Feuer im Dach im Mietwohnungsmarkt
Die Schlichtungsstellen für Mietsachen werden gegenwärtig von Einsprachen gegen Mietzinserhöhungen überflutet. Der Sturm dürfte so bald nicht vorüber sein, denn nach der erstmaligen Erhöhung des hypothekarischen Referenzzinssatzes per 1. Juni 2023 steht der nächste Anstieg schon vor der Tür.
Im Dezember dürfte der Referenzzinssatz auf 1,75 Prozent steigen, womit einer Mehrheit der Schweizer Mieterinnen und Mieter eine weitere Mietzinserhöhung per 1. April 2024 droht. Sogar eine dritte Erhöhung bis Ende 2024 ist bereits absehbar. Da Vermietende mit der Erhöhung des Referenzzinssatzes häufig auch die aufgelaufene Teuerung geltend machen, steigen die Mieten der Betroffenen stärker als die pro Referenzzinssatzschritt vorgesehenen drei Prozent. Die offiziell gemessene Mietpreisteuerung dürfte nächstes Jahr daher zwischenzeitlich auf acht Prozent klettern. «Vermietende können diese höheren Mieten mehrheitlich problemlos durchsetzen, weil der Mietwohnungsmarkt aufgrund der hohen Zuwanderung, der viel zu geringen Wohnbautätigkeit und der zuletzt regen Gründung neuer Haushalte zunehmend austrocknet», sagt Fredy Hasenmaile, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz.
Fredy Hasenmaile, Raiffeisen-ChefökonomVermietende können höheren Mieten mehrheitlich problemlos durchsetzen, weil der Mietwohnungsmarkt aufgrund der hohen Zuwanderung, der viel zu geringen Wohnbautätigkeit und der zuletzt regen Gründung neuer Haushalte zunehmend austrocknet.
Mietenden können nicht einfach in eine günstigere Wohnung umziehen, zumal neben den Bestandsmieten auch die Marktmieten bereits kräftig anziehen. «Nur die Wiederherstellung eines Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage kann dem Mietpreisanstieg in der Breite Einhalt gebieten. Dazu braucht es mehr Anreize für alle Bauträger und insbesondere die Politik müsste an einigen Stellschrauben drehen, um dieses Ziel zu erreichen», erklärt Fredy Hasenmaile und ergänzt: «Nur wenn Institutionelle, Private, Genossenschaften und alle übrigen Bauträger rasch mehr Wohnungen aufgleisen, können die schlimmsten Folgen der sich anbahnenden Wohnungsknappheit noch vermieden werden».
Wohnbauförderung als adäquate Lösung?
Mit den erfolgten und erwarteten Mietpreiserhöhungen werden nun vor allem Rufe nach einer verstärkten Förderung des gemeinnützigen Wohnbaus lauter. Aus Sicht der Mietenden bieten Wohnbaugenossenschaften viele Vorteile. Sie stellenäusserst günstigen und attraktiven Wohnraum zur Verfügung und tragen zur Erreichung sozialpolitischer Ziele bei. Vor allem in den Zentren, wo mehr Wohnraum dringend benötigt wird, spielt der gemeinnützige Wohnbau eine immer wichtigere Rolle. Gerade einkommensschwache Haushalte profitieren überproportional von diesen günstigen Wohnungen. Zudem punkten Genossenschaftswohnungen auch bei der Nachhaltigkeit. Denn der Flächenverbrauch ihrer Bewohnenden ist deutlich geringer als bei anderen Bauträgern.
Fredy HasenmaileRund die Hälfte der Bewohner von Genossenschaftswohnungen entstammt den obersten drei Einkommensquintilen und wäre auf Förderung nicht angewiesen.
Ein isolierter Blick auf diese positiven Eigenschaften verdeckt jedoch, dass mit der gemeinnützigen Wohnbauförderung auch Kosten einher gehen. «Die gemeinnützige Wohnbauförderung geschieht zum Preis erheblicher Mitnahmeeffekte. Rund die Hälfte der Bewohner von Genossenschaftswohnungen entstammt den obersten drei Einkommensquintilen und wäre auf Förderung nicht angewiesen», sagt Fredy Hasenmaile. «Solange Transparenz über das Ausmass der indirekten Subventionierung fehlt und nicht besser aufgezeigt wird, weshalb eine zielgerichtete, subjektspezifische Förderung – also eine direkte Unterstützung der bedürftigen Haushalte – nicht die wünschenswerteren Ergebnisse erzielt, sind die gemeinnützigen Bauträger möglicherweise nur auf den ersten Blick die besseren Vermieter», so Fredy Hasenmaile.
Preiskorrekturen aufgeschoben, keineswegs aufgehoben
Am Eigenheimmarkt lässt eine Beruhigung der Preisdynamik weiter auf sich warten – trotz merklich rückläufiger Nachfrage und spürbar flüssigerem Angebot. Zuletzt kletterten die Preise für Wohneigentum auf Jahresbasis immer noch um über fünf Prozent. Gemäss Lehrbuch müsste die Zinswende eigentlich Druck auf das Preisniveau ausüben. Davon ist allerdings noch nicht viel zu spüren. Zwar gewinnen Käuferinnen und Käufer allmählich mehr Verhandlungsmacht, doch finden Verkäuferinnen und Verkäufer zumeist noch Abnehmer und haben daher ihre Preisvorstellungen noch kaum angepasst. Die sinkende Zahl an Transaktionen deutet allerdings darauf hin, dass divergierende Preisvorstellungen häufiger werden. Zudem ist an Vorlaufindikatoren wie der Insertionsdauer oder der Zahl von Suchabonnements nun ablesbar, dass der über 20-jährige Boom der Wohneigentumspreise bald zu Ende geht. «Wir erwarten, dass die Preise für Wohneigentum spätestens ab 2024 eine gewisse Korrektur erfahren werden. Die Angebotspreise für Wohneigentum haben nämlich bereits reagiert und bewegen sich nur noch seitwärts. Die erwarteten Preisrückgänge sollten aber überschaubar ausfallen. Dafür wird das äusserst knappe Angebot sorgen», so Hasenmaile.