Was Banken und Versicherungen von Airbnb lernen können

Die Finanzindustrie hat ein Vertrauensproblem. Einerseits basieren die Geschäftsmodelle von Versicherungen und Banken ganz wesentlich auf dem Vertrauen ihrer Kunden. Sie funktionieren also umso besser, je mehr Vertrauen Kunden in die Versprechen der Finanzdienstleister haben. Andererseits schneiden in Marktstudien ausgerechnet Versicherungen und Banken in puncto Vertrauenswürdigkeit immer wieder besonders schlecht ab. Die Finanzindustrie braucht also besonders viel Vertrauen, geniesst aber derzeit besonders wenig davon.

Die gute Nachricht: Vertrauen kann aktiv entwickelt werden. Ein besonders anschauliches Beispiel dafür ist die Erfolgsgeschichte von Airbnb. Im Gästezimmer einer fremden Person zu übernachten – oder eine fremde Person bei sich zuhause übernachten zu lassen –, braucht besonders viel Vertrauen, weil dabei sehr viel schief gehen kann. Trotzdem hat Airbnb in den letzten 13 Jahren mehr als 500 Millionen Übernachtungen von Fremden bei Fremden ermöglicht. Das dafür notwendige Vertrauen zwischen Gastgebern und Gästen ist dabei nicht zufällig entstanden. Es ist das Ergebnis der systematischen Vertrauensarbeit des mittlerweile mit mehr als 100 Milliarden US-Dollar bewerteten Unternehmens, zu dessen Geschäftsführung wie selbstverständlich ein Chief Trust Officer gehört.

Das Buch «VertrauensArchitektur» von Wirtschaftspsychologe Eric Eller erscheint im Dezember 2021 im Vahlen Verlag. Bildnachweis: elaboratum

Die drei Voraussetzungen von Vertrauen: Wollen, Können und Einschätzen
Damit echtes Vertrauen zwischen Finanzdienstleistern und ihren Kunden entstehen kann, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Wollen, Können und Einschätzen.

  • Wollen: Unternehmen sind für Kunden nur dann vertrauenswürdig, wenn sie das Richtige wollen, wenn sie aus Sicht ihrer Kunden also gute Absichten haben. Diese Voraussetzung ist speziell bei Versicherungen und Banken häufig verletzt, weil Kunden entlang ihrer Customer Journeys immer wieder Interessenskonflikte erleben. Finanzdienstleister und ihre Kunden haben also häufig gegensätzliche Ziele. Beispielsweise fehlt der Versicherung im Schadenfall jeder an die Kunden bezahlte Franken im Jahresergebnis. Und die Hausbank profitiert von jedem Franken, mit dem sich ihre Kunden tiefer in den Dispokredit bewegen. Um Vertrauen zu entwickeln, sollten Finanzdienstleister deshalb die wahrgenommenen Interessenskonflikte mit ihren Kunden identifizieren, um diese dann gezielt aufzulösen. Auch durch die Schärfung gemeinsamer Ziele, etwa der Reduktion von CO2, lassen sich wahrgenommene Interessenskonflikte reduzieren.
  • Können. Um vertrauenswürdig zu sein, reichen gute Absichten alleine nicht aus. Zudem braucht es ganz bestimmte Fähigkeiten, um die guten Absichten auch wirksam umsetzen zu können. Unternehmen, die sich über ihr Kernangebot hinaus entwickeln, stellen dabei spätestens beim Launch der neuen Produkte oder Services fest: Ihre Kunden vertrauen ihnen keineswegs grundsätzlich in allen Bereichen gleichermassen, sondern sie vertrauen ihnen sehr differenziert. Dass der Hausbank die sichere Verwahrung des Giro- und Sparkontos zugetraut wird, bedeutet in den meisten Fällen also eben nicht, dass der Bank auch andere Fähigkeiten – etwa im Bereich der Wertpapieranlage – zugetraut werden. Um Vertrauen zu entwickeln, sollten sich Finanzdienstleister entsprechend nicht nur fragen, welche Fähigkeiten es für das heute notwendige Kundenvertrauen braucht – sondern zudem, welche Fähigkeiten für das zukünftig notwendige Kundenvertrauen wichtig sind. Diese Kompetenzen gilt es rechtzeitig aufzubauen und für Kunden erkennbar zu machen.
  • Einschätzen. Wenn Unternehmen für ihre Kunden das Richtige wollen und auch umsetzen können, sind sie grundsätzlich vertrauenswürdig. Damit auf dieser Basis Vertrauen entstehen kann, braucht es aber noch eine dritte Voraussetzung: Dass Kunden die Vertrauenswürdigkeit des Unternehmens sowie ihrer Produkte und Services möglichst gut einschätzen können. Dafür brauchen Kunden von Versicherungen und Banken allem voran eine hohe Informationsqualität – also Informationen, die verständlich, relevant und eindeutig sind. Fehlen solche Informationen, dann ziehen sich Kunden in der Regel zurück – brechen also beispielsweise ihre Suche nach einer Versicherung oder einem Bankkonto ab. Um Vertrauen zu entwickeln, sollten Finanzdienstleister entsprechend darauf hinarbeiten, die Informationsqualität in jeder Kundeninteraktion so zu verbessern, dass Kunden möglichst leicht zu einer Einschätzung kommen können. Das gilt insbesondere dann, wenn Kunden ihre Einschätzungen noch nicht auf eigene Erfahrung oder auf Reputation stützen können.
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