Die Kaufkraft meldet sich in der Schweiz zurück

Schweizer Unternehmen planen 2025 im Schnitt Lohnerhöhungen von 1,4 Prozent. Damit verlangsamt sich das Lohnwachstum zwar leicht. Aufgrund des zu erwartenden Inflationsrückgangs dürften die realen Löhne aber zum zweiten Mal stark zulegen und die seit 2022 erlittene Kaufkrafteinbusse fast vollständig kompensieren. Dies stützt den Konsum, wovon auch das Schweizer Wachstum 2025 profitiert.

In der jährlichen Lohnumfrage der UBS erwarten die 345 befragten Unternehmen einen nominalen Lohnanstieg von 1,4 Prozent für das Jahr 2025. Damit dürfte der Anstieg der Nominallöhne im kommenden Jahr stärker ausfallen als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre von knapp 1 Prozent.

Lohnanstieg breit abgestützt
Die höchsten Lohnabschlüsse von 2 Prozent verzeichnen Unternehmen aus der Informatik- und Telekombranche sowie dem Bereich Energie, Ver- und Entsorgung. Mit 1,7 Prozent dürfen auch Arbeitnehmende aus der chemisch-pharmazeutischen Industrie mit überdurchschnittlichen Lohnerhöhungen rechnen. Ein Grossteil der Industrie bleibt hingegen hinter dem Durchschnitt zurück. Schlusslichter sind die Medienbranche, der Bereich Materialien und Baustoffe sowie der Detailhandel mit einem Anstieg von 1 Prozent.

Mit den geplanten Reallohnsteigerungen dürfte der Kaufkraftverlust, den der Inflationsanstieg 2022 ausgelöst hatte, nächstes Jahr fast kompensiert sein.

Florian Germanier, UBS-Ökonom

Doch auch für Arbeitnehmende dieser Branchen dürften Reallohnsteigerungen resultieren. So übertreffen die geplanten Lohnabschlüsse in allen 22 Branchen die von den UBS-Ökonomen erwartete Inflation von 0,7 Prozent. Im Schnitt resultiert gar ein Reallohnanstieg von 0,7 Prozent. Damit dürfte die Kaufkraft zum zweiten Mal in Folge stark wachsen.

Kaufkraft fast auf dem Niveau von 2021
«Mit den geplanten Reallohnsteigerungen dürfte der Kaufkraftverlust, den der Inflationsanstieg 2022 ausgelöst hatte, nächstes Jahr fast kompensiert sein», erklärt Florian Germanier, Ökonom und Verantwortlicher der Umfrage. Allerdings sind die Krankenkassenprämien seit 2021 überdurchschnittlich gestiegen, was in der Inflation nicht mit abgebildet ist. «Viele Schweizer Haushalte dürften deshalb noch immer einen Kaufkraftrückgang spüren», so Germanier. Führte 2024 noch der starke Inflationsrückgang zu steigenden Reallöhnen, planen die Unternehmen nun zum ersten Mal seit 2021 Lohnerhöhungen, die ihre Inflationserwartungen übersteigen. Gemäss der Umfrage rechnet ein Grossteil der Betriebe 2025 mit einem moderaten Aufschwung der Schweizer Wirtschaft und sieht deshalb Spielraum für Reallohnsteigerungen.

Verbesserte Wirtschaftsaussichten
Dieses Bild deckt sich mit den Einschätzungen der UBS-Ökonomen. Die geplanten Reallohnsteigerungen stützen den Konsum im kommenden Jahr, wenn auch die steigenden Krankenkassenprämien und der moderate Anstieg der Arbeitslosigkeit das Potenzial begrenzen. Gleichzeitig dürften von den globalen Leitzinssenkungen mehr Impulse ausgehen. Die UBS prognostiziert ein um Sportevents bereinigtes BIP-Wachstum von 1,0 Prozent für das laufende Jahr und von 1,5 Prozent für 2025.

Kaum Inflationsdruck seitens der Löhne
Trotz der überdurchschnittlichen Lohnsteigerungen zeichnen sich laut der UBS-Studie keine Inflationsgefahren ab. «Aufgrund der sinkenden Strompreise und des erwarteten Rückgangs des Referenzzinses dürfte die Inflation 2025 weiter zurückgehen», erklärt Daniel Kalt, UBS Chefökonom Schweiz. Für 2025 erwartet er eine Inflation von 0,7 Prozent, nach 1,1 Prozent 2024. Vor dem Hintergrund der Leitzinssenkungen der wichtigen Zentralbanken sind die Inflationsrisiken in der Schweiz nach unten gerichtet. «Wertet der Franken stark auf, so könnte die Inflation sogar tiefer als erwünscht ausfallen», so Kalt. Um dies zu verhindern, erwartet er zwei weitere Zinssenkungen der SNB im Dezember 2024 und März 2025 um jeweils 25 Basispunkte und anschliessend einen unveränderten Leitzins von 0,5 Prozent.

«Labour Hoarding» trotz Arbeitskräftemangel wenig verbreitet
Gemäss der diesjährigen Umfrage hat der Arbeitskräftemangel nachgelassen, was unter anderem auf die tiefere Personalnachfrage zurückzuführen ist. Fast 60 Prozent der befragten Betriebe haben aber weiterhin Mühe, offene Stellen zu besetzen, und mittelfristig dürfte sich der Arbeitskräftemangel aufgrund des demografischen Wandels wieder verschärfen. Trotz dieser Aussichten verzichtet die Mehrheit der Unternehmen darauf, mehr Personal zu halten als nötig. Lediglich 27 Prozent der befragten Firmen betreiben «Labour Hoarding». Sie verzichten also auf konjunkturell notwendige Entlassungen oder stellen mehr Personal als notwendig ein. Die Mehrheit der befragten Unternehmen sieht entsprechend keinen Einfluss des Arbeitskräftemangels auf ihre Personalpolitik.

Auch für Lohnveränderungen ist der Arbeitskräftemangel nicht entscheidend. So erachten die befragten Unternehmen in erster Linie ihre finanzielle Situation als ausschlaggebend, gefolgt von persönlichen Faktoren der Arbeitnehmenden, wie beispielsweise Leistung oder Erfahrung. Dies gilt auch bei externen Neubesetzungen von Stellen. Den Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt sehen die Unternehmen nur als drittwichtigsten Faktor für Lohnerhöhungen.

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