Laut dem Global Risk Report des Weltwirtschaftsforums waren 2021 globale Herausforderungen wie der Klimawandel, die weltweite Pandemie und der Verlust der biologischen Vielfalt die grössten Risiken für die Welt.
Im Jahr 2025 hat sich der Fokus auf eher unmittelbare Gefahren wie bewaffnete Konflikte, Fehlinformationen und wirtschaftliche Konfrontationen verlagert. Es ist offensichtlich, dass die Risiken, die die Menschen heute am meisten beunruhigen, Ausdruck einer zunehmend fragmentierten Welt sind.
Die tektonischen Verschiebungen in der Weltpolitik werden unweigerlich die Märkte bewegen.
Mobeen Tahir, Macroeconomic Research, WisdomTree
Für Anleger birgt die Fragmentierung Risiken, eröffnet aber auch neue Chancen – wir sehen fünf konkrete Wachstumschancen.
1. Europas Streben nach Verteidigungsautonomie wird zunehmen, da das geopolitische Vertrauen schwindet
Vorreiter für Verteidigungstechnologie werden in Europa an Bedeutung gewinnen Die politische Abstimmung wird im Hinblick auf gemeinsame Sicherheitsziele verstärkt werden Finanzinnovationen werden den Anstieg der Verteidigungsinvestitionen in Europa finanzieren
Die Umkehr der jahrzehntelangen Unterinvestitionen in die Verteidigung und der Abhängigkeit von den USA wird Zeit brauchen. Aber die Stärkung der Verteidigung und das Streben nach grösserer Autonomie sind nicht mehr optional. Die europäischen Länder reagieren mit einer Aufstockung der Verteidigungsausgaben, grösserer politischer Abstimmung und der Entwicklung eigener Verteidigungstechnologien. Unternehmen wie Helsing, das vor Kurzem seine autonome Software beim Flug eines Gripen-Kampfjets vorgestellt hat, zeigen das Tempo der Weiterentwicklung der europäischen Verteidigungstechnologie. Politische Vereinbarungen wie der Kensington-Vertrag zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich unterstreichen, wie gemeinsame Sicherheitsinteressen frühere Spannungen überwinden. Unterdessen erfordert das neue Ziel der NATO, bis 2035 5% des BIP für Verteidigungsausgaben aufzuwenden, finanzielle Innovation. Europa könnte auf seine Erfahrungen mit Corona-Anleihen zurückgreifen, um seine ehrgeizigen Verteidigungspläne gemeinsam zu finanzieren.
2. Das weltweite Streben nach Energieunabhängigkeit wird die derzeitige Renaissance der Kernenergie weiter vorantreiben
Kleine modulare Reaktoren (SMRs) werden im Schnellverfahren genehmigt Weitere grosse Kernreaktoren werden wieder in Betrieb genommen, ausgebaut oder angekündigt Immer mehr Tech-Unternehmen werden auf den Atomzug aufspringen
Die Fragmentierung der Märkte für fossile Brennstoffe in einer Welt mit rapide steigendem Energiebedarf hat der Kernenergie neuen Auftrieb gegeben. Von fortschrittlichen Reaktoren in den USA bis hin zur Entscheidung des Vereinigten Königreichs für das SMR-Design von Rolls Royce – Regierungen handeln schnell. Die Märkte beobachten aufmerksam, wie Entwickler wie Oklo eine Inbetriebnahme bereits im Jahr 2027 versprechen. Auch grosse Reaktoren sind wieder im Kommen. Meta und Microsoft haben beide langfristige Verträge zur Unterstützung von Kernkraftwerken für ihre Rechenzentren abgeschlossen, während Frankreich und die USA umfangreiche Kapazitätserweiterungen planen. Chinas fünffache Steigerung der Kernenergie in den letzten 15 Jahren zeigt, wie dies erreicht werden kann. Andere Länder horchen auf. Tech-Riesen bemühen sich um die Sicherung von Kernenergie für ihre Rechenzentren. Gleichzeitig setzen Unternehmen wie Palantir KI im Reaktorbau ein, um Verzögerungen und Kostenüberschreitungen zu vermeiden. Die Atomkraft entwickelt sich rasch zu einem strategischen und technologischen Thema.
3. Zunehmende digitale Konflikte werden höhere Investitionen in Cybersicherheit nach sich ziehen
Cybersicherheit wird als geopolitisches Risiko anerkannt – nicht nur als technisches Die weltweiten Cybersecurity-Ausgaben werden steigen, da die Fragmentierung die Risiken erhöht
Cyberangriffe sind zunehmend eine Waffe der Staatsgewalt. Der Angriff auf die SharePoint-Server von Microsoft im Juli, von dem auch die US-Atomwaffenbehörde betroffen war, zeigte, wie geopolitische Konflikte auf den digitalen Bereich übergreifen. Die NATO hat Cybersicherheit nun in ihre erweiterten Ziele für Verteidigungsausgaben aufgenommen, und Unternehmen sind zunehmend auf der Hut vor Bedrohungen durch staatlich geförderte Gruppen. Angesichts der Warnung des Internationalen Währungsfonds (IWF), dass Cyberkriminalität die Welt bis 2027 23 Billionen US-Dollarvkosten könnte, ist klar, was auf dem Spiel steht. Eine Umfrage von Team8 unter Chief Information Security Officers hat ergeben, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen trotz Budgetbeschränkungen ihre Ausgaben für Cybersicherheit im Jahr 2025 erhöhen werden. Durch die Fragmentierung werden Cyberrisiken zu einem systemischen Problem, und die Investitionen in diesem Bereich dürften zunehmen.
4. Kritische Mineralien wie seltene Erden werden noch kritischer
Die USA werden gezwungen sein, sich mit der Dominanz Chinas auseinanderzusetzen Die Fragmentierung wird den Aufbau neuer Lieferketten erzwingen
Seltenerdmetalle sind das Herzstück von Technologien in den Bereichen Militär, saubere Energie und Digitaltechnik. China kontrolliert fast 70% des Bergbaus und nahezu 90% der Verarbeitung, womit diese Segmente eine strategische Schwachstelle für Rivalen darstellen. US-Unternehmen wenden sich bereits von chinesischen Lieferanten ab, wobei Apple auf MP Materials umsteigt, aber die Raffineriekapazitäten bleiben ein Engpass. Länder investieren massiv in den Aufbau alternativer Lieferketten. Kanada, Australien und Japan weiten ihre Projekte aus, und die USA leiten die Minerals Security Partnership zum Aufbau neuer Lieferketten. Es handelt sich hierbei nicht nur um Diversifikation, sondern um eine strategische Neuausrichtung, und in den kommenden Jahren werden wahrscheinlich neue Lieferketten ausserhalb des Einflussbereichs Chinas entstehen.
5. Der Durchbruch der Blockchain wird in einer fragmentierten Finanzwelt stattfinden
Stablecoins werden ein wichtiger Hebel der Finanzmacht der USA sein Finanzinstitute werden die Blockchain zur Modernisierung ihrer Infrastruktur einsetzen
Die Militarisierung des Finanzsystems, von der Abkopplung Russlands von SWIFT bis hin zu vermehrten BRICS-Alternativen, stellt die Dominanz des US-Dollar infrage. Als Reaktion darauf haben die USA Massnahmen zur Regulierung und Legitimierung von Stablecoins ergriffen und sie zu einem potenziellen Instrument finanzieller Einflussnahme gemacht. Stablecoins, die durch Staatsanleihen und bargeldähnliche Vermögenswerte gedeckt sind, können die Nachfrage nach dem US-Dollar stärken und gleichzeitig dessen Reichweite auf digitale Märkte ausweiten. Parallel dazu nimmt die Tokenisierung zu. Bereits über 25 Milliarden US-Dollar an Vermögenswerten sind in Blockchains verfügbar, wobei Institutionen die Effizienz der Echtzeitabwicklung und die niedrigeren Transaktionskosten schätzen. In einer fragmentierten Welt wird die Nutzung der Blockchain-Technologie nicht nur zu einer wirtschaftlichen, sondern auch zu einer geopolitischen Entscheidung.
Die Risiken, die das globale Denken im Jahr 2021 beherrschten, betrafen gemeinsame Herausforderungen wie den Klimawandel und die weltweite Pandemie. 2025 ist die Debatte von Konflikten, Polarisierung und Fragmentierung geprägt. Die Fragmentierung erzeugt jedoch auch attraktive Anlagethemen. Europa rüstet wieder auf, die Atomkraft gewinnt an Fahrt, Cybersecurity wird sicherheitspolitisch relevant, Lieferketten für kritische Mineralien verschieben sich und die Blockchain-Technologie hält Einzug in den Mainstream des Finanzsystems. Die tektonischen Verschiebungen in der Weltpolitik werden unweigerlich die Märkte bewegen.