Schweizerinnen und Schweizer erben erst ab 60

Die überwiegende Mehrheit der Schweizer Bevölkerung erbt erst, wenn sie selbst schon im Pensionsalter ist – und das Geld vielfach gar nicht mehr dringend benötigt. Ändern könnten das Erbvorbezüge, doch aktuell nutzt nur eine von sieben Personen diese Möglichkeit. Viele Familien vermeiden es gänzlich, über Erbschaftsthemen zu sprechen. Das und mehr zeigt die AXA-Vorsorgestudie 2023.

88 Milliarden Franken betrug das gesamte Erbschaftsvolumen aufgrund von Todesfällen gemäss Schätzungen letztes Jahr in der Schweiz. Eine stattliche Summe: Würde diese an alle 8,8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner gleichmässig ausgeschüttet, bekäme jede Person 10'000 Franken.

Über ein Drittel aller Familien hat das Thema Erbschaft noch gar nie thematisiert, ein weiteres Viertel lediglich am Rande.

Kume Hasani-Ferati, Leiterin Vorsorge & Vermögen, AXA Schweiz

Doch das Erbvolumen ist in der Schweiz sehr ungleich verteilt, unter anderem bezüglich Alter der Nachlassempfänger. Steigender Lebenserwartung sei Dank erben die meisten nämlich erst dann, wenn sie selbst bereits das Pensionsalter erreicht haben, wie aus der Vorsorgestudie der AXA hervorgeht. Nur etwa eine von 10 in der Schweiz wohnhaften Personen unter 60 Jahren hat bereits aufgrund eines Todesfalls geerbt.

Ältere Bevölkerung häufig finanziell gut gestellt
Doch finanzintensive Vorhaben stehen häufig früher im Leben an: «Viele grössere Ausgaben wie ein Hauskauf, eine Weiterbildung oder die Kosten für Kinder fallen im jungen oder mittleren Alter an, wo häufig noch nicht viel Erspartes da ist. Je nachdem muss das Vorhaben um einige Jahre vertagt werden», sagt Kume Hasani-Ferati, Leiterin der Verkaufsregion Zürich Vorsorge & Vermögen bei der AXA Schweiz. Viele Ältere hingegen sind finanziell gut gestellt. «Ab etwa 55 Jahren kumuliert sich Vermögen, denn die meisten Schulden sind getilgt, die eigenen Ausgaben gehen zurück und gleichzeitig kommen womöglich Erbschaften oder Pensionskassengelder dazu», so die AXA-Vorsorgeexpertin. Die Daten der AXA-Vorsorgestudie zeigen den Vermögensanstieg im Laufe des Lebens exemplarisch: Während knapp 14% der Personen unter 30 Jahren ein Vermögen über 250'000 Franken haben, sind es bei den 60 bis 65-Jährigen rund 48 Prozent.

Tabuthemen Tod und Finanzen
In vielen Fällen könnte deshalb ein früher Erbvorbezug oder eine Schenkung an die jüngere Generation sinnvoll sein. Dies passiert gemäss AXA-Vorsorgestudie aktuell noch nicht so oft, wie es möglich wäre: Nur eine von sieben befragten Personen (15%) gibt an, schon einmal einen Erbvorbezug erhalten zu haben. «Das dürfte unter anderem daran liegen, dass über das Thema noch immer zu wenig gesprochen wird», vermutet AXA Vorsorgeexpertin Kume Hasani-Ferati. Die AXA-Vorsorgestudie bestätigt das: Über ein Drittel aller Familien hat das Thema Erbschaft noch gar nie thematisiert, ein weiteres Viertel lediglich am Rande. Sei es, weil das Thema noch nicht aktuell scheint, weil die Befragten der Meinung sind, dass die Eltern das Thema ansprechen müssten, weil so oder so wenig Geld da ist – oder weil es schlicht unangenehm ist, über den Tod von Nahestehenden zu sprechen.

Offenes Gespräch kann Streitigkeiten vermeiden
«Es treffen zwei Tabuthemen aufeinander: Geld und Tod. Wenn innerhalb der Familie nicht über das Erben und über die finanzielle Situation der Eltern gesprochen wird, erschwert das allerdings mögliche Lösungsansätze für Finanzierungsvorhaben der jüngeren Generation», gibt Vorsorgeexpertin Kume Hasani-Ferati zu bedenken. Sie empfiehlt deshalb, frühzeitig und offen das Gespräch zu suchen – der Impuls dürfe dabei durchaus von den Jüngeren ausgehen – gerade, wenn für sie finanziell aufwändige Vorhaben anstünden. «Es gibt viele gute Gründe, um offen über Erbschaftsthemen und die finanzielle Situation in der Familie zu sprechen. Einerseits können Eltern ihre Wünsche für die Zeit nach ihrem Tod klarmachen, was einige Unsicherheiten oder sogar Streitigkeiten innerhalb der Familie vermeiden kann. Und andererseits kann über eine frühzeitige Umverteilung des Vermögens zwischen den Generationen gesprochen werden – damit ein allfälliger Geldsegen für die Kinder nicht erst dann kommt, wenn sie ihn nicht mehr dringend brauchen. Für die konkrete Planung lohnt es sich dann, einen Finanzplanungs-Profi beizuziehen», resümiert Kume Hasani-Ferati.

Die aktuelle «Axa-Vorsorgestudie 2023» findet sich hier.

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