Gesundheitssektor – mit KI auf dem Weg zu mehr Effizienz

Nehmen die Unsicherheiten in Wirtschaft und Finanzmärkten zu, richten Investoren ihren Blick gerne auf Unternehmen aus dem wenig konjunkturabhängigen Gesundheitssektor. Für Health-Care-Investments spricht vor allem die strukturell wachsende Nachfrage aufgrund des demografischen Wandels. Doch nach unserer Ansicht gibt es bei einigen Unternehmen noch einen weiteren spannenden Trend, der für künftig überdurchschnittliches Wachstum sorgen dürfte.

Der Gesundheitssektor bietet langfristig beste Wachstumsperspektiven. Die Bevölkerungsalterung vor allem in der industrialisierten Welt ist ein struktureller Nachfragetreiber für Health-Care-Unternehmen. In den entwickelten Ländern werden im Jahr 2025 rund 21 Prozent der Menschen älter als 65 Jahre sein. Bis 2050 wird dieser Anteil nach Prognose der Vereinten Nationen bereits auf rund 27 Prozent angewachsen sein. Mit höherem Alter steigt auch die Wahrscheinlichkeit von Erkrankungen. Während in der Altersgruppe der 35 bis 50-Jährigen nur gut ein Viertel der Menschen unter chronischen Erkrankungen leidet, sind es bei den Über-65-Jährigen mehr als 80 Prozent. Das bedeutet: Je älter wir werden, desto eher sind wir von Krankheiten betroffen und desto mehr müssen wir Produkte und Dienstleistungen aus dem Gesundheitssektor in Anspruch nehmen. Dieses strukturelle Wachstum auf der Nachfrageseite sollte es dem Sektor erlauben, auch künftig überdurchschnittlich stark zu wachsen. Allein aus diesem Grund erachten wir entsprechende Investments als langfristig attraktiv.

In den entwickelten Ländern werden im Jahr 2025 rund 21 Prozent der Menschen älter als 65 Jahre sein. Bis 2050 wird dieser Anteil nach Prognose der Vereinten Nationen bereits auf rund 27 Prozent angewachsen sein.

Kay Eichhorn-Schott, Portfoliomanager, Berenberg

Beim Health-Care-Sektor gibt es unserer Ansicht nach aber noch einen zweiten Aspekt, der in der Diskussion um die Attraktivität der Branche häufig vernachlässigt wird. Seit der Pandemie gibt es signifikante Personalengpässe in den Kliniken. Und häufig hat sich die Situation bis heute nicht verbessert, wie beispielsweise Daten aus den USA zeigen. Dort erholen sich die Beschäftigtenzahlen an den Krankenhäusern zwar, aber sie liegen immer noch zwei Prozent unter dem Niveau, das bei einem normalen Beschäftigungswachstum zu erwarten gewesen wäre. Deshalb finden wir Unternehmen interessant, die einerseits von dem breiten strukturellen Nachfragetrend profitieren und andererseits dabei helfen können, durch Digitalisierung und effizientere Verfahren das Problem der Personalknappheit zu entschärfen.

Paradebeispiel für ein solches Unternehmen ist Siemens Healthineers, Weltmarktführer in der bildgebenden Diagnostik (MRT, CT, Röntgen, Ultraschall). Der Dax-Konzern investiert jedes Jahr 1,5 bis zwei Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Davon fliessen allein 50 Prozent in die Software-Entwicklung. Dabei wird Künstliche Intelligenz (KI) immer wichtiger. Sie soll helfen, den Mangel an medizinischem Fachpersonal zumindest zu einem Teil aufzufangen. Nach Einschätzung des Unternehmens fehlen allein in den USA rund 15‘000 Radiologen. Siemens Healthineers arbeitet daran, Bildgebung und Diagnostik mithilfe von KI zu beschleunigen. Geräte mit entsprechender Software können:

  • schneller Bilder erzeugen. Das bedeutet: Es fallen weniger Personalstunden an, oder das vorhandene Personal kann mehr Patienten versorgen
  • den Radiologen bei der Diagnose unterstützen, indem sie Bilder entsprechend aufbereiten. Das kann sowohl die Qualität der Diagnose verbessern als auch deren Geschwindigkeit
  • Hinweise auf Auffälligkeiten beim Patienten geben, nach denen Ärztin oder Arzt nicht primär suchen, zum Beispiel im Fall eines unentdeckten Tumors

Die Besonderheit an Siemens Healthineers ist die starke Marktposition. Auf Basis zum Beispiel von Forschungsprojekten mit Universitäten verfügt das Unternehmen über eine Vielzahl an anonymisierten Bildern mit den dazugehörigen Diagnosen. Damit kann das Unternehmen die KI-Software trainieren, was in der Folge die künftigen Ergebnisse verbessert und die Effizienz erhöht. So kann das Unternehmen weiter seine starke Marktstellung ausbauen, was es für uns als Investor noch interessanter macht.

Die Effizienz im Gesundheitswesen zu steigern, das strebt auch das noch relativ kleine, an der US-Technologiebörse Nasdaq notierte Unternehmen Certara an. Es weist eine Marktkapitalisierung von derzeit rund 3,5 Miliarden US-Dollar auf und ist in Deutschland noch relativ unbekannt. Certara bietet Biosimulations-Software für Pharmafirmen an. Diese basiert auf klinischen Daten der Vergangenheit und auf mathematischen Modellen und soll Antworten auf die Frage liefern, wie sich Arzneimittel im Körper verhalten bzw. wie der menschliche Körper auf Arzneimittel einwirkt.

Certara-Software wird von grossen Pharmaunternehmen eingesetzt, um klinische Studien besser vorzubereiten. Bisher ist es so, dass nur knapp zehn Prozent aller klinischen Studien am Ende auch erfolgreich sind und zur Zulassung eines Medikaments führen. Mithilfe der Biosimulations-Software kann die Dosierung von Medikamenten für klinische Studien optimiert und deren Erfolgswahrscheinlichkeit erhöht werden. Eine Verbesserung der Effizienz kann hier zu deutlichen Kosteneinsparungen und Produktivitätsgewinnen führen. Davon profitieren am Ende auch die Investoren.

Siemens Healthineers und Certara sind nur zwei Beispiele für die spannenden Perspektiven, die der Gesundheitssektor aktuell bietet. Es sollte sich lohnen, entsprechende Unternehmen nicht nur durch die Brille defensive Investments und demografischer Wandel zu betrachten.