Rente oder Kapitalbezug – ein Entscheid mit weitreichenden Folgen

Rente oder Kapitalbezug – diese Frage beschäftigt nicht nur die Versicherten, sondern auch Pensionskassen und Politiker. Der Grund für dieses Interesse an einem eigentlich sehr persönlichen und privaten Entscheid ist die Tatsache, dass er weitreichende Konsequenzen hat – Konsequenzen, welche die Allgemeinheit betreffen können.

Repräsentative aktuelle Umfragen zeigen, dass rund die Hälfte der aktiv Versicherten die Auszahlung des Vorsorgevermögens bei Pensionierung in Form einer monatlichen Rente wünscht, ein Drittel würde heute einen Mix von Rentenzahlung und Kapitalbezug wählen, und mehr als jeder Zehnte würde den reinen Kapitalbezug vorziehen. Was sind die Vorteile der jeweiligen Bezugsmöglichkeit, wo liegen die Gefahren? Und worauf muss unbedingt geachtet werden? Gemäss Gesetz dürfen sich Pensionskassen-Versicherte bei Pensionierung mindestens ein Viertel des Vorsorgevermögens auszahlen lassen, manche Kassen erlauben den Bezug der Hälfte oder gar des ganzen Kapitals. Da es sich in der Regel um sehr viel Geld handelt, müssen die Vor- und Nachteile der verschiedenen Bezugsvarianten genau geprüft werden.

Flexibilität vs. Sicherheit
Die wichtigste Motivation für einen Kapitalbezug ist die höhere Flexibilität. Wer das Kapital bezieht, kann selbst bestimmen, wann und wie viel er oder sie verbraucht, die Höhe der Bezüge kann variieren und aufgrund der jeweiligen Bedürfnisse situativ angepasst werden. Da das Geld nach Kapitalbezug zum Privatvermögen gehört, geht noch vorhandenes Kapital im Todesfall an die Erben über. Zudem ist der Kapitalbezug steuerlich attraktiv. Während Renten vollumfänglich als Einkommen besteuert werden, findet die Besteuerung des Kapitalbezugs im Jahr der Auszahlung einmalig und getrennt vom übrigen Einkommen statt – sowie zu einem tieferen Satz. Diese Vorteile überzeugen. Der Kapitalbezug geht jedoch mit einer grossen Verantwortung einher. Auch die Rente hat handfeste Vorzüge – allen voran die Sicherheit und Kalkulierbarkeit. Wer sich für eine Rente entscheidet, erhält lebenslang jeden Monat eine garantierte Zahlung. Bei Todesfall erhält der überlebende Ehepartner eine Witwen- oder Witwerrente. Allerdings bleibt das nicht für (Witwen-)Rentenzahlungen aufgebrauchte Kapital in der Kasse und geht nicht an die Nachkommen.

Denkbar – aber unpopulär – wäre auch, den Kapitalbezug erst dann zu erlauben, wenn PK-Rente und AHV zusammen ein bestimmtes Monatseinkommen abdecken, so dass mit Sicherheit zu einem späteren Zeitpunkt keine Ergänzungsleistungen beansprucht werden müssen.

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Eine genaue Finanzplanung fürs Alter ist somit unabdingbar. Der finanzielle Bedarf für unterschiedliche Szenarien – zum Beispiel für gute Gesundheit sowie für Krankheit und Invalidität – muss berechnet werden. Dabei sollten PK-Versicherte berücksichtigen, dass die Renten langfristig sinken dürften. Einerseits wird der Umwandlungssatz, der für die Höhe der Renten massgebend ist, wegen der höheren Lebenserwartung und dem Tiefzinsumfeld weiter gesenkt werden. Andererseits gleichen viele Pensionskassen die Teuerung nicht aus, was dazu führt, dass die Kaufkraft der Renten im Laufe der Jahre abnimmt.

Hypotheken sind ein Problem
Personen, die den (teilweisen) Kapitalbezug wählen, müssen sich der einhergehenden Verantwortung für die Finanzierung ihres restlichen Lebens bewusst sein. Sind sie in der Lage, ihr Kapital so gut anzulegen wie eine Pensionskasse? Verfügen sie über die Disziplin, nicht zu viel Geld frühzeitig auszugeben? Die Realität lässt Zweifel zu, da manche Kapitalbezüger früher oder später beim Sozialamt landen. Politische Vorstösse rund um das Thema «Zwang zur Rente» oder der Vorschlag, dass das Kapital aus dem Vorsorgeobligatorium nicht bezogen werden darf, wurden verworfen. Der Hauptgrund dafür sind die Hypotheken. Wegen den strikten Vorgaben der Geschäftsbanken zur Tragbarkeit müssen Hypotheken bei Pensionierung oft amortisiert werden. Viele Neupensionäre sind ohne Pensionskassenbezug dazu nicht in der Lage.

Sicherung der Vorsorge hat Vorrang
Waren beide Ehepartner berufstätig, ist die in der Praxis oft gewählte Variante von «einer Rente» und «einem Kapitalbezug» ein sinnvoller Mittelweg. Um zumindest die allgemeinen Lebenskosten durch die Rente abzudecken, kann auch für Einzelpersonen ein Mix von Vorbezug und Rente sinnvoll sein. Zu beachten ist bei einem Kapitalbezug, dass bestimmte Anmeldefristen einzuhalten sind, die je nach Pensionskasse bis zu drei Jahre betragen können. Bei aller Sympathie für individuelle Entscheidungsfreiheit, sollte die Sicherung der Vorsorge Vorrang vor der Befriedigung von Einzelbedürfnissen haben. Den Kapitalbezug einzuschränken dürfte im aktuellen politischen Umfeld schwierig sein, aber zumindest die steuerlichen Fehlanreize sollten beseitigt werden. Denkbar – aber ebenfalls unpopulär – wäre auch, den Kapitalbezug erst dann zu erlauben, wenn PK-Rente und AHV zusammen ein bestimmtes Monatseinkommen abdecken, so dass mit Sicherheit zu einem späteren Zeitpunkt keine Ergänzungsleistungen beansprucht werden müssen. Den Versicherten muss auf jeden Fall klar sein, dass der einmal gefällte Entscheid Rente oder Kapitalbezug nicht rückgängig gemacht werden kann.

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