Roger Harrison: «Wenn ich fotografiere, lebe ich.»

Der Fotodrucker rattert, die Bildschirme sind an, und Roger Harrison schaut nicht ohne Stolz auf seine bereits ausgedruckten Fotowerke für die Ausstellung, der Photo 21 in Zürich, die seit dem 2. Juli läuft und noch bis zum 11. Juli dauert. Mit seinen 79 Jahren denkt er noch lange nicht ans Zurücklehnen und ist immer auf Achse mit seiner Kamera.

Mit dreizehn Jahren habe er das erste Mal die Kamera seines Vaters in den Händen gehalten: Eine Kodak Balgenkamera. Das war vor 66 Jahren in England. Geboren ist Roger Harrison 1942 in einer englischen Kleinstadt, in Ilfracombe, in der Grafschaft Devon. «Mein erstes Geld verdiente ich als dreizehnjähriger am Strand von Tenby in Südwales mit dem Verkauf von Ice-Milk am Strand», schmunzelt der Küssnachter mit einem leichten Akzent. In den malerischen Hafen- und Urlaubsort zog er mit seinen Eltern und Schwester als er dreizehn war.

Fotografieren, Segeln und Malen
«Wenn ich nicht kalte Milch an die Bergarbeiter und Tagesausflügler am Strand verkauft habe, fotografierte oder malte ich leidenschaftlich gerne», lacht er im Atelier in seinem Küssnachter Haus. Nebst dem grossen Fotodrucker, Farbpatronen, Bildschirmen, reihen sich in Regalen Ordner an Ordner, Bücher, Fotokisten, Kameras und alles was ein Fotografenherz begehrt.

Fotografieren ist eine Leidenschaft, und man verbindet es mit dem Leben – wenn ich fotografiere, lebe ich.

Roger Harrison

«Während des Gymnasiums wurden wir Schüler vom hiesigen Yachtclub angefragt, ob wir interessiert seien am Segeln. Sie suchten junge Mitglieder. Klein und schmächtig war ich ein gefragtes Seglermitglied», lacht Harrison.

Von England nach Küssnacht
Mit 16 besuchte er die Technische Hochschule in Newport, Wales und zwei Jahre später war er bei der Boden Crew der Royal Air Force als Elektroniker tätig. Seine Frau Ruth, mit der er schon bald 52 Jahre verheiratet ist, habe er als Au-Pair Mädchen in England kennengelernt. Geheiratet haben sie in Ennetbürgen, noch bevor er für immer in die Schweiz zog. Als Tochter Charlotte 1974 drei Monate alt war, ging es beruflich mit der ganzen Familie nach Südafrika. «Dort gab es ganz andere Motive: Elefanten, Löwen, Büffel», schmunzelt Harrison. Denn die Kamera begleitete ihn immer und überall hin. 1978 wurde Sohn James geboren. Sein beruflicher Weg führte ihn nach Deutschland, Südafrika und schliesslich 1979 in die Schweiz, nach Küssnacht am Rigi. «Dank eines zufälligen Treffens eines Schweizers, Franzosen und Deutschen», lacht der passionierte Fotograf. «Die drei sprachen mich damals in der Nähe von Frankfurt an und haben mir ein Jobangebot in der Schweiz vorgeschlagen als Techniker».

Fotografische Laufbahn
«1989 klopfte ich bei lokalen Zeitungen im Kanton Schwyz an», erzählt er. Er habe die Gelegenheit bekommen, auf Reportagen mitzugehen und Teilzeit als Reportagefotograf zu arbeiten. Er hat viele Plätze dieser Welt gesehen und bereiste unter anderem Kenia, Marokko, Peru, Kosovo, Irland, Russland, Hongkong, Kanada. Das Fotografische Wissen eignete er sich in vielen Kursen renommierter Schweizer Fotografen an.

Heile Welt-Harte Arbeit
Roger Harrison bekam Gelegenheiten für Ausstellungen und begleitete eine Altdorfer Älplerfamilie während drei Jahren immer wieder bei deren Leben und Arbeit auf der Alp. Dabei ist ein wunderbares fotografisches Portrait entstanden. Es ist sein erster Bildband in Schwarz-Weiss. «Wie auf einem Segelschiff spielt das Wetter auch in den Bergen eine zentrale Rolle im Leben dieser Familie. Auch bei stärkstem Regen muss die Arbeit gewissenhaft verrichtet werden», erzählt er, und es ist ihm sehr gelungen, mit seinem Blick den Alltag dieser Familie eindrücklich und künstlerisch darzustellen. Sei es ein Bildnis mit einem Nachttopf neben Kuhglocken oder der Alpaufzug um 4 Uhr in der Früh. Bilder dieses schönen Werkes stellte er auch in Zürich und in Basel aus. «Meine erste Kamera kaufte ich 1968 in Deutschland». Die Schwarz-Weiss-Technik fasziniere ihn schon seit vielen Jahren. Schliesslich realisierte er noch drei weitere Bildbände: Das zweite Buch «Pastoral Küssnacht» zeigt Momentaufnahmen aus Küssnacht. 2013 fand die Buchtaufe seines dritten Buches «Face to Face» statt. Ein eindrückliches Buch über Künstlerinnen und Künstler aus Küssnacht am Rigi. In seinem vierten Buch «Starke Frauen» fotografierte er 53 Frauen aus Küssnacht, Immensee und Merlischachen. Es wurde im Oktober 2018 veröffentlicht. Erarbeitet hat er es mit der Texterin Simone Ulrich und Designerin Anne Guttormsen Fraser. «Ohne die beiden wäre es nicht so gut gelungen», sagte er und lacht.

Fotografieren ist Leben
«Fotografieren ist eine Leidenschaft, und man verbindet es mit dem Leben -wenn ich fotografiere, lebe ich» sagt Roger Harrison zufrieden mit einem prüfenden Blick auf den Ausdruck seines fünften Bildes für die Photo 21 in Zürich. Zum dritten Mal sei er nun schon dabei – an der grössten Werkschau für Fotografie der Schweiz. Mit Helm und Kamera ist er regelmässig auf der Grossbaustelle «Wohnen im Bethlehem» in Immensee anzutreffen. Dort dokumentiert er bildlich die ganze Entwicklung des Projektes. Pläne für das nächste Jahr stehen auch schon fest: Kürzlich habe ihn die Kuratorin des Regionalmuseums Vitznau-Rigi besucht. Von Mai bis Oktober sind seine Bilder am Fusse der Rigi zu besichtigen. Ans Aufhören denkt er noch lange nicht: «Man muss immer aktiv bleiben und unterwegs sein, so bleibt man jung und frisch», lacht er und hält zufrieden einen sehr gelungenen Ausdruck in den Händen.

Hauptbildnachweis: Caroline Mohnke