmodelle komplett umzukrempeln, voll auf Nachhaltigkeit zu setzen und damit von den zurzeit noch grossen Chancen zu profitieren. Wem das gelingt, dem gehört die Zukunft.»

Wenn es darum geht, Nachhaltigkeit in ihrer Unternehmenskultur einzubetten, sind Schweizer Unternehmen noch zu langsam.

Liza Engel, Chief Sustainability Officer, Deloitte Schweiz

Führungskräfte bezweifeln Ernsthaftigkeit
Gefragt nach der Ernsthaftigkeit, mit welcher der private Sektor den Klimawandel adressiert, antworteten nur 12% der Schweizer Führungskräfte mit «sehr ernsthaft» – global waren es 29%. Und hierzulande schätzten nur 20% das Vorgehen der staatlichen Stellen als «sehr ernsthaft» ein – weltweit waren es 28%. Auch bei den Fragen, ob die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels verhindert werden können und ob Wirtschaftswachstum und Erreichung der Klimaziele vereinbar sind, fielen die zustimmenden Antworten aus der Schweiz signifikant tiefer aus als weltweit. Schweizer Unternehmen fühlen sich zwar von einer Vielzahl von Anspruchsgruppen unter Druck gesetzt, etwas gegen den Klimawandel zu tun – doch die Werte fallen in allen Kategorien tiefer aus als global. Die von Schweizer Unternehmen als am einflussreichsten bezeichneten Anspruchsgruppen sind die Behörden, die Zivilgesellschaft und der eigene Verwaltungsrat. Von aktivistischen Mitarbeitenden oder von Banken nehmen Schweizer Führungskräfte viel weniger Druck wahr als die international Befragten. «Unternehmen sollten die Bedeutung des Finanzsektors für die Transition zur Erreichung der Netto-Null-Ziele nicht unterschätzen: Banken, Versicherungen und Vermögensverwalter müssen immer genauer auswei-sen, wie viele Treibhausgasemissionen mit ihren Finanzprodukten verbunden sind. Diese Verpflichtungen verstärken den Druck auf die Unternehmen der Realwirtschaft», erläutert Reto Savoia, CEO von Deloitte Schweiz. «Zudem sind die Unternehmen auch auf Kredite angewiesen und brauchen stringente Businesspläne, um die Transition zu stemmen.»

Misstrauen bekämpfen und Technologie einsetzen
Befragt nach den bereits getroffenen Massnahmen gaben Schweizer Unternehmen am häufigsten an, energieeffiziente Maschinen einzusetzen (63%), generell die Energieeffizienz zu erhöhen (59%), die Mitarbeitenden zum Thema Klimawandel zu schulen (53%) und Flugreisen zu reduzieren (53%). Liza Engel rät Unternehmen, gezielt in technologische Lösungen zu investieren: «Klimatechnologie aller Art wird in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Unternehmen müssen laufend evaluieren, in welche Technologien sie investieren und wie sie diese effektiv einsetzen. Je länger Unternehmen mit entsprechenden Investitionen zuwarten, umso teurer kommt es sie am Ende zu stehen.» Organisationen können auch gegen das weitverbreitete Misstrauen und den oft geäusserten Greenwashing-Verdacht etwas tun. «Unternehmen müssen sicherstellen, dass zu den ergriffenen Massnahmen relevante und zuverlässige Daten veröffentlicht werden – und dass sie bezüglich regulatorischer Anforderungen immer auf dem neuesten Stand sind. Auch die öffentliche Unterstützung von politischen Massnahmen gegen den Klimawandel und Durchsetzungsmechanismen gegen Greenwashing und Betrug schafft Vertrauen bei der Kundschaft und in der Öffentlichkeit», erläutert Liza Engel. Weiter empfiehlt sie, den Verwaltungsrat einzubeziehen und sicherzustellen, dass dessen Mitglieder das nötige Fachwissen erwerben. Zudem rät Engel den Führungskräften: «Beeinflussen und befähigen Sie alle Ihre internen und externen Stakeholder. Dazu gehören nicht zuletzt auch die Zulieferer.»

Besorgnis und Fatalismus als Weckruf
«Die Besorgnis der Führungskräfte über den Klimawandel und der teils konstatierte Fatalismus sind für mich ein Weckruf. Wir müssen den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen und Nachhaltigkeitsüberlegungen in sämtliche Unternehmensentscheide auf allen Ebenen einbeziehen. Ich bin überzeugt, dass der Schweizer Privatsektor über das notwendige Wissen sowie die technischen und finanziellen Möglichkeiten verfügt. Dank unserer starken und innovationsfähigen Wirtschaft, den hervorragenden Schweizer Bildungs- und Forschungsinstitutionen und der internationalen Vernetzung sind wir hierfür bestens aufgestellt», sagt Reto Savoia.

Der detaillierte «2023 CxO Sustainability Report» von Deloitte findet sich hier (globaler Report), bzw. hier (Schweizer Report).

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