Bankenstabilität 1/4: Was es über die «Too-Big-To-Fail-Regulierung» zu wissen gilt

Artikel 52 des Bankengesetzes verpflichtet den Bundesrat, der Bundesversammlung alle zwei Jahre über die Umsetzung der internationalen Too-Big-To-Fail-Standards zu berichten und allfälligen Anpassungsbedarf aufzuzeigen. Am 29. März 2023 hat der Bundesrat das Eidgenösische Finanzdepartement (EFD) zudem beauftragt, innert Jahresfrist unter Einbezug weiterer Bundesstellen und externer Gutachten die Umstände der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS und die damit verbundenen staatlichen Massnahmen sowie die Too-Big-To-Fail-Regulierung umfassend zu evaluieren. Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) hat ein Q&A-Dokument zusammengestellt, das wir unserer Leserschaft nicht vorenthalten wollen.

Ist das bisherige Too-BigTo-Fail-Regelwerk ungenügend?
Das bestehende TBTF-Regelwerk, das seit 2012 im Bankengesetz eingeführt und schrittweise weiterentwickelt wurde, hat die Widerstandskraft der systemrelevanten Banken gestärkt. Dies hat sich zum Beispiel während der Covid-19-Pandemie gezeigt oder im Fall der Credit Suisse im Herbst 2022. Der Fall der Credit Suisse im März 2023 zeigte aber auch Schwachstellen und einen klaren Handlungsbedarf für eine Weiterentwicklung und Stärkung des bestehenden Regelwerks auf. So sind die Eigenmittelanforderungen grundsätzlich nicht vorausschauender Natur und die Eigenmittelausstattung des Stammhauses (sog. Parent-Bank) ist ein kritischer Punkt bei der Veräusserung ausländischer Beteiligungen. Bei der Liquidität übertrafen die Höhe und Geschwindigkeit der Abflüsse alle bisherigen Erfahrungswerte. Zudem reichte die ausserordentliche Liquiditätshilfe der SNB bei weitem nicht aus. Die Umsetzung des vorbereiteten Sanierungsplans der Credit Suisse schliesslich war mit erheblichen Nachteilen und Risiken verbunden. Es war fraglich, ob damit das Vertrauen der Märkte wiederhergestellt worden wäre.

Könnte die UBS im schlimmsten Fall abgewickelt werden?

Ja, dies ist das Ziel der Too-Big-To-Fail-Regulierung. Im Falle eines drohenden Konkurses ist die Abwicklung – wenn immer möglich in Form einer Sanierung – das vorbereitete Basisszenario. Ob unter gewissen Umständen – wie im Fall der Krise der Credit Suisse – auch andere nicht-staatliche Lösungen verfügbar sind und gewählt werden, lässt sich nicht für jeden denkbaren Fall vorhersehen. Klar ist jedoch, dass die Abwicklung in einem breiten Spektrum von Krisenszenarien umsetzbar sein muss.

Kann staatliche Nothilfe künftig ausgeschlossen werden?
Auf staatliche Nothilfe ist grundsätzlich und wenn immer möglich zu verzichten. Die TBTF-Regulierung hat zum Ziel, staatliche Beihilfen zu vermeiden. Trotzdem soll die Möglichkeit des Bundesrates, in konkreten Krisen im Landesinteresse und gestützt auf die Bundesverfassung Notrecht anzuwenden, nicht kategorisch ausgeschlossen werden.

Kann das TBTF-Problem eliminiert werden?
Mit der Weiterentwicklung des bestehenden Too-Big-To-Fail-Dispositivs kann die Wahrscheinlichkeit einer schweren Krise einer systemrelevanten Bank in der Schweiz signifikant reduziert werden. Im Falle einer Krise könnten zudem die bislang vorgesehenen Lösungen deutlich besser umgesetzt werden. Ein vollständiger und definitiver Ausschluss jeglichen Risikos ist nicht möglich oder würde jede wirtschaftliche Tätigkeit systemrelevanter Banken verunmöglichen.

Warum wird kein Trennbankensystem vorgeschlagen?
Wie z.B. der Konkurs der reinen Investmentbank Lehman Brothers illustriert, sind auch Trennbanken nicht gefeit gegen Krisen. Grundlegende strukturelle Massnahmen stellen zudem nach Ansicht des Bundesrates einen unverhältnismässigen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit dar.

Ist die UBS zu gross für die Schweiz?
Aufgrund der Grösse und der internationalen Verflechtung des Schweizer Bankensektors sind die Rahmenbedingungen zur Gewährleistung der Finanzstabilität für die Schweiz von besonderer Bedeutung. Daher gelten für systemrelevante Banken, nebst den Anforderungen, die für alle Banken gelten, zusätzliche regulatorische Anforderungen, das sogenannte TBTF-Dispositiv. Die Bilanzsummen der Schweizer Grossbanken lagen im Vergleich zum Bruttoinlandprodukt BIP deutlich tiefer als noch in der Finanzkrise 2007/8. Dies gilt auch für die neue UBS, auch wenn diese mit der Übernahme der Credit Suisse wieder deutlich gewachsen ist. Zudem ist nicht die Grösse einer Bank an sich entscheidend, sondern das von ihr eingegangene Risiko. Bereits bestehende und mit dem TBTF-Bericht vom Bundesrat neu vorgeschlagene Massnahmen u.a. im Eigenmittelbereich setzen Anreize, um sowohl das Risiko wie das Wachstum zu begrenzen.

Braucht die Schweiz Grossbanken?
Die Schweiz verfügt über einen breit aufgestellten und international ausgerichteten Finanzplatz, der direkt rund 5 Prozent zur Gesamtwertschöpfung beiträgt und über 100'000 Mitarbeitende beschäftigt. In seiner Finanzplatzstrategie von 2020 hat der Bundesrat die Ambition bekräftigt, dass der Finanzplatz Schweiz weiterhin zu den führenden internationalen Finanzzentren gehören soll. Daran hält der Bundesrat fest.

Was bedeutet das Massnahmenpaket des Bundesrates für die internationale Wettbewerbsfähigkeit von systemrelevanten Banken in der Schweiz?
Die vorgeschlagenen Massnahmen fügen sich in die internationalen Regulierungen und Instrumente ein und stärken die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes, tragen gleichzeitig aber den besonderen Verhältnissen in der Schweiz als bedeutendem Finanzplatz mit der UBS als global systemrelevante Bank Rechnung.

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