Der «Sichere-Hafen»-Status der Schweiz ist ein zweischneidiges Schwert
Hohe US-Zölle beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit hiesiger Unternehmen auf dem US-Markt. Gleichzeitig schwindet der «Sichere-Hafen»-Status des US-Dollars, was bei erhöhter Risikoaversion zu einer weiteren Aufwertung des Frankens führen dürfte. Dessen «Sicherer-Hafen»-Status könnte sich immer stärker als Belastung für die Schweizer Wirtschaft erweisen.
Seit Anfang August sind Teile der Schweizer Exporte in die USA mit einem Zollsatz von 39 Prozent belegt. Zudem hat der Franken seit Jahresbeginn gegenüber dem US-Dollar um mehr als 10 Prozent aufgewertet. Die Belastung für exportierende Unternehmen in den USA ist entsprechend hoch und der Ausblick düster. Eine rasche Senkung des Zollsatzes ist ungewiss und die globale Ordnung der «Sichere-Hafen»-Währungen gerät ins Wanken. Politische Unsicherheiten und hohe Staatsverschuldung haben das Sicherheitsgefühl gegenüber dem Greenback deutlich geschwächt. «Sollte das Vertrauen in den US-Dollar weiter erodieren, könnte der Schweizer Franken als sicherer Hafen noch stärker gefragt sein – mit weitreichenden Konsequenzen für die Schweizer Wirtschaft», erwartet UBS-Ökonom Maxime Botteron. Denn das Angebot sicherer Schweizer-Franken-Anlagen ist im Vergleich zu US-Staatsanleihen sehr begrenzt. Ein starker Kapitalzufluss könnte den Franken deutlich aufwerten lassen, während der Spielraum für weitere Zinssenkungen praktisch ausgeschöpft ist.
«Sicherer-Hafen»-Status als zweischneidiges Schwert
Der «Sichere-Hafen»-Status des Frankens sorgt für tiefe Zinsen und spart Haushalten sowie Unternehmen gemäss Berechnungen der UBS-Ökonomen jährlich rund 28 Milliarden Franken. Zudem verbilligt ein starker Franken die Importe und senkt so die Konsumentenpreise. Gleichzeitig geraten Exportunternehmen unter Druck, da Schweizer Produkte im Ausland teurer werden. Die Vorteile günstigerer importierter Vorleistungen gleichen die Nachteile nur teilweise aus. Für die Geldpolitik bleibt kaum Spielraum für weitere Zinssenkungen und Sparer müssen niedrige Renditen hinnehmen.
Maxime Botteron, UBS-ÖkonomSollte das Vertrauen in den US-Dollar weiter erodieren, könnte der Schweizer Franken als sicherer Hafen noch stärker gefragt sein – mit weitreichenden Konsequenzen für die Schweizer Wirtschaft.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) steht vor einem geldpolitischen Dilemma: Die Zinsen sind rund 2 Prozentpunkte tiefer als ohne den «Sicheren-Hafen»-Effekt, der Handlungsspielraum für weitere Zinssenkungen ist gering. Sollte das globale Vertrauen in den Dollar weiter schwinden, könnte der Franken noch stärker aufwerten, was zusätzlichen Handlungsdruck auf die SNB ausüben würde.
Rezession trotz US-Zöllen unwahrscheinlich
Der Konjunkturausblick hängt stark davon ab, wie hoch die US-Zölle für Schweizer Exporteure letztendlich ausfallen. Selbst wenn die Zölle noch auf das Niveau der EU angeglichen werden, dürfte die aktuelle Unsicherheit zu einer leichten Schrumpfung der Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte führen. Erst im Verlauf des nächsten Jahres dürfte das Wachstum die Schwächephase überwinden. Die UBS-Ökonomen erwarten 2025 ein BIP-Wachstum von 1,3 Prozent und 2026 von 0,9 Prozent auf um Sportevents bereinigter Basis. «Falls die Zölle aber auf dem aktuellen Niveau verharren, könnte das BIP-Wachstum über vier Quartale um rund 0,4 Prozentpunkte tiefer ausfallen», schätzt Daniel Kalt, UBS-Chefökonom Schweiz. Die Einführung von Negativzinsen als SNB-Reaktion auf US-Zölle erscheint derzeit unwahrscheinlich. Ein negativer Leitzins würde vor allem den Aufwertungsdruck auf den Franken reduzieren. Dieser dürfte aber kaum ausreichend abwerten, um die Zölle auszugleichen. Daher wird die SNB ihren Leitzins vorerst wohl unverändert lassen. Mittelfristig besteht das Risiko, dass eine Verschiebung von Teilen der Pharmaproduktion in die USA als Reaktion auf zu erwartende Zölle das Schweizer Wachstum spürbar belasten kann. Wenn sich die Verlagerung über fünf Jahre erstreckt, so könnte das bis zu einem Viertel des prognostizierten Wachstums kosten. Eine tiefe Rezession dürfte der Schweizer Wirtschaft aber auch in diesem Fall erspart bleiben.