Mehr Show als Substanz beim IPO von On

Die Sportschuhe der Schweizer Marke On zeichnet Design, starkes Wachstum und eine höchst professionelle Selbstvermarktung aus. Ob das für einen erfolgreichen Börsengang in New York reicht, ist die spannende Frage.

Meine erste Begegnung mit der Laufschuhmarke On und ihren Machern datiert vom Juni 2012. Die Schweizer waren damals im riesigen Sportmarkt noch ein Nobody. Doch das kümmerte meinen Gesprächspartner David Allemann, zusammen mit seinem Ex-Mc Kinsey Kollegen Caspar Coppetti und dem ehemaligen Profi-Triathleten Olivier Bernhard einer der Unternehmensgründer, nicht besonders. Mit gesunder Zuversicht vermittelte Allemann den Eindruck, On werde Laufschuhe zu einem gänzlich neuen Produkt machen. Eine der vielen Stories hierzu lag ebenfalls schon bereit. Hier lautete sie so. Bernhard war in den Jahren davor von Verletzungen geplagt. Als nichts half, machte er sich mit einem befreundeten Ingenieur an die Entwicklung eines neuen Schuhs. Das Ergebnis war On mit seinen typischen grossen Noppen und Hohlräumen an den Sohlen. Auf der aktuellen Homepage steht die Verletzungskomponente der Geschichte übrigens nicht mehr.

Immer wieder Qualitätsprobleme
Aufmerksamkeit und Sympathie sind wichtig für Konsumgüter. Im Fall der Schweizer Schuhrebellen waren es daneben die Auszeichnung als spektakulärste Neuerung auf der Sportartikelmesse Ispo 2010 sowie die Präsentation des ins Auge stechenden Designs im Museum für Gestaltung in Zürich. Die On-Macher versprachen ein «Laufen auf Wolken». Das setzt sich in den Köpfen sofort fest. Die Qualität der Schuhrevolution war für mich allerdings eine Enttäuschung. Bei meinen zwei Paar Schuhen aus den frühen Tagen rissen schon bald die Noppen. Ähnlich erging es einem ebenfalls laufbegeisterten Arbeitskollegen. Bis heute ist die Kritik an der Qualität der On-Renner nicht verstummt, in der jüngeren Vergangenheit griff auch das Schweizer Fernsehen das Thema auf. Im Zürcher «Tages-Anzeiger» wurde Coppetti im Juli hierzu mit den Worten zitiert, die Probleme seien gelöst. Es folgte das Zitat: «70 bis 80 Prozent der global verkauften Laufschuhe werden im Alltag getragen. Das ist nun einmal ein Fakt». Zugleich gilt das Schweizerkreuz als Werbeargument auf den im Ausland verkauften Modellen nur begrenzt. Die «Swissness» von On umfasst zwar wichtige Unternehmensteile wie Forschung und Marketing, nicht jedoch die Produktion der Wolkenläufer. Diese erfolgt vor allem im Billigland Vietnam.

Bis heute ist die Kritik an der Qualität der On-Renner nicht verstummt, in der jüngeren Vergangenheit griff auch das Schweizer Fernsehen das Thema auf.

Jürgen Dunsch

Auch die finanzielle Leistung des inzwischen internationalen Unternehmens lässt noch viel Raum nach oben. On lieferte 2011, dem ersten vollen Betriebsjahr, rund 50’000 Paar Schuhe aus. Geschätzter Händlerumsatz: 7 Millionen Franken. Innerhalb von neun Jahren, also 2020, wurden daraus 425 Millionen Franken Firmenumsatz – allerdings verbunden mit einem Verlust von 27,5 Millionen Franken. Nach der ersten Hälfte des laufenden Jahres stand unter dem Strich zwar ein Gewinn, die rund 4 Millionen Franken sind indes nicht gerade umwerfend. Laut Kotierungsantrag an die US-Börsenaufsicht strebt On bei 20 Dollar je Aktie Höchstpreis einen Börsenwert von stolzen 5,5 Milliarden Dollar an, wie die Konsortialbank Credit Suisse am späten Dienstagabend mitteilte. Als erster Handelstag an der Wall Street ist der 15. September geplant.

Forsche Zuversicht
Aber die Vermarktung und das Wecken von Emotionen und Gemeinschaftsgefühlen betreibt das Unternehmen gekonnter denn je, fast im Wochenrhythmus erteilen die Chefs Lehrstunden in Marketing-Know-how. Daher stört es auch nicht, dass man den grössten Wettbewerbern noch um Lichtjahre nachhinkt. Weit an der Spitze steht Nike, die 2020 allein mit Schuhen 28 Milliarden Dollar erlöste. Was gerade im Sportmarkt zählt, sind fröhliche Zuversicht, gern verbunden mit einem kräftigen Schuss an Überraschungselementen und Forschheit. Unter diesem Aspekt war die Beteiligung von Tennislegende Roger Federer im Auslauf seiner Karriere mit geschätzten 50 Millionen Franken ein besonderer Gewinn. Schon das erste Produkt, der Sneaker «The Roger» in der Kultfarbe weiss, trage die «goldene Handschrift» des Maestro, jubelte das Unternehmen im Juli vergangenen Jahres. In diesem Jahr machte On dann als Ausrüster der Schweizer Athleten an den Olympischen Spielen in Tokio von sich reden.

Auch die finanzielle Leistung des inzwischen internationalen Unternehmens lässt noch viel Raum nach oben.

Jürgen Dunsch

Tennis-Roger ist für Anleger ein Erfolgsgarant, auch wenn in den USA parallel zu On der Sneaker-Konkurrent Allbirds im Bündnis mit Schauspielgrösse Leonardo Di Caprio an die Börse strebt. Die Schweizer bieten heutzutage eine breite Produktpalette über das Laufen hinaus an, hierzu zählen Federers Kollektion (ohne Noppen!) weitere Freizeit- und auch Wanderschuhe. Das Image «von Läufern für Läufer» wird gleichwohl unverdrossen gepflegt, obwohl zumindest hierzulande, wo On Marktführer ist, alle Altersklassen bis hin zu betagten Rentnern die Schuhe inzwischen tragen. Die Grundidee der Cloud-Technologie, die weiche Landungen mit explosiven Abstössen verspricht, gilt weiter. Aber Vorsicht: Laufen muss man auch mit den angeblichen Wunderstücken immer noch selbst.

Hauptbildnachweis: On