Dilemma

Die Corona-Pandemie hat zu Mindereinnahmen und Mehrausgaben in den Staatskassen geführt. In vielen Ländern – so auch in der Schweiz – wurden Covid-19-Zahlungen ausgelöst, mit denen Unternehmen und Haushalte direkt unterstützt wurden. Es wurden grossangelegte Ausgaben-programme initiiert, mit klangvollen Namen wie «American Rescue Plan», «Build Back Better Plan» oder «Next Generation EU». Das hat tiefe Spuren in den Staatshaushalten hinterlassen.

Auf 6.7% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) war 2020 das Defizit der 27 EU-Staaten gestiegen, so hoch wie nie, seit aggregierte Zahlen verfügbar sind (1997). In den USA lag das Defizit 2020 sogar bei 15%, auch das ein Höchstwert. Das hatte auch Folgen für die Staatsverschuldung, die überall deutlich angestiegen ist. 2021 und 2022 hat sich die Situation auf immer noch hohem Niveau etwas verbessert. Das hat allerdings nichts mit Sparanstrengungen zu tun – die Staatsausgaben sind weiter gestiegen. Vielmehr hat die hohe Inflation das nominelle BIP aufgebläht und damit die relative Last von Defizit und Verschuldung reduziert. Dennoch wendete beispielsweise Italien – diesbezüglich Europas Schlusslicht – im letzten Jahr bereits wieder 4.4% des BIP für Zinszahlungen auf. Und dieser Wert wird steigen – dazu gleich mehr. Es war richtig und wichtig, dass die Regierungen bei der Corona-Krise rasch unterstützend eingegriffen haben. Über das Ausmass kann man allerdings streiten, es war kaum zu wenig. Die Folgen werden noch viele Jahre sichtbar sein. Und sie stellen auch die Notenbanken vor eine Herausforderung.

Es war richtig und wichtig, dass die Regierungen bei der Corona-Krise rasch unterstützend eingegriffen haben. Über das Ausmass kann man allerdings streiten, es war kaum zu wenig.

Thomas Heller, Chief Investment Officer, Belvédère Asset Management

Was bedeutet die höhere Verschuldung vor dem Hintergrund gestiegener Zinsen? Länder mit einem grossen Anteil bald fälliger Anleihen mit tiefen Coupons sind stärker betroffen. Sie müssen zu höheren Zinsen Geld aufnehmen. Dazu gehören etwa die USA und Italien. Beide Länder müssen in den nächsten zwei Jahren rund ein Drittel ihrer ausstehenden Anleihen refinanzieren. Zieht man als Referenz die aktuelle Rendite 10-jähriger Staatspapiere heran, so muss der italienische Staat rund doppelt so viel bezahlen wie bisher, der amerikanische das Anderthalbfache! Um einiges besser steht diesbezüglich Deutschland da. Nur 16% der ausstehenden Anleihen laufen bis 2025 aus und diese könnten derzeit mit einem gering fügigen Aufschlag refinanziert werden. Schon fast beneidenswert ist die Lage der Schweiz. Auf Basis des heutigen Zinsniveaus könnte die Eidgenossenschaft sogar zu tieferen Konditionen Geld aufnehmen, als dies bei den bis 2025 auslaufenden Anleihen der Fall war.

Schon fast beneidenswert ist die Lage der Schweiz. Auf Basis des heutigen Zinsniveaus könnte die Eidgenossenschaft sogar zu tieferen Konditionen Geld aufnehmen, als dies bei den bis 2025 auslaufenden Anleihen der Fall war.

Thomas Heller

Und was heisst das für die Notenbanken? Es wirken zwei Kräfte auf die Zinsen. Einerseits verursacht die erhöhte Kapitalnachfrage einen Aufwärtsdruck auf die langfristigen Zinsen. Zudem müssten die Leitzinsen angesichts der hohen Inflation hoch bleiben oder sogar noch weiter angehoben werden. Andererseits kann man sich (viel) höhere Zinsen gar nicht leisten, was den Spielraum für die Notenbanken einschränkt. Sie sind zwar in erster Linie der Preisstabilität verpflichtet. Dennoch kann ihnen die (verschlechterte) Verschuldungssituation mit Blick auf die Stabilität des Finanzsystems nicht gleichgültig sein. Ein Dilemma für die Währungshüter.

Hauptbildnachweis: Pixabay