Optimistischer Ausblick für Elektroautos und die Bedeutung für Anleger

Am 26. April veröffentlichte die Internationale Energieagentur (IEA) ihren Globalen Ausblick für Elektrofahrzeuge 2023. Ihre Einschätzung der Branche ist vielversprechend, und die Prognosen für das Branchenwachstum sind spannend. Die Elektrifizierung des Strassenverkehrs ist die revolutionäre Innovation, auf die die Branche gewartet hat. Nun scheint der Wendepunkt erreicht zu sein.

2022 überstieg der Absatz von Elektrofahrzeugen erstmals die Schwelle von 10 Millionen (siehe Abbildung 1). Das entsprach 14% aller verkauften Neuwagen des Jahres 2022 – gegenüber 9% im Jahr 2021 und weniger als 5% im Jahr 2020. Im ersten Quartal des Jahres 2023 hat sich dieser Trend mit über 2,3 Millionen verkauften Elektroautos fortgesetzt. Damit lag der Absatz um 25% über dem Vorjahresniveau. Bis Ende des Jahres könnte der Absatz auf 14 Millionen klettern, da eine Zunahme in der zweiten Jahreshälfte erwartet wird.

Es finden sich vielversprechende Wachstumssignale in Schwellenländern wie Indien, Thailand und Indonesien, wo sich der Absatz von Elektroautos im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2021 mehr als verdreifacht hat.

Mobeen Tahir, Director, Macroeconomic Research, WisdomTree

China ist nach wie vor der dominierende Markt, auf den im vergangenen Jahr rund 60% des weltweiten Elektroautoverkaufs entfielen, gefolgt von Europa und den USA. Dennoch finden sich vielversprechende Wachstumssignale in Schwellenländern wie Indien, Thailand und Indonesien, wo sich der Absatz von Elektroautos im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2021 mehr als verdreifacht hat.

Quelle: Internationale Energieagentur, April 2023

Der bedeutendste Rückenwind
Die politische Unterstützung für die Umstellung auf Elektrofahrzeuge war noch nie so gross wie heute und nimmt weiter zu. Die Europäische Union hat CO2-Normen für Pkw und Kleintransporter festgelegt, die mit den Zielen für 2030 des «Fit for 55»-Pakets übereinstimmen. In den USA könnten das Inflationsbekämpfungsgesetz (Inflation Reduction Act, IRA) und die kalifornische Regelung Advanced Clean Cars II den Weg zu einem EV-Marktanteil von 50% bis 2030 ebnen. Die starke politische Unterstützung und die Nachfrage seitens der Verbraucher treiben offenbar auch Innovationen bei der Batterieherstellung voran. Es ist zwar selbstverständlich, dass Batteriechemikalien weiterentwickelt und höhere Wirkungsgrade erreicht werden, doch die Fortschritte auf diesem Weg, wie die vor Kurzem von CATL vorgestellte kondensierte Batterie, sind bemerkenswert und durchaus ermutigend. Am 19. April 2023 stellte der chinesische Batteriehersteller CATL, der weltweit zu den größten Namen der Branche zählt, auf der Auto Shanghai eine sogenannte «kondensierte Batterie» mit hoher Energiedichte vor. Nach Angaben von CATL könnte diese Batterie nicht nur die Reichweite von EV-Batterien deutlich erhöhen, sondern auch zur Elektrifizierung von Passagierflugzeugen beitragen. Zugegeben, die Behauptungen von CATL sind mit zahlreichen Unbekannten behaftet, einschliesslich der Kosten und der Lieferzeiten, aber sie zeigen, wie sehr sich die Batteriehersteller darauf konzentrieren, neue Effizienzgrade zu erreichen.

Es entsteht eine neue saubere Energiewirtschaft, und zwar viel schneller, als viele Interessengruppen, politische Entscheidungsträger, Branchenakteure und Anleger heute denken.

Fatih Birol, Exekutivdirektor der Internationale Energieagentur (IEA)

Der zunehmende Wettbewerb und die damit verbundene grössere Auswahl für die Konsumenten erleichtern ebenfalls die Einführung von Elektroautos. 2022 gab es weltweit über 500 Elektroauto-Modelle – mehr als doppelt so viele wie 2018. Das ist zwar immer noch deutlich weniger als die Modelle mit Verbrennungsmotor auf dem Markt, aber diese Vielzahl von Modellen erhöht den Wettbewerb unter den Erstherstellern – das wiederum dürfte zu Kostensenkungen beitragen. Die Elektrifizierung beschränkt sich jedoch nicht allein auf Pkw. 2022 waren mehr als die Hälfte der Motortrikes in Indien elektrisch. Auch der weltweite Absatz von leichten Nutzfahrzeugen mit Elektroantrieb stieg 2022 um mehr als 90% im Vergleich zum Vorjahr. Dieses vielversprechende Wachstum ist auch in anderen Marktsegmenten zu beobachten, beispielsweise bei elektrischen Schwerlastwagen und Bussen.

Die Prognose
Selbst im erklärten Politikszenario der IEA (Stated Policies Scenario bzw. STEPS – ein konservatives Szenario, das nur die bestehenden politischen Massnahmen berücksichtigt) wird für dieses Jahrzehnt ein starkes Wachstum bei Elektrofahrzeugen erwartet (siehe Abbildung 2). Überall auf der Welt führen Länder rasch Verkaufsverbote für neue Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ein. Einige Länder wie Norwegen nehmen eine Vorreiterrolle ein und setzen dieses Verbot ab 2025 in Kraft. In zahlreichen anderen Ländern greifen die Verbote zwischen 2030 und 2040. Insgesamt ist also davon auszugehen, dass die Verkaufszahlen von Elektroautos mit dem Näherrücken dieser Fristen deutlich ansteigen werden.

Quelle: Internationale Energieagentur, April 2023

Eine der grössten Hürden für die Einführung von Elektrofahrzeugen ist die Verfügbarkeit einer ausreichenden öffentlichen Ladeinfrastruktur. Glücklicherweise entwickelt sich die Ladeinfrastruktur rasch, auch wenn das Tempo in den einzelnen Ländern variiert. Insgesamt ist die IEA jedoch optimistisch, was die weltweite Anzahl der öffentlich zugänglichen Ladestationen bis 2030 angeht.

Quelle: Internationale Energieagentur, April 2023

Erneuter Fokus auf die Lieferkette
Nach Angaben der IEA stieg die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien (Li-Ion) für Kraftfahrzeuge von etwa 330 Gigawattstunden (GWh) im Jahr 2021 um etwa 65% auf 550 GWh im Jahr 2022, was in erster Linie auf den wachsenden Absatz von Elektro-Pkw zurückzuführen war. Im Jahr 2022 entfielen etwa 60% der Lithium-, 30% der Kobalt- und 10% der Nickelnachfrage auf EV-Batterien. Nur fünf Jahre zuvor lagen diese Anteile noch bei jeweils 15%, 10% bzw. 2%. Elektrofahrzeuge treiben nicht nur die Nachfrage nach Batterien an, sondern auch nach den zugrunde liegenden Rohstoffen. Für Anleger bedeutet das, dass sie bei der Bewertung des Megatrends Elektrifizierung eine ganzheitliche Betrachtung der Wertschöpfungsketten von Autos und Batterien vornehmen sollten. Beispielsweise nimmt China in beiden Wertschöpfungsketten eine beherrschende Stellung ein, und seine Rolle innerhalb der Wertschöpfungsketten entwickelt sich rasch weiter. China ist der weltweit grösste Produzent von Batterien, etabliert sich aber ebenso schnell im Segment der Automobilhersteller mit dem Aufkommen von Marken wie BYD. Mit zunehmendem Wettbewerb, einer stärkeren Regulierung und weiteren Innovationen werden sich jedoch auch die Lieferketten weiterentwickeln. Einige Verbindungen werden möglicherweise unterbrochen, andere bilden sich indes neu. Alles in allem ist es eine spannende Zeit, um diesen Bereich im Auge zu behalten.

Hauptbildnachweis: Precitec