Schweizer kaufen trotz weltweit nachlassender Dynamik mehr E-Fahrzeuge

Die E-Mobilität setzt ihren Wachstumskurs fort und hat 2023 wichtige Wegmarken geknackt, gegen Jahresende allerdings weltweit sowie in der Schweiz leicht an Dynamik eingebüsst. Insgesamt wuchsen die BEV-Absätze in der Schweiz 2023 dennoch schneller als im Vorjahr. Das zeigt der «Electric Vehicle Sales Review» von PwC Autofacts und Strategy&, der Strategieberatung von PwC, in dem die Neuzulassungszahlen in weltweit 20 ausgewählten Märkten ausgewertet werden.

In China wurden 2023 demnach erstmals innerhalb eines Quartals mehr als 2 Millionen rein elektrische Fahrzeuge (Battery Electric Vehicle, BEV) verkauft. In den USA kletterten die BEV-Absatzzahlen auf über 1 Million für das Gesamtjahr. Trotz dieser Rekorde schwächte sich das Wachstum insgesamt leicht ab. So legte der weltweite BEV-Absatz 2023 um 28% zu, 2022 waren die Verkäufe jedoch noch um 60% gestiegen. Im vierten Quartal lag das BEV-Wachstum bei 21% im Vergleich zum gleichen Quartal des Vorjahres, im dritten Quartal waren es noch 53%. Auf Jahressicht übertraf die Schweiz allerdings mit 31% BEV-Wachstum sowohl das eigene Vorjahresergebnis (26%) als auch den diesjährigen EU-Schnitt. Die bisherigen Nachzügler Italien und Spanien legten mit Zuwachsraten von 35% und 66% ebenfalls deutlich zu. Mit Abstand wichtigster Markt für BEVs innerhalb der europäischen Top-5-Märkte (Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Grossbritannien) bleibt dennoch Deutschland, mit 42% der europäischen Top-5-BEV-Absätze.

Gebrauchte BEVs sind häufig nicht nur deutlich günstiger, sondern angesichts der bisweilen langen Lieferzeiten auch viel schneller verfügbar als Verbrenner. Für das Sorgenkind Batterie, das viele vom Kauf eines gebrauchten BEV abhält, geben inzwischen fast alle Hersteller eine achtjährige Garantie.

Thilo Bühnen, Automobilexperte bei Strategy& Schweiz

Deutsche Autobauer machen Boden gut
«Für die europäischen Autobauer war 2023 in vielerlei Hinsicht ein Entscheidungsjahr. Sie merken immer stärker, dass der E-Auto-Markt endgültig im Mainstream angekommen ist – Preiskampf und Streichungen staatlicher Subventionen inklusive», sagt Thilo Bühnen, Automobilexperte bei Strategy& Schweiz. «Obwohl 2024 von geopolitischen Unsicherheiten wie etwa der Wahl in den USA geprägt sein wird, rechnen wir insgesamt mit neuer Dynamik am Markt. Gerade das abrupte Ende der Förderung in Deutschland setzt die hiesigen Hersteller allerdings erst einmal unter Druck, zumal chinesische Hersteller mit innovativen und günstigen Modellen nach Europa drängen. Für die deutschen Original Equipment Manufacturer (OEMs) ist es deswegen entscheidend, ihre Produktpalette zu erweitern und vor allem im Bereich 20‘000 bis 30‘000 Euro konkurrenzfähige Modelle anzubieten.»

Gebrauchtwagenmarkt für BEVs gewinnt an Relevanz
Aus Sicht potenzieller Käufer lohnt sich inzwischen auch ein Blick auf den neu entstehenden BEV-Gebrauchtwagenmarkt. Dort werden laut Strategy&-Analyse zurzeit BEVs in der Schweiz drei Jahre nach Erstkauf im Schnitt 10% günstiger angeboten als vergleichbare Modelle mit Verbrennungsmotor. Der Preisvorteil ist dabei bei günstigeren BEVs mit einem Anschaffungspreis unter 55‘000 Euro mit knapp 12% fast doppelt so hoch wie bei Premiummodellen mit Neupreisen ab 70‘000 Euro. Da allein in Deutschland inzwischen 1,2 Millionen BEVs auf der Strasse sind, steigt automatisch auch das Angebot gebrauchter BEVs. Gleichzeitig beziehen Kunden gebrauchte BEVs immer häufiger in ihre Kaufentscheidung ein. Laut der «eReadiness Studie 2023» von Strategy& können sich weltweit 60% aller Kunden vorstellen, ein gebrauchtes E-Auto zu kaufen, in Europa sind es sogar 71%. «Gebrauchte BEVs sind häufig nicht nur deutlich günstiger, sondern angesichts der bisweilen langen Lieferzeiten auch viel schneller verfügbar als Verbrenner. Für das Sorgenkind Batterie, das viele vom Kauf eines gebrauchten BEV abhält, geben inzwischen fast alle Hersteller eine achtjährige Garantie», sagt Thilo Bühnen. «Für die kommenden Jahre erwarten wir daher starkes Wachstum im Gebrauchtwagenmarkt. Das schafft einerseits grosses Potenzial für neue Geschäftsmodelle wie etwa die Wertbestimmung der gebrauchten Batterie, verleiht aber auch dem Thema Recycling enormen Schwung. Wenn jetzt ausreichend und an den richtigen Stellen investiert wird, kann Europa in der Batteriezellenproduktion bereits 2035 ein knappes Drittel seines Bedarfs an Lithium, Nickel und Kobalt mit recyceltem Material decken, bis 2040 sogar mehr als zwei Drittel. Das stärkt nicht nur die wirtschaftliche Souveränität, sondern lohnt sich auch für die beteiligten Unternehmen, die mit dem Recycling von Akkus in Europa bereits vor 2035 ein rentables und nachhaltiges Geschäft machen möchten.»

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