Nicht nur Klimasünder untergewichten, sondern auch Vorreiter fördern

Klingt zunächst paradox: In Portfolios, die auf einer am Pariser Klimaschutzziel 2050 von 1,5 Grad Celsius orientierten Benchmark basieren, können sich durchaus Wertpapiere von Fluggesellschaften befinden, also einer Industrie, die aktuell nicht gerade mit geringen CO2-Emissionen glänzt.

Die Auflösung: Im Unterschied zu anderen Benchmarks, die als «nachhaltig» oder «ESG-bezogen» bezeichnet werden, ist bei den so genannten Paris-Aligned Benchmarks der Weg ebenso wichtig wie das Ziel. Sie bilden den breiten Markt ab, inklusive einiger Branchen mit höheren Kohlenstoff-Emissionen, um langfristig den Umbau der Wirtschaft zu unterstützen. Damit gehören beispielsweise auch der Transport- oder Bausektor, die für vergleichsweise hohe CO2-Emissionen verantwortlich sind, zu Paris-Aligned Benchmarks. Aber warum auch in CO2-lastige Industrien investieren? Ganz einfach: Das Einsparpotenzial ist dort naturgemäss grösser als in ohnehin schon «grünen» Branchen. Folglich ist es das Ziel, Rosinenpicken zu vermeiden, also ein «grünes» Portfolio, das ausschliesslich aus Unternehmen besteht, die in Bereichen mit einem geringen CO2-Ausstoss tätig sind.

Dynamischer Index soll Dekarbonisierung langfristig unterstützen
Um auf geringere Emissionen hinzuwirken und dabei breit investiert zu bleiben, machen die Paris-Aligned Benchmarks hingegen genaue Vorgaben. Erstens sollen die im Index enthaltenen Unternehmen im Durchschnitt deutlich weniger Treibhausgase ausstossen als ein klassisches Marktportfolio. Zweitens müssen die Emissionen jedes Jahr, das ist durch eine EU-Richtlinie vorgeschrieben, für das Indexportfolio weiter sinken. Das bedeutet, dass Unternehmen, die ihren CO2-Ausstoss nicht senken, es schwerer haben, in den Index aufgenommen zu werden – ihr Zugang zum Kapitalmarkt ist erschwert. Umgekehrt fliesst Kapital verstärkt in Klima-Vorreiter. So können Investoren Druck auf Unternehmen ausüben, mehr für den Klimaschutz zu tun und dabei breit diversifiziert investiert bleiben. Dies ist für institutionelle Kunden besonders relevant.

Warum auch in CO2-lastige Industrien investieren? Ganz einfach: Das Einsparpotenzial ist dort naturgemäss grösser als in ohnehin schon 'grünen' Branchen.

Olivier Souliac, ETF-Experte, DWS

Um die Wirkungsweise von Paris-Aligned Benchmarks zu verdeutlichen, ist es sinnvoll, sich zunächst die klassischen, als «nachhaltig» oder «SRI, sozialverantwortlich» bezeichneten Indizes anzusehen. Sie sehen in der Regel zunächst harte Ausschlüsse für viele als möglicherweise kontrovers angesehene Aktivitäten vor. Dazu zählen Alkohol, traditionelle Energieunternehmen oder Stromproduzenten mit exzessivem Anteil an fossilen Brennstoffen im Energiemix. Anschliessend werden die Indexmitglieder auf Basis von ESG-Kriterien ausgewählt, wodurch oft auf Unternehmen gesetzt wird, die bereits ein deutlich niedrigeres Niveau an Treibhausgas-Emissionen vorweisen. So gehen, vereinfacht gesprochen, auch die MSCI-Low-Carbon-SRI-Leaders-Indizes vor, die den Xtrackers-ESG-Indizes zugrunde liegen. Indizes dieser Bauart erreichen zwar eines ihrer Nachhaltigkeitsziele, nämlich eine deutlich niedrigere Emission im Vergleich zu einem Marktportfolio, gehen über dieses Ziel aber aktuell nicht hinaus.

Anleger können sich also für ein Portfolio entscheiden, das strenge ESG-Kriterien und niedrigere CO2-Emissionen kombiniert oder für stärker integrative Produkte auf der Basis von Paris-Aligned Benchmarks. Hier ist gewissermassen der Weg, also der Umbau der Wirtschaft hin zu deutlich weniger klimaschädlichen Emissionen, das Ziel. Es ist durch einen dynamischen Index zu erreichen, der die Investitionen in die gesamte Wirtschaft – nicht nur in wenige bereits emissionsarme Sektoren – in Richtung der Klimaziele steuern soll. Im Detail sind die Regeln der Paris-Aligned Benchmarks wie folgt definiert: Die Kohlenstoffintensität eines Paris-Aligned-Benchmark-Portfolios soll am Anfang rund 50 Prozent des Vergleichswerts eines Marktportfolios betragen. Künftig soll dann dessen Kohlenstoffintensität um mindestens sieben Prozent pro Jahr sinken. Unter Kohlenstoffintensität versteht man, welches CO2-Äquivalent das jeweilige Unternehmen und seine Lieferanten im Verhältnis zum Marktwert des Unternehmens erzeugen.

Da die Paris-Aligned Benchmarks den breiten Markt abbilden sollen, steigen also langfristig die Klimaschutz-Anforderungen an Unternehmen aus nahezu allen Sektoren, sich für die Aufnahme in einen Index zu qualifizieren. Die Emissionen können erst dann nachhaltig sinken, wenn beispielsweise auch im Transport-, Bau-, Chemie- und Maschinenbau-Sektor die Kohlenstoffintensität sinkt. Ein wichtiges Detail: Es gibt auch bei Paris-Aligned Benchmarks Ausschlüsse für Unternehmen, die bestimmte Umsatzgrenzen bei Förderung oder Verarbeitung fossiler Energien überschreiten. Hier hat sich die EU an Ergebnissen einer Szenarioanalyse des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zur Reduktion der Treibhausgase aus fossilen Quellen orientiert.

Nicht nur Klimasünder untergewichten, sondern auch Vorreiter fördern
Ein weiterer wichtiger Unterschied der Paris-Aligned Benchmarks zu anderen Indizes: Sie sind die einzigen, die direkt einer Regulierung der EU-Kommission entspringen. Wer in einen ETF investiert, der auf einer Paris-Aligned Benchmark basiert, kann sich sicher sein, dass dieselben strengen Regeln gelten. Dazu gehört auch, dass Paris-Aligned Benchmarks darauf ausgerichtet sind, langfristig investiert zu sein, um den Übergang in eine kohlenstoffärmere Zukunft zu finanzieren. Es geht ausdrücklich auch darum, Chancen zu nutzen, die sich für Unternehmen ergeben, die sich erfolgreich an den Trend zu Dekarbonisierung anpassen.

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