Roland Staub: «KI wird keine Menschen ersetzen.»

Der weltweite Markt für künstliche Intelligenz wird auf etwa 120 Milliarden US-Dollar geschätzt – eine Zahl, von der einige Forschungsinstitute erwarten, dass sie sich bis 2030 um ein Vielfaches auf 1,6 Billionen US-Dollar erhöhen könnte, vorausgesetzt die Technologie entwickelt sich weiter. Wir haben bei Roland Staub, CEO von Confinale, nachgefragt, wie KI im Private Banking eingesetzt werden kann und welcher Mehrwert – wenn überhaupt – für die Kunden damit verbunden ist.

Roland Staub, damit unsere Leser ihre Expertise richtig einordnen können: sind Sie ein Informatiker oder ein Banker?

Roland Staub: Während meinem Studium habe ich zum Geldverdienen Studentenjobs als Software-Entwickler angenommen. Nach dem Studienabschluss bin ich bei einer Grossbank im Corporate Finance gestartet und habe dort die Bilanz- und Unternehmens-Analyse sowie die Fremdfinanzierung von grösseren Unternehmen kennengelernt.

Die KI-Revolution verspricht in nahezu allen Wirtschaftszweigen ein Game Changer zu werden. Trifft das auch auf die Finanzindustrie zu? Und wenn ja, in welchen Bereichen?

Ja, die KI-Revolution hat definitiv das Potenzial, die Finanzindustrie grundlegend zu verändern und als Game Changer zu wirken. In der Tat hat KI bereits begonnen, die Art und Weise, wie Finanzinstitutionen arbeiten, zu transformieren. Dies zeigt sich zum Beispiel in der steigenden Automatisierung von Prozessen, wo mittels KI repetitive Aufgaben wie Datenverarbeitung oder Kontenabstimmung automatisiert werden können. KI spielt auch bei der Portfolio- oder Vermögensverwaltung eine immer wichtigere Rolle, beispielsweise bei der Optimierung von Anlageportfolios. KI kann hier historische Daten, Markttrends und persönliche Ziele des Anlegers berücksichtigen, um bessere Anlageentscheidungen zu treffen.

Insbesondere im Wealth Management und im Rahmen von komplexen Beratungen wird KI als Unterstützung des Kundenberater eingesetzt – aber keinen Menschen ersetzten.

Roland Staub, CEO, Confinale AG

Ist mit der zunehmenden Automatisierung von Prozessen im Bankkundengeschäft, die sich mittels KI noch einmal deutlich akzentuieren dürfte, nicht auch ein Verlust der Beratungsqualität verbunden? Bleibt der persönliche und individuelle Ansatz, den Banken ihren Kunden versprechen, dadurch nicht auf der Strecke?

Das ist eine wichtige Frage und ein Punkt, der in der Finanzindustrie oft diskutiert wird. Die zunehmende Automatisierung von Prozessen mittels KI kann tatsächlich zu einer gewissen Spannung zwischen Effizienzsteigerung und der Aufrechterhaltung einer persönlichen Beratungsqualität führen. Insbesondere im Wealth Management und im Rahmen von komplexen Beratungen wird KI als Unterstützung des Kundenberater eingesetzt – aber keinen Menschen ersetzten. Das Bankgeschäft ist ein «People-Business», hat sehr viel mit Vertrauen und Sicherheit zu tun und das wird sich auch nicht so schnell ändern. Folglich wird zukünftig ein hybrider Beratungsansatz mit unterschiedlichen Ausprägungen abhängig vom Kundengeschäft die Regel sein.

Ist KI im Bankkundengeschäft ein Job Killer?

Kurz und mittelfristig definitiv nicht. KI wird keine Menschen ersetzen, sondern erlauben, mit den bestehenden Ressourcen mehr Kunden aktiver und gezielter zu betreuen. Zusätzlich werden mehr Personen in den Bereichen Data Science, Business Analyse und System Entwicklung benötigt. Und nebenbei bemerkt: Die Einführung des Internet war auch kein Job-Killer, obwohl heute Kunden mehr oder weniger alles selbständig online machen können.

Wo sehen Sie die operativen Risiken, die mit dem zunehmenden Einsatz von KI – gerade auch für Banken – verbunden sind?

Beispielsweise bei der Datenqualität. KI-Systeme basieren auf Daten, und wenn diese Daten fehlerhaft, unvollständig oder verzerrt sind, können Ergebnisse und Entscheidungen der KI-Modelle ebenfalls fehlerhaft sein. Sicherheitsrisiken können zum Beispiel entstehen, weil KI-Systeme anfällig für Cyberangriffe und Datenlecks sein können. Bei einem Hackerangriff könnten so KI-Modelle manipuliert oder gestört werden, um falsche Ergebnisse zu erzeugen oder vertrauliche Daten zu stehlen. Der Einsatz von KI in der Finanzindustrie unterliegt zudem regulatorischen Anforderungen und ethischen Bedenken. Wenn KI-Systeme Entscheidungen treffen, die nicht transparent oder nachvollziehbar sind, könnte dies zu rechtlichen Problemen und Reputationsverlust führen.

Letzte Frage: Wie lange wird es aus Ihrer Sicht dauern, bis sich KI-Anwendungen – nicht nur im Banking – in unserem Alltag tatsächlich durchsetzen können?

Das haben sie bereits. Ich zumindest nutze regelmässig ChatGTP. Aber auch Google, Netflix und wie sie alle heissen, nutzen heute schon sehr fortschrittliche KI-Systeme und beeinflussen unser tägliches Leben stark. Die Frage zeigt eben das Risiko der mangelnden Transparenz. KI ist schon lange in unserem Alltag angekommen, aber häufig ist es intransparent, insbesondere auch bezüglich der Datenherkunft und wie diese verwendet werden.