Time to buy – Maserati GranTurismo MC Stradale
Maserati ist eine Marke mit komplizierter Geschichte und einem etwas diffusem Ruf. Seit rund zwei Jahrzehnten gilt der kleine Bruder von Ferrari zwar als luxuriös, aber eben auch als technisch diffizil. Massive Wertverluste sind leider die Regel.
Wer einen Maserati kauft, muss mit einer gehörigen Portion Italianità gesegnet sein und einige Defizite im Lichte formvollendeter Schönheit gelassen akzeptieren. Nicht anders verhält es sich bei Hardcore-Variante des GranTurismo, dem MC Stradale. Das Kürzel MC steht für «Maserati Corse», das heisst für Rennfahrzeug. Und mit dem weiteren Zusatz «Stradale» werden die für öffentliche Strassen abgeleiteten Versionen bezeichnet. Mit dem Stradale wollten die Autobauer aus Modena der betuchten Kundschaft mit Hang zu gelegentlichen Rennstreckenbesuchen eine Alternative zum durch seine Perfektion etwas kühl-langweiligen Porsche GT3 bieten.
Ein sportliches Schwergewicht
Zwischen 2011 und 2017 gefertigt, basiert der Stradale auf dem GranTurismo S und teilt mit diesem den zusammen mit Ferrari entwickelten 4.7-Liter-V8 mit 450 PS bzw. 460 PS ab 2013. Ein toller Motor, gepaart mit einem etwas problematischen, automatisierten Schaltgetriebe. Ein Konzept, das damals zwar verbreitet war – auch BMW, Ferrari und Lamborghini setzten darauf – aber letztlich keine Zukunft hatte. Der Grund dafür ist offensichtlich. Gerade bei tiefen Geschwindigkeiten bzw. im Alltagsbetrieb funktionieren diese Getriebe einfach nicht richtig.

Angepasst wurden beim Stradale zudem das Blechkleid bzw. die Aerodynamik, er erhielt serienmässig Karbon-Keramik-Bremsen und zu guter Letzt wurde auch der Innenraum mit viel Alcantara und Carbon aufgewertet. Ein Highlight sind dabei sicherlich die nicht nur optisch attraktiven, sondern wirklich hervorragenden Schalensitze – optional gar mit 4-Punkte-Gurten. Trotzdem nicht wirklich verheimlichen kann der Stradale aber, dass seine Basis ein Luxus-Coupé ist.
Virgil AndersenDer Maserati GranTurismo MC Stradale bietet viel Licht, aber auch viel Schatten. Und die Unterhaltskosten sind beträchtlich.
Das hohe Leergewicht von rund 1'800 Kg passt dann doch nicht wirklich zu den Rennstreckenambitionen. Und ein Wertmutstropfen ist auch das bereits vor 10 Jahren vollkommen überholte Bedienkonzept mit vielen kleinen Knöpfen und das wirklich komplett unbrauchbare Navigationssystem.
Akustische V8-Ekstase
Gleich vorweggesagt, trotz einer Beschleunigung auf 100 Km/h von lediglich 4.5 Sekunden und hervorragender Bremsleistung bietet der Stradale fahrdynamisch mehr Schein als Sein. Und das, obwohl Maserati den betuchten Käufern damals sogar ein farblich abgestimmtes Sortiment an Rennanzug, Rennhandschuhen und Helm anbot.

Das Fahrzeug kann zwar durchaus auf der Rennstrecke bewegt werden, Fahrwerk und Lenkung bieten aber insbesondere bei höheren Geschwindigkeiten relativ wenig Präzision und Direktheit. Wer den «Race»-Knopf in der Mittelkonsole drückt findet also nicht unbedingt fahrdynamische Erfüllung. Ab rund 4'000 Touren beginnt dafür eine akustische V8-Ekstase, die ihresgleichen sucht. Die ständig geöffneten Klappen der Abgasanlage und das automatisierte Zwischengas bei verkürzten Schaltzeiten sorgen für ein Konzert, das einem Tränen der Freude in die Augen treibt.

Apropos Auspuffklappen: Diese sind beim Anlassen des Stradale ebenfalls kurz geöffnet, damit auch die Nachbaren etwas am akustischen Genuss teilhaben können.
Eine italienische Diva
Ursprünglich zu Preisen um rund 240'000 Franken beim Maserati-Händler, sind gute Exemplare in der Schweiz und Deutschland heute bereits ab rund 80'000 Franken zu erwerben. Zugegeben, der Stradale ist nicht das klassische Sammlerstück. Er bietet viel Licht, aber auch viel Schatten. Und die Unterhaltskosten sind beträchtlich. Der Stradale ist kein Hardcore-Renner für die Strecke, aber auch kein Luxus-Coupé für den Wochenendausflug. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes eine italienische Diva. Eine starke Stimme, elegant, mit exzentrischen Allüren, charismatisch. Der Stradale beweist damit, dass Brillianz nicht in der Perfektion liegt. Damit ist er auf seine Weise einzigartig.